Mit Andy Middleton, der bei Stratasys für EMEA (Europa, Middle East, Asia) zuständig ist, sprach ich heute auf der Euromold über die zukünftigen Einsatzgebiete des 3D-Drucks. Er sagte, dass mit den Geräten seines Unternehmens heute zu 90 Prozent Prototypen erstellt werden. Bis zum Jahr 2016 sieht er ein Wachstum des Anteils „echter“ Teile, also des Rapid Manufacturing, von 10 auf 30 bis 40 Prozent voraus. Dabei ergeben sich immer wieder unerwartete Einsatzgebiete und -gründe für additiv gefertigte Bauteile.
So sind schon heute in der Luftfahrt 3D-gedruckte Teile im Einsatz, zum einen aufgrund der hohen Gewichtsersparnis, die sich durch topologieoptimierte und oft nur additiv zu fertigende Teile ergeben. Zum anderen haben die Luftfahrtunternehmen heute oft logistische Probleme. In der Automobilindustrie ist es gang und gebe, weiter zu produzieren, wenn ein Teil nicht rechtzeitig am Band angeliefert wird. Die Autos werden dann erst einmal fertiggebaut und auf dem Werksgelände zwischengelagert, bis das Teil wieder verfügbar ist und dann manuell nachgerüstet.
Das ist im Flugzeugbau kaum möglich. Ein großes Verkehrsflugzeug lässt sich nicht mal eben beiseite stellen, sondern die Produktion ruht, bis das fehlende Teil wieder verfügbar ist. Damit verzögern sich auch alle nachfolgend geplanten Bauten, der Schaden wird schnell immens. Noch dazu dauert es aufgrund der hohen Komplexität und der Anforderungen an die Bauteile oft bis zu sechs Wochen, bis beispielsweise ein fehlerhaftes Teil nachgefertigt ist. Das Rapid Manufacturing und damit die Möglichkeit, Teile sehr schnell und vor Ort zu produzieren, würde hier große Erleichterung bringen.
Stratasys nutzt 3D-gedruckte Betriebsmittel
Ein anderer interessanter Anwendungsfall sind Betriebsmittel. Beim Bau eines Autos sind unzählige Vorrichtungen notwendig, oft sehr einfache, aber wichtige Hilfsmittel, beispielsweise um Embleme und Schriftzüge an der richtigen Stelle anzubringen. Diese Vorrichtungen herkömmlich zu fertigen, dauert oft recht lange – mit dem 3D-Drucker entstehen sie in wenigen Minuten oder über Nacht. Stratasys selbst nutzt in der Fertigung der Fortus-Baureihe bis zu 800 3D-gedruckte Vorrichtungen, angefangen von Leisten, um die Türen auszurichten, bis hin zu komplexen Hilfsmitteln. Auch Greifer für Roboteranwendungen lassen sich sehr schnell 3D-drucken.
Geht auf einem Schiff etwas kaputt, ist die Ersatzteilbeschaffung und -lieferung oft ein logistischer Alptraum. Im schlimmsten Fall müssen die Teile um die halbe Welt verschifft werden und vielleicht sogar per Hubschrauber oder Schiff zum Empfänger auf hoher See gebracht werden. Stratasys untersucht gemeinsam mit einem Unternehmen aus der Schiffsbaubranche daran, ob es möglich ist, Ersatzteile direkt an Bord drucken zu lassen – ein Drucker und die notwendigen 3D-Daten lassen sich jedenfalls weit einfacher auf einem Schiff unterbringen als eine Vielzahl auf Verdacht mitgenommener Ersatzteile.
Schließlich beschrieb Middleton noch eine Anwendung für die Farbdruckmöglichkeiten der Stratasys-Maschinen, die nicht vom Hersteller, sondern von einem Kunden „erfunden“ wurde: Oft werden beispielsweise für Designstudien mehrere sehr ähnliche Prototypen hergestellt, oder die verschiedenen aufeinander folgenden Prototypen unterscheiden sich nur marginal. Ein Vertauschen dieser Prototypen könnte weitreichende negative Folgen nach sich ziehen. Das Kundenunternehmen färbt nun diese Prototypen verschiedenfarbig ein, so dass diese sich auf den ersten Blick unterscheiden lassen.
Mich erstaunt immer wieder, welche neuen Möglichkeiten sich mit 3D-Druck auftun, Einsatzgebiete, -gründe und -arten, an die keiner vorher gedacht hätte. Manches ist noch Zukunftsmusik, anderes sehr konkret, es lohnt sich in jedem Fall, ohne Vorbedingen auch mal „um die Ecke“ zu denken.