Am Mittwoch war ich auf einer sehr gut besuchten PTC Live Stuttgart – über 1500 Teilnehmer wurden von Zentraleuropa-Chef Michael Sauter begrüßt. Die sehr interessante Rede von PTC-CEO Jim Heppelmann muss ich an anderer Stelle ausgiebiger besprechen, erwähnt habe ich sie schon in einem meiner Blogbeiträge zur PTC Live Global im Juni.
Später in der Pressekonferenz präsentierte Howard Heppelmann, General Manager, Supply Chain Segment bei PTC, eine Lösung zum Thema Conflict Minerals. Im Jahr 2009 entwickelte US-Senator Sam Brownback einen Gesetzesvorschlag, der über eine Regulierung der Industrie Einfluss auf den Bürgerkrieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben soll. Dort bekämpfen sich die kongolesische Armee und eine Reihe von Milizen. Die Bürgerkriegsparteien finanzieren sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus dem Ertrag von Minen, in denen verschiedene, für die Technik wichtige Materialien gewonnen werden. Brownbacks Kalkül war, dass die Notwendigkeit, die Verwendung von Werkstoffe aus diesen Minen öffentlich machen zu müssen, Firmen dazu bewegt, auf ethisch unbedenklichere Quellen auszuweichen.
Da das Gesetz als solches nicht umzusetzen war, schaffte es Brownback, den Text in ein Gesetz zum Verbraucherschutz und zur Regulierung der Börsen einzubringen – den Dodd-Frank Act – mit dem es im Jahr 2010 zum Gesetz wurde. Durch diese seltsame, aus dem US-Regierungssystem resultierende Entstehungsgeschichte ist nun die US-Börsenaufsicht SEC dafür verantwortlich, die Deklaration der Herkunft sämtlicher sogenannter Concflict Minerals zu überwachen.
Die im Gesetz erfassten Conflict Minerals sind Zinn, Tantal, Wolfram und Gold und werden – nach ihren englischen Bezeichnungen Tin, Tantalum, Tungsten, Gold als T3G bezeichnet. Das Gesetz erfasst alle an US-Börsen gehandelten Unternehmen. Da die Mineralien in elektronischen Komponenten enthalten sind, finden sie sich in nahezu jedem komplexen Produkt.
Die betroffenen Unternehmen müssen die Herkunft aller in ihrem Produkt verwendeten Rohstoffe bis zurück zur Mine nachweisen, was wiederum dazu führt, dass das Thema Conflict Minerals die gesamte Lieferantenkenne erfasst und damit auch europäische und deutsche Firmen – ganz davon abgesehen, dass deutsche Unternehmen wie Siemens oder die Daimler AG an der New York Stock Exchange gehandelt werden, die direkt betroffen sind. Zudem hofft der US-Gesetzgeber, dass sich auch Unternehmen, die nicht direkt betroffen sind, zertifizieren, um eine negative Berichterstattung zu vermeiden. Das Irre ist nämlich, dass T3G aus Kongo usw. weiterhin eingesetzt werden dürfen – aber man muss es öffentlich machen, dass man sie verwendet.
Zusammenfassend kann man also sagen: Die Weltgemeinschaft schafft es nicht, das Morden in Zentralafrika zu beenden, auch weil die Weltwirtschaft auf Rohstoffe aus dieser Gegend angewiesen ist und so wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Bürgerkrieg hineinspielen. Weil auch die US-Regierung keine klare Stellung beziehen möchte, schmuggelt man das entsprechende Gesetz in ein Gesetz zu einem völlig anderen Thema hinein. Und nun sollen NGOs wie Greenpeace und andere die Unternehmen anklagen, die Conflict Minerals verwenden. Befähigt dazu werden sie von den Unternehmen selbst, die von der US-Börsenaufsicht dazu gezwungen werden, die entsprechenden Informationen zu veröffentlichen.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Der Irrsinn in Zentralafrika muss beendet werden. Ich verurteile die Förderung von Mineralien durch Rebellengruppen, die Arbeiter wie Sklaven halten und ausbeuten. Und ich bin für transparente Unternehmen, die beim Einkauf auch ethische Gesichtspunkte berücksichtigen. Aber dass Fertigungsunternehmen und NGOs für die Politik die Kohlen aus dem Feuer holen sollen, weil es die Weltgemeinschaft nicht schafft, die Verantwortlichen für den Bürgerkrieg zur Vernunft zu bringen, macht mich rasend. Wir bauen ein bürokratisches Monstrum auf, um einen Teilaspekt des Bürgerkriegs in Griff zu bekommen.
Denn es werden ja nicht Waffenlieferungen in diese Länder unterbunden, die Konten der Potentaten eingefroren und die Verantwortlichen zu Personae non gratae erklärt, damit diese sich nicht in Florida in der Sonne aalen, in London shoppen oder in Deutschland ihre Zipperlein behandeln lassen können. Unternehmen könnten gesetzlich gezwungen werden, keine Conflict Minerals zu verwenden. Das wären Maßnahmen, die die Weltgemeinschaft problemlos treffen könnte.
Die Anbieter von PLM– und ERP-Systemen, die Anforderung, Verteilung, Zusammenfassung und Reporting für Conflict Minerals automatisieren, sind die Gewinner, denn ohne IT-Lösung ist der Aufwand kaum zu stemmen, vor allem weil die bestehenden Compliance-Lösungen für RoHS, REACH usw. mit wenig Aufwand entsprechend erweitert werden können. Es sei ihnen ja auch gegönnt.
Hier noch ein Link zum Enough Project, das sich gegen Völkermorde engagiert: Enough Project