In der deutschen CAx-Branche hat es sich, wie’s aussieht, noch nicht herumgesprochen, dass Ansys letzte Woche Spaceclaim gekauft hat. Der CAE-Spezialist nahm 85 Millionen Dollar in die Hand, um den CAD-Hersteller zu übernehmen. Drei Fragen drängen sich auf: Will Ansys nun den CAD-Markt erobern? Ist der Deal eine Überraschung oder war er abzusehen? Und die wichtigste Frage: Ist die Akquisition eine schlaue Entscheidung?
Insofern glaube ich, was in der Pressemitteilung im Spaceclaim-Blog zu lesen ist:
We will continue to develop enhancements our customers have requested and continue to innovate to bring quality products and solutions to the market. Going forward, we will continue to develop, support and innovate for SpaceClaim Engineer and its modules. In fact, with ANSYS’s resources behind us, we will be better positioned to deliver industry changing products faster than we have been before.“
Ansys sagt in seiner Pressemitteilung:
With the addition of SpaceClaim, ANSYS will provide customers with a powerful and intuitive 3-D direct modeling solution to author new concepts and then leverage the power of simulation to rapidly iterate on these designs to drive innovation.”
Ich interpretiere das so, dass Ansys die CAD/CAE-Kombination als Tool für die Entwicklungsphase sieht. Das deckt sich mit den Vorteilen der direkten Modellierung, die Spaceclaim vertritt – Das Modell ändert sich schnell und radikal, Referenzen, Verknüpfungen und Modellintelligenz sind in diesem Stadium ja oft noch eher hinderlich. Steht die Produktfunktionsweise und -architektur, kann man dann in ein anderes CAD-System wechseln, das mehr Intelligenz und Verwaltungsmöglichkeiten bietet – oder gleich in die Fertigung gehen.
Zweite Frage: Überraschend oder nicht? Etwas von beidem, finde ich. Bisher leistete sich nur Altair mit Solidthinking ein eigenes CAD-System, während von den anderen großen Spielern – Ansys und MSC Software – das Thema bisher vor allem über Schnittstellen zu „fremden“ CAD-Systemen abgedeckt wurde. Dass CAD-Anbieter CAE-Systeme kaufen, ist dagegen nicht ungewöhnlich – Als Beispiele fallen mir SolidWorks und Cosmos, Dassault Systèmes und Anbaqus, Autodesk und Moldflow sowie Siemens PLM Software und Femap oder auch LMS ein.
Allerdings betreibt Ansys schon seit 2009 eine allem Anschein nach erfolgreiche Zusammenarbeit mit Spaceclaim, die Software wurde als Ansys Spaceclaim Direct Modeler vertrieben. Spaceclaim ist direkt in die Ansys Workbench integriert und bidirektional assoziativ angebunden, so werden Benennungen und Parameter zwischen CAD- und CAE-System jederzeit synchron gehalten. Sicherlich wurden in der Spaceclaim-Entwicklung schon in den letzten Jahren CAE-Belange besonders berücksichtigt. Ansys hat also die bestehende Partnerschaft lediglich auf ein neues Niveau gehoben.
Und die dritte und entscheidende Frage: Ist dies ein sinnvoller Schritt? Technologisch sicher ja, wie ich in den vorigen Absätzen schon ausgeführt habe. Ansys sichert sich exklusiven Zugriff auf eine ausgereifte, schnelle und einfach zu bedienende Modelliertechnologie. Spaceclaim verbreitert und ergänzt das Ansys-Portfolio auf sehr sinnvolle Weise. Ein tieferer Einstieg in die Thematik „Topologieoptimierung/Geometrieoptimierung“ drängt sich mit den Fähigkeiten, die Spaceclaim in die Ansys-Familie einbringt, geradezu auf.
Finanziell dürfte es sich auch lohnen, mit einem innovativen Produkt aus einem schlanken Unternehmen – wie es Spaceclaim ist – lässt sich sicherlich gutes Geld verdienen, wenn das Unternehmen nicht mehr von Venture Capital-Geldgebern abhängig ist. Für Spaceclaim wiederum ist der starke Rückhalt, den ein großes Unternehmen wie Ansys bietet, ebenso wichtig. Die Cross-Selling-Möglichkeiten (Spaceclaim an Ansys-User, Ansys an Spaceclaim-User) sind sicherlich ebenfalls nicht zu verachten.
Und es wird sicherlich interessant, was der sehr hochkarätigen Führungsebene von Spaceclaim in Zukunft einfällt, wenn sie ihre Spaceclaim-Zeit hinter sich lassen – Aufsichtsratschef Michael Payne und Entwicklungsleiter Daniel Dean waren unter den Gründern von PTC, Payne auch bei der Gründung von SolidWorks dabei, der Rest der Geschäftsleitung sind ebenfalls echte CAD-Veteranen.