[Update zur 3D-Maus] Creo 2 überrascht mich – es last sich einfacher bedienen als gedacht. Inzwischen habe ich eine ganze Palette von Bauteilen der Schwenkeinheiten aus dem Hanser-Creo-Buch modelliert und fühle mich sehr wohl in den System. Ein Bohrproblem kostet Zeit und entpuppt sich als selbstgemachte Falle. Tag 2 und 3 mit PTC Creo 2.0.
Manchmal steht man sich selbst im Weg – das könnte die Überschrift über die letzten beiden Tage des Creo-Tests sein. Ein Beispiel sind die Bedingungen. Creo bietet im Vergleich zu anderen Systemen nur wenige Bedingungen, diese sind aber viel universeller als gewohnt. Ich suchte eine ganze Weile nach der Option, zwei Kreise als konzentrisch zu definieren, bis ich feststellte, dass ich einfach zu kompliziert dachte. Es gibt keine „konzentrisch“-Bedingung, sondern es wird die „Gleich“-Bedingung genutzt – die setzt zwei Objekte gleich: Gleiche Länge, konzentrisch, kollinear und ähnliches – was bei anderen Systemen auf drei oder mehr Bedingungen aufgeteilt ist, wird hier mit einer abgedeckt. Man darf, wie gesagt, nicht zu kompliziert denken.
Das Modellieren geht inzwischen leicht von der Hand. Ich hatte mich zunächst gewundert, als im Buch ein Kolben weiterbearbeitet wurde, den ich noch gar nicht modelliert hatte. Ich war mal wieder zu schnell und habe einige Übungen überblättert, deren Modelle aber im Zusammenbau benötigt werden. Beim Nachholen dieser Modelle zeigt sich, dass ich immer weniger auf die Beschreibungen angewiesen bin. Ist man die Arbeit mit einem parametrischen System gewohnt, geht es vor allem darum, die Eigenheiten des Systems kennenzulernen – siehe die Probleme mit den Bedingungen. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist schon bekannt und muss nicht mehr geübt werden.
Diese schnelle Einarbeitung in ein fremdes System ist sicherlich auch der Ribbon-UI geschuldet. Seit Microsoft in seiner Office-Suite diese Oberfläche eingeführt hat, wurde sie von immer mehr Programmen übernommen. Auch die wichtigsten CAD-Systeme übernahmen die Bedienphilosophie mit gegliederten Multifunktionsleisten, SolidWorks, Solid Edge, Creo, Inventor und andere sind sich in der Bedienung damit sehr ähnlich geworden. Denkt man an die „selbstgestrickten“ Benutzerschnittstellen früherer Tage zurück, ist das ein klarer Fortschritt für den Benutzer – und für die Systemhersteller ist es einfacher, die vorgefertigten Programmierbibliotheken von Microsoft zu nutzen, statt eine komplette Oberfläche selbst zu entwerfen und zu programmieren.
Was mir auffällt, ist die unterschiedliche Unterstützung der CAD-Systeme durch den 3DConnexion-Treiber. Während beispielsweise das rechte Tastenfeld des SpacePilot Pro in SolidWorks mit den Ansichtsbefehlen Top, Front, Rechts, Rotieren, Isometrie und Fit to Window vorbelegt ist, ist dies bei Creo – und auch Solid Edge – nicht der Fall. Man arbeitet automatisch weniger mit der 3D-Maus, nutzt sie nur zum Navigieren und nicht als Tastaturersatz. Würde ich jeden Tag mit Creo arbeiten, würde ich mir als Erstes die Tastenbefehle für die Ansichtssteuerung heraussuchen und auf die entsprechenden Tasten legen. Das ist eigentlich eine echte Arbeitserleichterung.
[Update] Am 6. Juni ist ein Treiberupdate von 3DConnexion erschienen, die Version 3.17.3 bringt genau die vermissten Funktionalitäten, alle Tasten sind nun mit creo-spezifischen Kommandos belegt. Vor allem die Ansichtstasten rechts sind sehr praktisch und angenehm. Und im LCD-Display des SpacePilot Pro werden auf Wunsch die aktuellen Modelleigenschaften angezeigt. Kompliment!
Bei der Arbeit am Ritzel bin ich in eine selbstgestellte Falle getappt. Ich versuchte, Gewindebohrungen einzubringen. Dabei stand der Gewindestandard bei diesem Teil immer auf UNC, und als ich auf ISO umstellte, blieb der Kernlochdurchmesser auf dem Inch-Wert stehen, was absurd kleine Durchmesser ergab – 1/64“ wurde zu 1,64mm. Nach einiger Zeit des Herumprobierens – ich hätte PTC anrufen können, aber man hat ja seinen Stolz – entdeckte ich, dass die Einheiten des Ritzels immer noch auf Inch gestellt waren – ich hatte, wie im ersten Tagebucheintrag erwähnt, zunächst die US-Einheiten eingestellt. Inzwischen hat mir PTC ein komplettes Paket metrischer Vorgabedateien un Einstellungen zukommen lassen, so dass mein Creo jetzt ISO spricht. Wie gesagt, sollte man dies weniger dem System als meiner „freihändigen“ Testvorgehensweise zuschreiben. Allerdings darf man sich schon fragen, warum Creo nicht beispielsweise bei der Installation nach dem zu verwendenden Einheitensystem fragt. Andere Systeme fragen ebenfalls nicht, sind aber bei der deutschen Lokalisierung auf die passenden Einheiten eingestellt.
Positiv fällt einiges auf: Creo erstellt beim Speichern automatisch Versionen, wie man im ersten Screenshot sieht. Ältere Stände stehen so automatisch zur Verfügung, ein zerschossenes Modell ist kein Beinbruch, weil jederzeit ein älterer Stand zur Verfügung steht, mit dem man nochmals neu beginnen kann. Das spiralförmige Zug-KE ist toll, mit wenigen Klicks und einer Skizze lässt sich eine Feder mit variabler Steigung erstellen. Das ist in anderen Systemen zwar auch möglich, wenn man entlang einer Leitkurve extrudiert. In Creo bringt die explizierte Funktion aber zusätzlichen Komfort.
Heute geht es weiter mit der Schwenkeinheit, es beginnt das Kapitel Baugruppen und der Zusammenbau. Ich bin gespannt, wie weit ich komme. Eins steht fest: Creo 2 macht Spaß, das Einarbeiten ist nicht schwer und wie so oft in der IT sitzt das größte Problem zwischen Sitzfläche und Tastatur :-).