Siemens PLM Software und PTC veröffentlichten fast parallel anmutende Pressemitteilungen, in denen sie auf die neue China-PLM-Studie von Cimdata verweisen:
- „Siemens Again Named Top PLM Software Provider in China“
- „PTC Secures Market Leadership Position Among PLM Solution Providers in China“
Des Rätsels Lösung: Der Cimdata-bericht wertet die Unternehmen in verschiedenen Kategorien, so ist PTC Marktführer in den Branchen „Aerospace & Defense“ und „Elektronics & High Tech“ sowie den Softwarekategorien „Mainstream PLM“ und „collaborative Product Definition Management (cPDM)“. Siemens konnte sich in den Branchen „Automotive“ und „Industry Equipment“ sowie den Technologien „Multi-discipline 3D computer-aided design (3D CAD)“ und „Digital Manufacturing“ an die Spitze setzen.
Abgesehen von diesem schönen Beispiel für die Interpretation von Studien zeigt der Cimdata-Bericht, wie stark die chinesische Wirtschaft auf CAx/PLM-Lösungen setzt. Der chinesische PLM-Markt wuchs 2012 – bei einem in der zweiten Jahreshälfte stagnierenden PLM-Weltmarkt – um fast 17% (knapp 5% mehr als der Weltmarkt), für 2013 erwartet Cimdata knapp über 16%. 2011 lag das Wachstum in China sogar bei 22,3%.
Dassault Systèmes, Siemens und PTC stehen 2012 für fast 54% der Umsätze im Bereich Mainstream PLM in China. Chinesische Anbieter, die im Westen meist völlig unbekannt sind, sichern sich – ähnlich wie in Japan – nach wie vor einen beachtliche Teil des Markts, nichtsdestotrotz haben die westlichen Anbieter den Fuß in der Tür – sicher nicht zuletzt wegen der vielen Niederlassungen europäischer und amerikanischer Unternehmen ebenso wie dank der Tatsache, das chinesische Unternehmen oft als Zulieferer hiesiger Firmen arbeiten und sich wie alle Zulieferer an der IT-Landschaft ihrer Kunden orientieren.
Natürlich lassen sich in Ländern, in denen die PLM-Durchdringung noch nicht so weit fortgeschritten ist wie hierzulande, beeindruckende Wachstums-Prozentzahlen leichter erreichen, aber der Markt ist mit knapp 750 Millionen Dollar – von 21,1 Milliarden Dollar Gesamtvolumen weltweit – auch insgesamt beeindruckend groß.
Es zeigt sich auch hier: Die Zeiten, in denen man China als verlängerte Werkbank, Produzent minderwertiger Produkte oder Kopierwerkstatt abtun konnte, sind lange vorbei. Ich erinnere mich an eine Autodesk-Pressekonferenz in den 1990er Jahren, wo mir nach dem offiziellen Teil ein hoher Manager sagte, dass Autocad in China der Quasi-Standard für die Konstruktion ist – bei genau drei offiziell verkauften Lizenzen in China. Auch das ist vorbei – wer effizient entwickeln und konstruieren will, wird mit geklauten Softwarelizenzen nicht weit kommen – der Support und das Consulting sind gerade im PLM-Bereich inzwischen wichtiger als die nackte Software. Und wenn man in der Siemens-Pressemitteilung über den Stellenwert von Tecnomatix liest, wird klar, dass wir nicht über Näherinnen oder Ü-Eier-Anmalerinnen reden, sondern über High-Tech-Fertigung.
Für mich hat die Entwicklung zwei Seiten: Auf der positiven Seite führt die wachsende Professionalisierung der Produktentwicklung zu einem wachsenden Bewusstsein für geistiges Eigentum – spätestens, wenn chinesische Firmen selbst mit Produktfälschungen zu kämpfen haben, wird dieses Thema eine ganz andere Wertschätzung erhalten als bisher. Zudem kann ein boomender chinesischer Markt nur im Interesse Deutschlands sein, das sich gerne als Ausstatter der Globalisierung sieht und gute Umsätze mit der Lieferung von Maschinen nach China macht.
Die negative Seite ist die, dass nicht mehr nur einfache Produktionsschritte nach China abwandern, sondern auch die Bereiche, die sich bisher sicher und unersetzbar wähnten – wie eben Entwicklung, Konstruktion oder auch Design.
Wie steuert man dieser Entwicklung entgegen? Nicht anders als ein Unternehmen sich im Markt positioniert: Mit Effizienz, aber vor allem mit Alleinstellungsmerkmalen: Kreativität, Know-how, Qualität. Alle drei Elemente bedingen aber, dass wir gnadenlos in Bildung investieren, um auch in Zukunft die hellen Köpfe haben, die uns den Vorsprung sichern.