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Was haben sie denn? – Neue Systeme überall

In letzter Zeit ist Bewegung im Markt wie schon lange nicht mehr. Pro/E wird zu , baut eine neue Version seiner Software, Inventor Fusion präsentiert sich als Cloud-CAD-System. Was ist los im CAD-Markt, warum sind so viele Systeme im Umbruch? Eine Antwort lautet: Sie sind in die Jahre gekommen.

Damals: Catia V4 unter Unix um 1998
Damals: V4 unter Unix um 1998

Ein kurzer Blick zurück: Bis Mitte der 1990er Jahre liefen CAD-Systeme fast ausschließlich auf Unix-Workstations. Lediglich und eine Reihe weiterer, eher kleiner Systeme liefen unter DOS oder Windows. Durch die grauenhafte Speicherverwaltung der damaligen Windows-Versionen ließen sich praxistypische 3D-Modelle kaum bearbeiten, was sich mit Windows NT änderte. Dieses neue Betriebssystem verzichtete endlich auf den DOS-Unterbau und wurde ab der 1995 vorgestellten Version 3.51 auch in Unternehmen ernst genommen. Deshalb entstanden in den Jahren um und nach 1995 nicht nur Windows-Versionen der etablierten Systeme, beispielsweise Pro/Engineer (1993), Catia V5 (1999) und Unigraphics – heute – (1996), sondern auch völlig neue Systeme, die von vornherein für Windows entwickelt wurden: SolidWorks (1994), (1995) oder auch Inventor (1999). Der Umstieg auf Windows erforderte meist eine Neuprogrammierung der Software, was bedeutet, dass die aktuell wichtigen Systeme alle mehr oder weniger gleich alt sind.

Nun scheint es so zu sein, dass der Quellcode einer Software mit der Zeit immer instabiler wird, beispielsweise, weil Funktionen implementiert werden, die zunächst nicht geplant waren – Windows ist ein gutes Beispiel, ursprünglich war Windows als DOS-Aufsatz konzipiert, um dem Betriebssystem eine grafische Oberfläche zu geben. Mit den Jahren wurde der DOS-Kern jedoch immer mehr zum Problem und zum Quell von Instabilität, was die komplette Neuentwicklung NT notwendig machte. Man denke nur an die angesprochene Speicherverwaltung: Bei der Entwicklung von DOS war nicht nur Bill Gates der Meinung, dass 640 kByte Hauptspeicher absolut ausreichend sind. Weil mehr Speicher im Grunddesign von DOS nicht vorgesehen war, musste man mit Krücken wie EMM und EMS arbeiten, um mehr Speicher anzusprechen – instabil, ineffizient und kompliziert.

SolidWorks 98+: Echtes Windows-CAD
SolidWorks 98+: Echtes Windows-CAD

Die „Lebenszeit“ einer Software liegt im Fall von CAD-Systemen offensichtlich zwischen 15 und 20 Jahren. Das heißt nicht unbedingt, dass die Software an sich instabil ist – es wird nur immer schwieriger, Neuheiten zu implementieren, deren Aus- und Wechselwirkungen zu analysieren und Bugs zu fixen, ohne neue Probleme heraufzubeschwören. Zudem existieren nach so langer Zeit völlig neue Paradigmen, Technologien und Anforderungen. Das Internet war 1995 kaum erfunden – der Internet Explorer entstand 1995, Netscape Ende 1994. Von Cloud Computing war gleich gar nicht die Rede. Die Verwaltung von Daten mit EDM/PDM/PLM entstand erst gerade.

Die meisten Systeme sind also alle am Ende der Lebensspanne, und die Firmen entwickeln neue Versionen auf Basis der heute aktuellen Technologie. Doch während beispielsweise Jon Hirschtick und Kollegen damals SolidWorks sozusagen am Zeichenbrett entwickeln konnten, ist eine komplette Neuprogrammierung extrem schwierig, wenn man wie SolidWorks heute, über 1,5 Millionen Lizenzen im Markt hat. Von den damit erzeugten Daten hängen hunderttausende von Firmen und Millionen von Arbeitsplätzen ab, so dass die Rückwärtskompatibilität einen extrem hohen Stellenwert hat. Und im Gegensatz zum letzten großen Umbruch, dem 2D-/3D-Umstieg, liegen heute keine Zeichnungen als Backup mehr im Schrank. Die 3D-Modelle sind unendlich komplexer als damals 2D-Zeichnungen und entsprechend empfindlicher bei der Konvertierung.

Autodesk Fusion 360: Die Zukunft im Netz? (Bild: Autodesk)
Fusion 360: Sieht so die Zukunft aus?
(Bild: Autodesk)

Deshalb zeigt sich bei den meisten Anbietern eine zweigleisige Strategie: das bewährte System wird weitergeführt und die neue Version parallel entwickelt. Meist beginnt man mit einem „Konzeptdesigntool“, das relativ wenig Funktionalität hat, und erweitert diese Schritt für Schritt. Irgendwann ist dann der Funktionsumfang angeglichen und die Nutzer steigen – im idealen Fall – ohne allzu viele Probleme auf das neue System um. Die Entwicklung des „Altsystems“ wird in dieser Übergangsphase sicherlich nicht großen Umwälzungen glänzen – schließlich werden die revolutionären Neuerungen und die entsprechenden Programmierstunden eher in das Neusystem investiert. Solange jedoch die Betreuung, Bugfixing und moderate Weiterentwicklung gewährleistet ist, wird das dem typischen Anwender nicht zum Nachteil gereichen.

Wir leben in spannenden Zeiten, ein Zipfel der Zukunft ist in Form neuer Applikationen schon sichtbar. Ich glaube, dass die CAD-Anbieter ihrer Verantwortung gerecht werden und die bestehenden Systeme erst einstellen, wenn adäquater Ersatz da ist – alles andere wäre kommerzieller Selbstmord – so dass wir dieser Zukunft gelassen entgegensehen können.

 

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3 Kommentare

  1. Günther Müller

    [Als Spam markiert von Antispam Bee | Spamgrund: Server IP]
    Eines dieser neuen Systeme ist die V6 von Dassault Systeme. Basierend auf dem V5 Modeller sind in der V6 CATIA, ENOVIA, DELMIA und SIMULIA in einer datenbankbasierten PLM-Lösung zusammengefasst. Diese Architektur erlaubt weltweites concurrent engineering über das Internet bei gleichzeitig zentralem Datenmanagement.

  2. Ralf Steck

    Hallo, Herr Müller, stimmt.

    Die „V“s sind im Endeffekt eigenständige CAD-Systeme, die jeweils nach aktuellem Stand der Technik neu programmiert werden. Ich hatte das vergessen zu erwähnen. Dassault Systèmes ist sehr konsequent darin, alle paar Jahre das Sstem komplett neu zu erfinden – damit halten sie den Sourcecode frisch (meine Interpretation) und können schneller auf neue Entwicklungen reagieren. Auf der Minus-Seite steht der erhebliche Upgradeaufwand zwischen den „V“s – es ist ja jedes Mal eher ein Systemwechsel anstatt eines Upgrades. Entsprechend lange dauert der Übergang. V6 wurde 2008 vorgestellt und findet heute langsam seinen Weg.

    Ralf Steck

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