Wenn man das Thema 3DExperience ernst nimmt, ist es ein logischer Schritt, trotzdem kam die Pressemeldung heute morgen überraschend: Dassault kauft RTT. Der französische PLM-Anbieter unterzeichnete einen Übernahmevertrag über eine Mehrheitsbeteiligung von 84 Prozent an der RTT AG. In den kommenden Tagen will Dassault ein Übernahmeangebot für die restlichen Aktien vorlegen, in dem man 40 Euro pro Aktie anbietet.
Die 84 Prozent der Aktien entsprechen ziemlich genau den Anteilen der Großaktionäre laut RTT-Website: Vorstand und Gründer halten 39,76 Prozent, Institutionelle Anleger 16,83, Balderton Capital 13,73 Siemens Venture Capital 8,75 und UBS Equity Fund 5,87 Prozent. Der Streubesitz beläuft sich auf 15,06 Prozent. Bernard Charles sagte im Conference Call der Analysten, dass die Besitzer dieser 84 Prozent dem Kauf schon zugestimmt haben, es geht nun also darum, die Kleinaktionäre auszubezahlen. Dazu wird eine sieben Wochen lange Tender Period angesetzt, in der Dassault jedem Kaufwilligen 40 Euro pro Aktie zahlt, etwas unter dem aktuellen Kurs. Bei etwa 95 Prozent – was Ende Januar erreicht sein soll – kann Dassault die restlichen Aktionäre zum Verkauf zwingen – der berühmte Squeeze-Out. Dassault zahlt für die 84 Prozent der Aktien 177 Millionen Dollar in Cash.
Dassault wird für RTT – und einige kleinere, thematisch passende Bereiche, die sich schon im Dassault-Portfolio finden – eine neue Marke gründen, die sich zu den bestehenden neun Marken gesellt. Chef der neuen Digital Content Creation-Marke wird Monica Mengini, bisher Executive Vice President, Industry Marketing and Corporate Communications bei Dassault Systèmes. Der bisherige RTT-CEO wird unter ihr weiter die Geschicke von RTT lenken.
Technisch macht die Akquisition sicher Sinn, weil die RTT-Produkte wie DeltaGen und auch die Produkte der kürzlich erworbenen Tochter Bunkspeed schon immer die interaktive Erfahrung virtueller Daten ermöglichten. Man denke an Einsatzfälle wie RealDrive, eine Lösung für eine technisch realistische Fahrsimulation. Das passt sehr gut in die 3DExperience-Vision. Interessant wird zu sehen sein, wie es mit DeltaGen for Teamcenter weitergeht, einer Lösung, die Visualisierung tief ins PLM-System integriert und unter anderem Visualisierungsdaten im PLM-System mitverwalte oder automatische Visualisierungen auf Basis der im jeweiligen Augenblick verfügbaren und aktuellen Daten ermöglicht. Sicher ist es sinnvoll, diese Technologie in Enovia zu integrieren. Ob Dassault weiterhin das Siemens-PLM-System unterstützt, wird sich zeigen, in der Telefonkonferenz wurden dazu keine Angaben gemacht, sondern die langjährige gute Zusammenarbeit zwischen Dassault und RTT hervorgehoben.
RTT beschäftigt etwa 700 Mitarbeiter, von denen ein Drittel in den letzten fünf Jahren eingestellt wurde. Neben der Software DeltaGen, die auch Basis vieler kundenspezifischer Lösungen ist, wurden in der letzten Zeit die Servicedienstleistungen im RTT-Portfolio immer wichtiger.