Das 3DExperience Customer Forum im Mannheimer Rosengarten Ende Juni 2013 war der Treffpunkt für Dassault-Systèmes-Anwender in Deutschland. Etwa 600 Anwender folgten dem Ruf des Catia-Herstellers. Catia-CEO Philippe Laufer sprach nach der Begrüßung der Teilnehmer durch Zentraleuropa-Chef Andreas Barth und einem Impulsvortrag durch Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath vom Fraunhofer IAO. Lauffer präsentierte die Vision der 3DExperience und ihre Umsetzung in der Praxis.
Zunächst jedoch verkündete er Zahlen, und die konnten sich sehen lassen. Dassault konnte im Jahr 2012 20000 neue Kunden gewinnen, insgesamt nutzen 10 Millionen User Dassault-Produkte aktiv, darunter sind 450000 Catia-User. Der Umsatz des französischen Softwareherstellers lag im Geschäftsjahr 2012 bei 2,6 Mill. Euro. Interessanterweise liefen die Geschäfte in Asien am besten, anscheinend erholt sich Japan und auch die anderen Länder der Region trugen zum guten Ergebnis bei.
In der Keynote-Präsentation und einem anschließenden Einzelinterview präsentierte Lauffer die aktuelle und zukünftige Entwicklung von Catia und des gesamten Dassault-Portfolios. Der Fokus geht weg von Produkten und hin zu Lösungen, die typische industrielle Prozesse adressieren. „Wir verschieben den Schwerpunkt von Catia“, so Lauffer. Dabei soll die Modellierung nicht in den Hintergrund geraten, aber eben nicht mehr als Lösung an sich gesehen werden, sondern als Teil eines größeren Ganzen.
Am Beispiel eines Prozesses aus der Automobilindustrie zeigte Lauffer, wie Systems Engineering-Techniken den Entwicklungsprozess dominieren und dem Umstand Rechnung tragen, dass in mechatronischen Systemen beziehungsweise Produkten anfangs nicht klar sein muss, welche Funktion schlussendlich in welcher Welt – Software, Hardware, Elektronik – umgesetzt werden. Dabei hat sich Dassault vor zwei Jahren strategisch sehr clever mit der Firma Geensoft verstärkt, die Software für den gesamten Prozess der Entwicklung und Umsetzung von Software für Embedded Systems entwickelt. Damit hat Dassault in diesem Bereich Funktionen in seinem Portfolio, die in dieses Portfolio eng integriert sind und die in dieser Form meines Wissens bei keinem anderen Anbieter zu finden sind.
Lauffer zeigte ein beeindruckendes Beispiel mit Hardware-in-the-loop, wo eine mit einem Fahrradträger beschwerte Heckklappe motorisch aufgefahren wurde. Zunächst hatte der Motor nicht genügend Kraft – die Steuerung des 3D-Modells lief über die reale Platine, der Motor und die Mechanik wurden in Echtzeit simuliert – und nach einer Änderung im Schaltplan zeigte das 3D-Modell die gewünschte Funktion.
Interessant war auch die Präsentation von LiveShape V6, einem Catia-Modul, die es ermöglicht, Catia-Modelle parameter- und historiefrei zu bearbeiten. Catia hängt die Direct Modeling-Aktionen ans Ende des Featurebaums und ist in der Lage, bei nachträglichen Änderungen „weiter oben“, also in Featureteil des Baums, die direkten Änderungen wieder einzuspielen. Beeindruckend sind die Flächenfunktionen des Tools, es kann an jeder Stelle der Modelloberfläche „gezupft“ werden, trotzdem generiert Catia immer wieder einen Brep-konformen Körper. Die Oberfläche ist sehr aufgeräumt und modern – ein ideales Tool für schnelle Änderungen oder für Konzeptmodelle, wo Änderungen einfach mal ausprobiert werden sollen.
LiveShape soll in naher Zukunft auch auf Tablets verfügbar sein, wobei Lauffer noch nicht entschieden hat, ob Android oder iOS zum Zuge kommen soll – die Lizenz- und Gewinnbeteiligungskonditionen von Apple sind hier ein echtes Hindernis. Eine funktionierende Prototypsoftware auf dem Ipad konnte Lauffer allerdings schon zeigen.
Catia steigt – vor allem in China – zudem in den Architekturmarkt ein, wo das Prinzip des 3D-Mastermodells – die Zeichnung ist nur eine Ableitung des Modells, nicht mehr das bindende Endergebnis – eine große Neuerung ist.
Das 3DExperience Forum bot eine Menge Anregungen und Neuigkeiten. Ob die Vision Dassaults allerdings in kleinen und mittelständischen Unternehmen, beispielsweise Automobilzulieferern, viel Erfolg haben wird, muss sich zeigen. Da wird vieles davon abhängen, dass Dassault praxisgerecht einsetzbare Lösungen anbietet, die sich mit geringem Aufwand implementieren lassen.