Die Autodesk University in Las Vegas (AU) war schon immer eine riesige Veranstaltung, dieses Jahr wurde der Event mit über 10.000 Teilnehmern sogar fünfstellig. Jeff Kowalski, Chief Technology Officer von Autodesk, holte in seiner Eröffnungsrede der AU weit aus – seit der Erfindung des Faustkeils habe der Mensch immer nur tote Dinge erfunden, eine technologische Parallelwelt zur organischen Welt der Natur erschaffen. Seine Ausführung brachte jedoch einen überraschenden neuen Blick auf unsere Art, Dinge zu entwickeln.
Er hat ja Recht: Unser heutiger Ansatz, Produkte zu entwickeln, unterscheidet sich fundamental vom Vorgehen in der Natur – was natürlich auch Auswirkungen auf die Entwicklungswerkzeuge hat. Entwicklungen beginnen entweder völlig oder zum Teil „aus dem Nichts“, werden von einem Konstrukteur entwickelt. Die Natur hingegen geht iterativ vor, baut eine neue Lösung in der Evolution auf der besten vorherigen Lösung auf. Viele Lösungen werden parallel ausprobiert und die besten weiterentwickelt.
Entsprechend arbeiten heutige Entwicklungssysteme: Das CAD-System dient vor allem dazu, die Ideen des Konstrukteurs zu dokumentieren, die dieser im Kopf entwickelt hat. Kowalski zeigte neue Ansätze, an denen Autodesks Forschungsabteilung arbeitet – und diese haben, wie so oft bei Autodesk, mit den Möglichkeiten der Cloud zusammen: „Intelligente Klassifizierung“ und „Generative Design“.
Unter intelligenter Klassifizierung versteht Kowalski eine Technologie, die riesige Datenbestände an CAD-Daten durchsucht und Ähnlichkeiten erkennt. Damit lassen sich diese Datenbestände automatisch klassifizieren – und die Erkennung der Ähnlichkeiten bezieht sich nicht nur auf die geometrische Ähnlichkeit, sondern beispielsweise auch auf die Funktion. So könnte eine „Ideensuchmaschine“ der Zukunft die Eingabe von Aufgaben wie „Übertragung von Energie“ verstehen und verschiedene, im Unternehmen schon vorhandene Lösungen zur Kraftübertragung wie Zahnradgetriebe, Riementriebe und Antriebswellen vorschlagen.
Computer konstruieren besser!?
Die Bildschirmpräsentation von „Generative Design“ erinnerte sehr an SolidThinkings Inspire. Die Idee ist nicht neu, bestechend und doch erst mit den heute verfügbaren Computerressourcen – lokal oder in der Cloud – umsetzbar. Autodesk arbeitet an dieser Technologie im Projekt Dreamcatcher. Im ersten Ansatz geht es darum, eine bestehende Geometrie mit den auf sie wirkenden Kräften zu simulieren und so lange Material wegzunehmen, bis eine optimale Lösung – minimaler Werkstoffeinsatz bei Erfüllung der Lastkriterien – übrig bleibt.
Der zweite Ansatz ist noch radikaler, wird aber ebenso von SolidThinking propagiert: Warum sollte der Ingenieur eine unvollkommene Lösung erfinden und optimieren lassen? Warum entwickelt die Software nicht selbst eine optimale Lösung? Man definiert nur noch die Ansatzpunkte beziehungsweise -geometrien und die Kräfte, und die Software verbindet diese Punkte mit einer Struktur, die den Anforderungen durch die Kräfte entspricht.
Das Resultat solcher Entwicklungsprozesse sieht interessanterweise sehr oft sehr organisch aus – offensichtlich geht auch die Natur so vor: An einem Baum wächst immer dort, wo Belastungen auftreten, Material nach, so optimiert der Baum seine Struktur beispielsweise nach der Hauptwindrichtung. Solche organischen Formen erfordern sehr oft generative Fertigungsverfahren – auch hier also kommt eine technische Entwicklung zur rechten Zeit, um die neue Art der Entwicklung zu ermöglichen.
Kowalski machte sich auch Gedanken, wie die Produkte der Zukunft beschaffe sein müssen. Er nannte drei wichtige Eigenschaften: Sense, Respond, Collaborate. Zu Sense brachte er das Beispiel einer Idee für einen Spoiler eines Rennwagens: Dieser „fühlt“ die Luftfeuchte und stellt sich bei steigender Feuchtigkeit nach oben – so wird bei regnerischen oder rutschigen Bedingungen der Anpressdruck automatisch an die Streckenverhältnisse adaptiert. Ein weiteres Beispiel ist die denkende Stadt, die ihre Verkehrsströme analysiert, autonom Brücken und Fahrwege baut und so die Infrastruktur automatisch an die Anforderungen des Verkehrs adaptiert.
Diese Beispiele führen schon zur zweiten Eigenschaft – Respond. Die Produkte von morgen reagieren auf ihre Umwelt oder nutzen Informationen, um ihr Verhalten anzupassen. So könnte die Steuerung des Rasensprengers auf den Wetterbericht reagieren und das Wässern unterlassen, wenn in wenigen Stunden ein Regenguss vorhergesagt ist.
Mit Collaborate kam Kowalski zum Internet der Dinge – diesen Begriff findet er jedoch falsch. Es gehe weder um das Internet noch um die Dinge, sondern um deren Zusammenarbeit, um eine Community of Things. Produkte arbeiten zusammen, unterstützen sich gegenseitig, versorgen sich mit Informationen.
Im nächsten Teil folgt eine Zusammenfassung des Vortrags von Carl Bass, der viele Neuigkeiten zu Produkten und Lizenzierung enthielt.
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