Im CAD-Markt ist Apple mit seinen Mac-Rechnern nur in ganz wenigen Bereichen präsent, nur wenige CAD-Systeme stehen überhaupt in einer Mac-kompatiblen Version zur Verfügung. ganz anders war bisher die Situation im sogenannten „kreativen“ Bereich: Bei Grafikern, Bildbearbeitern und rund um das Thema Video war der Mac gesetzt. Die PowerMacs und später der Mac Pro waren leistungsstarke, auf hohe Grafikleistung ausgelegte Maschinen.
Auf der Workstation-Pressekonferenz in New York, die ich diese Woche besuchte (über die Neuigkeiten darf leider erst ab 10. September ab 20:30 Uhr berichtet werden), zeigte HP großes Selbstbewusstsein, mit seinen Z-Workstations den Mac Pro ablösen zu können – und diese Ansicht wurde von anwesenden Kunden unterstützt. Interessiert sich Apple nicht mehr für Profis?
Tatsächlich ist der Mac Pro in letzter Zeit eine vernachlässigte Baureihe und mit dem neuen Modell, das im Herbst erscheinen soll, hat sich Apple den Missmut vieler Kunden zugezogen. Seit Juni 2010 wurde das Topmodell nicht mehr aktualisiert – sieht man von einem Prozessorupgrade im Juni 2012 ab; seit März 2013 kann es in Europa gar nicht mehr verkauft werden, weil es die geänderte IEC-Richtlinie 60950-1 nicht mehr erfüllt – die Lüfterabdeckungen und die Stromversorgung der externen Anschlüsse entsprechen nicht mehr den aktuellen Sicherheitsanforderungen. Damit kann der Mac Pro bis heute nicht den modernen USB 3.0-Anschluss bieten – ein schweres Minus bei einem Rechner für Videobearbeiter, die große Datenmengen verschieben und bearbeiten müssen.
Mit dem neuen Mac Pro, den Apple für den Herbst 2013 ankündigte, hat sich Apple vollends in die Nesseln gesetzt: Statt eines hochgradig erweiterbaren Towergehäuses präsentierten die Kalifornier eine 25 Zentimeter hohe Röhre, in deren Rand sich die Bauteile drängen – für Erweiterungskarten wie die für 4K/6K/8K-Videobearbeitung hervorragend geeigneten Fusion-IO-Karten ist kein Platz vorgesehen. Zwar bietet der scherzhaft als „iPapierkorb“ titulierte Rechner zwei High-End-Grafikkarten von AMD und die sehr schnelle Thunderbolt-2-Schnittstelle, aber eben keinen Platz für zusätzliche, direkt angebundene Laufwerke neben der eingebauten SSD. Der neue Mac Pro ist ein Designerstück, aber kein „Arbeitsrechner“ mehr.
Früher hatten die Kreativen nahezu keine Chance, aus ihrem goldenen Apple-Kafig auszubrechen, da es die wichtigsten Applikationen eben nur in Mac-Versionen gab; diese Zeiten sind jedoch längst vorbei. Unter Windows steht die gesamte Palette von Softwarepaketen zur Verfügung, so dass dem Wechsel auf leistungsstarke Windows-Rechner nichts mehr im Wege steht.
Apple begibt sich meiner Meinung nach auf gefährlichen Kurs – und bietet damit ein interessantes Rollenmodell für andere Unternehmen mit starken Marken. Apple-Produkte gelten als „hip“ und „cool“, nicht zuletzt weil sie von hippen und coolen Menschen wie Videokünstlern, Grafikern und Designern genutzt werden. Kehrt diese Klientel dem Mac Pro – gezwungenermaßen – den Rücken, kann auch dieser Nimbus schnell zusammenbrechen. Der Mac Pro ist sicherlich nicht mehr die Cash-Cow bei Apple, dazu ist das Unternehmen viel zu gut im Geschäft mit seinen iPods, iPads und iPhones, aber doch ein wichtiger Markenkern. Man sollte sein Stammpublikum nicht verprellen, allzu schnell gehen einem dann auch die Fans von der Stange.