Wussten Sie’s schon? Der 3D-Druckermarkt ist in der Krise, die Aktien brechen auf breiter Front ein. Komischerweise werden gleichzeitig die Markterwartungen nach oben korrigiert. Auf der einen Seite korrigieren die Analysten der Credit Suisse ihre Erwartungen für das Volumen des 3D-Drucker-Marktes im Jahr 2016 von 175 auf sage und schreibe 800 Millionen US-Dollar, auf der anderen Seite stürzen die Aktien von 3D-Systems, Stratasys, aber auch Voxeljet derzeit rasant. Was ist denn da los?
Es ist das alte Lied vom Pendel und seinen Ausschlägen, von Halbwissen und Panikmache. Also, der Reihe nach: Der 3D-Druckermarkt wächst schneller als gedacht, sagen die Credit Suisse-Analysten. Überraschenderweise wachse der Markt für Privatleute und semiprofessionelle „Prosumenten“ stärker als gedacht. Das ist interessant, denn diesen Markt gab es bis Oktober 2009 gar nicht, als die Stratasys-FDM-Patente ausliefen und Firmen wie Makerbot auf den Markt kamen. Und erst 2011/2012 kam der Markt so richtig in Schwung – das hat viel mit der Reife der Technologie zu tun, aber auch mit dem beginnenden Hype. Allzuviel Referenzzeitraum, aus dem heraus man Voraussagen berechnen könnte, ist also gar nicht da.
Inzwischen verstärken sich Hype und Markt gegenseitig, nahezu täglich kommen neue Drucker auf den Markt, auch chinesische Unternehmen haben herausgefunden, dass sich Geld damit verdienen lässt, quelloffene Soft- und Hardware zu kopieren und zu verkaufen. Die Maschinen werden billiger, jeden Tag wird 3D-Druck in den Medien erwähnt – da ist es kein Wunder, dass immer mehr Menschen sich einen Drucker leisten (können).
Und es gibt noch weitere Überraschungen für die Credit Suisse-Analysten, ich zitiere:
Der leitende Analyst Jonathan Shaffer von Credit Suisse glaubt sogar, dass zukünftig ganze Berufsgruppen wie Architektur von der additiven Fertigung erobert werden. Auch andere Bereiche wie die Medizin, Hersteller für Sportausrüstung, Schmuckhersteller, Automobil- und Luftfahrtbranche, wo 3D Druck seit Jahren bereits eine immer wichtigere Rolle spielt, profitieren von den neuen Möglichkeiten. Branchen-Experten sprechen sogar von einer produktionstechnischen Revolution.
Stimmt.
Trotzdem wäre ich nicht in der Lage, eine Abschätzung der Marktgröße zu machen, das wäre nun von meiner Seite aus eine Einschätzung auf gefährlich dünner Datenbasis. Kenneth Wong, geschätzter US-Kollege, der als Analyst für die Citybank arbeitet, schätzt den Markt sogar auf sechs Milliarden Dollar in 2018. Ken kennt sich wenigstens auch technologisch aus und verweist richtigerweise auf die in diesem Jahr auslaufenden weiteren Stratasys-Patente, die die Maschinen preiswerter und wesentlich genauer und beherrschbarer machen werden.
Nun zu Voxeljet: Das bayerische Unternehmen ist im Herbst 2013 an die US-Börse gegangen und hat einen fulminanten Marktstart hingelegt. Am ersten Tag kletterte das Papier von den ursprünglich angegebenen 13 Dollar auf 20 zum Börsenstart und 28 zum Ende desselben Tags. Zwischendurch waren die Aktienanteilsscheine bei fast 70 Dollar und sind seither „stark gefallen“ – auf zwischendurch 31 Dollar Anfang Februar, jetzt steht die Aktie wieder bei 35 Dollar. Wenn das – von 20 auf 35 Dollar – ein Kurssturz ist, hätte ich gern jeden Tag einen :-)
Zudem muss man sehen, was für Drucker Voxeljet baut: Das sind Giganten, der auf der Euromold gezeigte VX2000 hat einen Bauraum von 2 x 1 x 1 Metern und ist noch nicht das größte Gerät, das Voxeljet anbietet. Der VX4000 hat einen Bauraum von acht Kubikmetern – 4 x 2 x 1 Meter. Die Anlagen kosten hunderttausende bis Millionen – was auch die von Analysten kritisch beäugte Zahl von „nur“ 55 Anlagen erklärt, die Voxeljet insgesamt verkauft hat. Voxeljet wird meiner Meinung nach nie ein Unternehmen, sein, das hunderte von Anlagen an Privatkunden verkauft, deren Nische sind große Spezialanlagen. Und bei einem solchen Unternehmen – aber das kennt man aus dem Sondermaschinenbau – kann ein gewonnener oder eben nicht gewonnener Auftrag den Quartalsumsatz sehr signifikant beeinflussen. Diese Tatsache passt wohl nicht zu der Erwartungen amerikanischer Börsenanalysten.
Die US-Analysten verfielen in Panik über den ersten Quartalsreport, der zeigte, dass die 4,76 Millionen Umsatz aus nur drei Verkäufen stammt, bei denen Voxeljet zudem den Kunden einen Kredit gab, mit denen diese die Maschinen kauften. Ich als Finanz-Vollversager würde das „Ratenzahlung“ und „Investieren in neue Märkte“ nennen.
Zudem „leidet“ der Voxeljet-Kurs – übrigens ebenso wie der von Stratasys und ExOne unter einem Rückgang des Aktienpreises von 3D Systems aufgrund einer Gewinnwarnung. Diese kam zustande, weil das Unternehmen seine Umsatzerwartung von 500 bis 530 Mio. Dollar mit einem tatsächlichen Umsatz von 513 – 514 Mio. Euro verfehlt hat – ja, richtig gelesen*. Zugegeben, der vorhergesagte Gewinn pro Aktie wurde verfehlt, allerdings hat sich der Auftragsbestand allein im Dezember mal schnell auf 28 Mio. Dollar verdoppelt. Zitat:
Der niedrigere Gewinn sei vielmehr den hohen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung geschuldet. Die Entwicklung neuer Produkte sei beschleunigt worden. Zudem seien die Kosten für Vertrieb und Marketing hochgefahren worden, um dem schnellen Wachstum der Produktkanäle gerecht zu werden. Ferner sei die Gewinnentwicklung im vierten Quartal durch die hohen Kosten für Akquisitionen belastet worden.
Ich verschweige jetzt mal einfach, dass die Umsätze bei den Privatdruckern nicht so gut liefen – vielleicht, weil 3D Systems neue Geräte angekündigt haben und die Käufer auf die warten?
Zusammenfassung:
- 3D Systems hat viele Firmen gekauft, viel Geld in die Produktentwicklung und das Marketing gesteckt und deshalb einen etwas geringeren Gewinn als erwartet.
- Der Kurs von Voxeljet wurde vom 3D-Drucker-Hype zwischendurch in den Himmel getrieben und hat sich inzwischen auf einem Niveau eingependelt, das mehr als ein Drittel über dem Ausgabepreis liegt. Bei Voxeljet handelt es sich um einen Nischenanbieter mit extrem teuren Produkten, die nur vergleichsweise wenige Firmen benötigen. Ein einziger Auftrag beeinflusst den Umsatz deshalb stark.
- Analysten scheren gerne alle über einen Kamm, deshalb fallen die Aktien aller Firmen in einem Bereich, wenn eine Aktie fällt.
- Die Analysten streiten sich noch, ob der 3D-Drucker-Markt bis 2016 um 360 Prozent wächst oder auf 6 Mill. Dollar explodiert.
- Im Bereich der Drucker im niedrigen bis mittleren vierstelligen Eurobereich wird sich in diesem Jahr noch viel tun.
Ich denke, solange die 3D-Drucker-Story so weitergeht, müssen wir uns keine Sorgen machen, können uns beruhigt zurücklehnen und den Analysten beim Hyperventilieren zusehen.
*Ich werden nach dem Schreiben dieses Artikels eine Aspirin brauchen, weil ich Kopfweh von der Mathematik des Finanzsektors habe.