Schnapszahl! SolidWorks 2014 ist die Version 22 des CAD-Systems. Da stellt sich die Frage, was noch zu verbessern ist nach fast 20 Jahren Entwicklung. Eine ganze Menge, wie sich zeigt.
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen SolidWorks-Version präsentierten SolidWorks-Produktmanager Andreas Spieler und sein Kollege Jürgen Haberger eine Software, die gereift ist. Die neueste SolidWorks-Generation ist keine revolutionäre, sondern eher eine evolutionäre Weiterentwicklung. Die Entwicklungsphilosophie, die hinter Version 2014 steckt, wird klar, wenn man die Top-Ten-Liste kennt. Diese Liste wird in jedem Jahr im Vorfeld der SolidWorks World erstellt. Alle Anwender können mitmachen und per Internet mitteilen, wo sie Verbesserungspotential sehen. Die zehn meistgenannten Wünsche bilden die Top-Ten-Liste, die jeweils auf der SolidWorks World präsentiert wird.
Verfolgt man diese Liste über mehrere Jahre, zeigt sich, dass eher allgemeine Themen wie „Mehr Stabilität“ oder „Höhere Performance“ in den letzten Jahren nicht mehr auftauchen. Spieler führt dies auf das stark ausgeweitete Betatestprogramm zurück. er sagte, dass die eigentliche Programmierarbeit an einer neuen Version nur wenige Wochen in Anspruch nimmt, die darauffolgenden Test dagegen mehrere Monate. Im Betatestprogramm gibt es eine Rangliste, in der die Tester vorn sind, die die meisten Bugs finden. Gegen Ende des Betaprogramms lädt SolidWorks weltweit Kunden ein, von denen der Hersteller weiß, dass sie das System auf besondere Weise fordern, und lässt sie eine Woche lang in Zusammenarbeit mit SolidWorks-Mitarbeitern die neue Version auf Herz und Nieren prüfen. Aus Deutschland waren diesmal drei Firmen vertreten.
Der Lohn ist eine Software, die hinsichtlich Stabilität und Geschwindigkeit sehr ausgereift ist. In der Top Ten-Liste finden sich inzwischen folgerichtig eher konkrete Verbesserungsvorschläge wie „Konzentrische Positionierungsbeziehung, die die Rotation sperrt“. SolidWorks 2014 erfüllt neun der Wünsche auf den Top-Ten-Listen von 2012 und 2013, zwei weitere von insgesamt 20 Wünschen wurden schon in der Vorversion umgesetzt. SolidWorks ist also dabei, sein System an vielen Ecken und Enden zu optimieren und die Anforderungen der Anwender zu implementieren.
Ein typisches Beispiel für eine auf den ersten Blick wenig spektakuläre, aber in der täglichen Arbeit extrem praktische Neuerung ist die automatische Skalierung von Skizzen. Oft zeichnet man in SolidWorks zunächst eine Skizze, ohne sich um Maße zu kümmern, und fügt erst am Ende die Maße hinzu. Hat man dabei nicht darauf geachtet, dass man zumindest grob die richtige Größenordnung gewählt hat, springt die Skizze bis Version 2013 nach der Eingabe des ersten Maßes teils sehr stark, manchmal wird sie dadurch sogar unbrauchbar. Wenn man beispielsweise freihändig zwei konzentrische Kreise zeichnet und diese zufällig 150 und 100 Millimeter groß sind, dann aber am äußeren der beiden Kreise das gewünschte Maß 5 Millimeter anbringt, springt dieser zum einen nach innen, zum anderen muss man erst herumzoomen, um den zweiten Kreis zu bemaßen. Tangentialbedingungen oder ähnliches können „umschlagen“, so dass die Skizze plötzlich völlig anders aussieht.
In Version 2014 passt SolidWorks die gesamte Skizze nach Eingabe des ersten Maßes an, so dass die Größenverhältnisse zunächst erhalten bleiben, bis alle Maße definiert sind. Dies ist sicherlich eine riesige Erleichterung in der täglichen Arbeit. Weitere Beispiele aus dem Skizzierbereich: Lasso-Auswahl, konische Kurven und eine Pfadlängenbemaßung – Definieren eines Längenmaßes über mehrere Entitäten hinweg, beispielsweise bei einem Keilriemen, der aus zwei Halbkreisen und zwei Geraden besteht.
Eine echte Neuerung ist die einfache Erstellung von Besichtigungen, neudeutsch Fly-throughs. Es lassen sich beispielsweise mit der 3D-Maus „Flüge“ durch und um das Objekt erstellen, aufzeichnen und wiedergeben, beispielsweise um einem Kunden das Modell einer neuen Maschine zu präsentieren. In den Bereich Industriedesign gehört die Neuerung „Konische Verrundung“, die es ermöglicht, Verrundungen über Radius- oder Rho-Werte sehr organisch zu definieren.
Im Zeichnungsmodus lässt sich das mit einer Zeichnung verlinkte Modell aktualisieren oder sogar gegen ein völlig anderes Modell austauschen, je nach Wunsch in einer oder allen Ansichten.
Enterprise PDM lässt sich in der neuesten Version in Office integrieren, in Word. Excel und anderen Office-Komponenten taucht ein PDM-Reiter auf, über den Dokumente direkt in die PDM-Datenbank gespeichert oder von dort geladen werden können.
Einen wichtigen Sprung hat SolidWorks Costing gemacht: Jetzt lassen sich Vorlagen – in denen Preise, Stundensätze usw. gespeichert sind – per Excel-Datei importieren. Mit etwas Anpassung sollten sich so die eigenen Werte aus dem ERP-System in Costing übertragen lassen, so dass sehr realistische Kalkulationen möglich werden.
Im Modul Electrical wurde der Routing-Algorithmus überarbeitet und achtmal schneller, es lassen sich nun auch Kabelbäume definieren. Zudem nimmt Electrical jetzt auch Logikprüfungen vor, beispielsweise, ob der gewählte Kabelquerschnitt auch zu der zu übertragenden Stromstärke passt.
Interessante News beim 3DVia Composer: der heißt jetzt – zumindest wenn man ihn mit SolidWorks kauft – SolidWorks Composer. Außer dem Namen ändert sich derzeit nichts, aber dies könnte sich in der Zukunft ändern. Laut Country Manager Central Europe Uwe Burk wird das Packaging derzeit überarbeitet, das heißt, dass der Funktionsumfang des Composers in Zukunft besser an die jeweilige „Partnersoftware“ angepasst werden könnte.
Simulationsspezialist Haberger zeigte die Neuerungen im Berechnungsumfeld. In Plastics hat eine Reihe von Assistenten Einzug gehalten, die es auch weniger erfahrenen Anwendern ermöglichen, Spritzgusssimulationen durchzuführen. Viele Werte sind mit sinnvollen Presets vorbelegt, ein Angusssystem lässt sich mit wenigen Klicks definieren. Auch die Ergebnisse sind nun mit verständlichen Kommentaren und Erklärungen versehen, was die Ergebnisinterpretation erleichtert.
Ergebnisse lassen sich an andere Simulationen übergeben, so können die Eigenspannungen eines Spritzgussmodells nun in der nachfolgenden Festigkeitsanalyse berücksichtigt werden. Auch die Materialdaten werden aus Plastics übernommen. Die Material- und thermischen Daten – zum Beispiel die Wärmeabgabe von Bauelementen – aus CircuitWorks werden ebenso in die FEM-Berechnung übernommen, beispielsweise zur Kühlungsauslegung.
Bei der Simulation von Schraubverbindungen entnimmt das FEM-Modul Vorspannkräfte und Festigkeit der Toolbox, wo diese Werte schon bei den Verbindungselementen definiert sind. Mehrfacheingaben werden unnötig. Symmetrische Bauteile, bei denen nur eine Hälfte berechnet wurde, können nun komplett dargestellt werden. Mehrere Konfigurationen eines Bauteils lassen sich in einem Rutsch berechnen und die Ergebnisse vergleichen – so zeigt sich schnell, welche Version die optimale ist.
Auch im Bereich der Performance finden die SolidWorks-Entwickler noch Reserven, so unterstützt das System nun OIT – Order Independent Transparency – eine Hardwarefunktion moderner Grafikkarten, mit der Transparenzberechnungen wesentlich schneller werden. Schaltet man Teile einer Baugruppe transparent, lässt sich diese nun sehr viel flüssiger bewegen. In großen Baugruppen lassen sich Bauteile nach Größe auswählen, der Blechbereich wurde durch Optimierungen dreimal schneller.
Cartoon Renderings, eine Sonnenlicht-Lichtquelle und eine Sonnenlichtsimulation, die nach Eingabe des gewünschten Tags und einer Uhrzeit sowie der geographischen Position realistische Schattenwürfe berechnet, vervollständigen den Visualisierungsbereich.
Und ja, es gibt jetzt auch eine Bedingung zum Verknüpfen von Teilen einer Baugruppe, die verhindert, dass sich eine Mutter auf der Schraube drehen lässt. SolidWorks präsentiert, wie gesagt, keine Revolution, sondern eine Vielzahl von Verbesserungen und Ergänzungen, die das Arbeiten mit diesem System noch effizienter werden lassen.