Kürzlich hatte ich auf einer Veranstaltung eine interessante Diskussion mit einem Mitarbeiter eines CAD-Teilebibliothekenanbieters und einem Elektronik-Entwickler. Dabei wurde ein interessanter Unterschied deutlich: Im technischen Bereich ist die Geometrie das zentrale Element, das dann im PLM-System mehr oder weniger ausführlich mit Metadaten ausgestattet wird. In der Elektrotechnik dagegen stehen die Eigenschaften im Vordergrund, die Geometrie ist nur eine unter vielen Eigenschaften, die in der Entwicklung eine Rolle spielen, oft sogar eine eher untergeordnete.
Dieser kleine Unterschied ergibt mehrere wichtige Gesichtspunkte: Zum einen ist er eine Hürde in der mechatronischen Entwicklung, denn die Strukturen der Datenverwaltungssysteme sind nicht einfach zu verbinden – fehlen der einen Lösung Metadaten, so ist die Vernachlässigung der Geometrie im anderen System ein Problem.
Zum anderen zeigt die Elektrotechnik, wo der Weg hingehen muss in der Mechanik, wenn das Thema Systems Engineering aktuell wird. Das Systems Engineering lebt ja gerade davon, Funktionsbausteine in Form von Black Boxes zusammenzustellen. Dazu muss die Funktion der Bausteine, seien sie nun elektronisch, mechanisch oder Codemodule, als Metadaten so beschrieben sein, dass sie in einem hard- und softwareunabhängigen, allgemeinen Systementwurf verwendbar sind.
In der Elektrotechnik und Elektronik wird ja schon immer mehr oder weniger Systems Engineering betrieben, das heißt, dass zunächst ein Schaltplan erstellt wird, in dem die Bauteile anhand ihrer Funktion definiert sind und nicht als tatsächliches Bauteil mit Bestellnummer und Geometrie. Ein Widerstand wird mit einer Ohmzahl angegeben, ein Kondensator mit den benötigten Farad – unabhängig davon, ob später ein Elektrolyt-, Folien- oder Keramikkondensator eingesetzt wird. In weiteren Schritten wird aus dem Schaltplan eine Platine entwickelt, die die tatsächliche Geometrie – beziehungsweise einen teil davon – darstellt.
ECAD-Systeme sind deshalb, anders als typische Maschinenbausysteme, von vornherein datenbankbasiert, der Anwender sucht sich seine Bauteile aus einer umfangreiche Teilebibliothek zusammen, deren Inhalte typischerweise von den Herstellern zugeliefert werden. Jeder Datensatz beschreibt die Eigenschaften des Bauteils genau – technische Werte, aber auch (im Idealfall) Geometrie. Im Gegensatz dazu sind die Teilebibliotheken im Maschinenbaubereich hauptsächlich Geometriezentriert, das heißt, die Teilesätze enthalten vor allem Geometrie und nur wenige beschreibende – und vor allem automatisch nutzbare – Metadaten. Allerdings muss man den Komponentenherstellern zugute halten, dass ihre Teile oft nicht so eindeutig zu beschreiben sind wie Elektronikbauteile – ein Widerstand wird eben fast ausschließlich und fast umfassend durch seinen Widerstandswert beschrieben, bei einem Elektromotor gibt es da viel mehr Parameter
Wenn ECAD und MCAD zusammenwachsen sollen, wenn Systems Engineering die Rolle spielen soll, die ihm zugedacht ist, dann ist in diesem Bereich noch viel zu tun. Die Lieferanten von Teilebibliotheken nutzen ja schon Klassifizierungssysteme für Maschinenbauteile, vielleicht werden diese, wenn man zu jedem Merkmal die notwendigen Werte definiert, zur Keimzelle eines solchen Systems, das die PLM-Systemhersteller in ihre Datenbanken implementieren können.
Hallo Herr Steck,
eine gute und interessante Analyse, die in der Tat anregt, zu überlegen, wie man die Denk- und Designansätze der vier Ingenieursdisziplinen Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik und Informatik zusammenbringt.
Die Herausforderung ist in der Tat, das Zusammenbringen der speziellen Modelle und Strukturen. Es wird allerdings nichts bringen, wenn wir versuchen der einen Disziplin die Denkweise der anderen überzustülpen. Jede der genannten Disziplinen hat ja für sich und in Kombination bereits enorme Erfolge zu verzeichnen. Der Ansatz Systems Engineering ist hier sicherlich der richtige Weg. Bis dieser aber zur Autobahn wird, wird wohl noch ein wenig Zeit vergehen. Es sei denn, an den Hochschulen wird der Interdisziplinarität spürbar mehr Raum eingeräumt.
Volle Zustimmung zu Ihrem Hinweis auf die Anbieter von PLM-Lösungen und deren mögliche Beiträge. Sie können und müssen die Plattform bereitstellen, über die Informationen gemeinsam bereitgestellt werden. Aus technischer Sicht ist es ja kein Problem, beliebige Metadaten aus den Disziplinen zu einer Komponente zusammenzuführen. Egal ab man die dann Baugruppe, Systembaustein oder Modul nennt.
Die Zusammenführung von Daten reicht allerdings nicht aus, wenn sie nicht in Prozesse eingebunden wird. Und da haben wir, so vermute ich, die größeren Herausforderungen zu bewältigen, weil die Prozesse mit unterschiedlichen Denkweisen konkurrieren.
Was hilft denn jetzt aber den Unternehmen in den Entwicklungsprozessen von Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik und Informatik weiter? Meine These: Exemplarisch diese Prozesse mit und auf eine PLM-Lösung abbilden. Dies passiert ja auch, gemeinsam mit den Anbietern von PDM-Systemen bzw. PLM-Lösungen. Vielleicht haben Sie als Journalist da ja auch die Möglichkeit positive Fallbeispiele zu ‚erzählen’, um anderen Mut zu machen.
Gruß Stefan Kühner
Ein sehr interessanter Artikel zu der Anwendung vom Maschinenbau mit CAD Systemen und der Unterschied zur Elektronik. Dass im Maschinenbau vorwiegend auf Geometrie Wert gelegt wird, kann ich dabei total nachvollziehen, wohingegen es in der Elektronik ja nicht so starke Abhängigkeiten von der Geometrie gibt wie im Maschinenbau.
Aus unserer Erfahrung mit ERP-Systemen für den Maschinenbau zeigt sich, dass der Maschinenbau durch die sprunghaft gestiegene Variantenvielfalt gezwungen ist zu standardisieren und Baukastensysteme aufzubauen. Ihre Ausführungen treffen also auch aus diesem Grund in die richtige Kerbe.
Stefan Kühner liked this on Facebook.