Vor zwei Jahren habe ich Simpack in Gilching besucht, ein sehr faszinierendes Unternehmen, das Simulationssoftware für die Mehrkörpersimulation entwickelt. In Ausgabe 3/2012 der CAD CAM berichtete ich über mein Gespräch mit Steve Mulski, Director Wind Energy Solutions, von Simpack. Nun kaufte Dassault Systèmes das Unternehmen.
Das Problem bei der Simulation von Mehrkörpersystemen (MKS) sind die extrem hohen Rechenzeiten, weil sich die Körper gegenseitig beeinflussen und die Berechnungsaufgabe deshalb nichtlinear wird, wenn sich die Körper gegenseitig beeinflussen, berühren oder gar aneinanderstoßen. Dann wird die Berechnung schwierig, da sehr viele Einzelberechnungen nacheinander durchgeführt werden müssen. Auch bestimmte Materialien verhalten sich nichtlinear, beispielsweise Gummi und andere flexible Werkstoffe. Die Simpack-Software meistert solche Aufgabenstellungen bei annehmbaren Rechenzeiten.
Dassault Systèmes ist einen definitiven Kaufvertrag mit Simpack eingegangen, wobei Dassault Systèmes das Unternehmen in einer All-Cash-Transaktion akquiriert hat. Die Transaktion wurde am 10 Juli 2014 abgeschlossen. Simpack ergänzt das Dassault-Portfolio im Simulationsbereich meiner Meinung nach hervorragend, es ist ein weiterer Baustein für ein Portfolio, das den digitalen Prototypen immer näher an die Realität heranholt.
Die Simpack-Software war Ende der 80er Jahre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entstanden. Da damals keine MKS-Software verfügbar war, entwickelte das DLR in einer Partnerschaft mit MAN eine eigene Lösung. Sie wurde unter anderem benutzt, um die Drehgestelle des ersten ICE-Zugs zu berechnen. 1993 wurde dann die Firma Intec gegründet, um die Software kommerziell zu vertreiben. 2002 war Simpack Weltmarktführer im Bereich Schienenfahrzeuge, Firmen wie BMW oder Bosch zählten zu den Kunden. Seit 2005 wird das System bei der Simulation kompletter Motoren bei Daimler und BMW eingesetzt. Mitte der 2000er Jahre begann auch die Nutzung im Bereich Windenergie.
2009 ging die Intec in der Simpack AG auf, die die Software bis heute entwickelt und vertreibt. 2012 waren 43 Mitarbeiter am Stammsitz im bayerischen Gilching beschäftigt, etwa 20 weitere Mitarbeiter rund um die Welt im Einsatz. Der Umsatz kam damals zu 70% aus dem Lizenzumsatz, der Rest wird mit Consulting und Engineering verdient. Etwa 50% des Umsatzes stammen aus dem Automotive-Bereich, weitere 30 aus dem Schienenfahrzeugbau, weitere wichtige Bereiche sind Maschinenbau, Luftfahrt und Windenergie.
Simpack wird oft in einem Verbund mit anderen Softwarepaketen eingesetzt, beispielsweise lassen sich Spannungen in einem FEM-Paket berechnen und als Eingangsgröße in Simpack nutzen. Auch spezielle Solver lassen sich integrieren, so dass sich ein sehr großes Einsatzgebiet ergibt. Eine Spezialität von Simpack ist, dass Berechnungen auch von sehr hochfrequenten Schwingungen möglich sind, bis hinein in den akustischen Bereich. So lassen sich die Geräusche des Antriebsstrangs in einem Fahrzeug berechnen oder auch das Getriebegeräusch einer Windkraftanlage.
Dabei ist die Berechnungssoftware so effizient, dass die Simulation sogar in Echtzeit ablaufen kann. Über 100 Freiheitsgrade bei einer Frequenz von 20 Hertz lassen sich noch in Echtzeit berechnen. Dies wird beispielsweise benutzt, um den gesamten Antriebsstrang eines neuen, noch nicht gebauten LKW zu berechnen und mit den Ergebnissen die Reaktionen eines Fahrsimulators zu beeinflussen – so lässt sich der LKW schon im Computermodell sehr real „erfahren“.
Beeindruckend sind die Animationen, die sich mit dem Postprozessor von Simpack erzeugen lassen. Die Animationen machen es möglich, komplexe physikalische Abläufe einfach zu erfassen.