Nach dem eher weit vorausblickenden Vortrag von Jeff Kowalski kam Autodesk-CEO und Präsident Carl Bass auf die Bühne – untermalt von „All About That Bass“ von Meghan Trainor. Sein Vortrag drehte sich um die eher heutigen Möglichkeiten, die die aktuelle Technologie bereitstellt, beispielsweise die Möglichkeit, ganze Straßenzüge und Städte in 3D zu scannen und diese Modelle auch zu verwalten und zu nutzen. Ein weiteres wichtiges Thema war Collaboration. An Stelle digitalisierter Abbilder althergebrachter Kommunikation – schließlich ist eine E-Mail schon dem Namen nach die digitale Entsprechung eines Briefs – sollten neue Verfahren treten, wie sie A 360 bietet, die Collaborationslösung von Autodesk und Basis aller 360-Cloudangebote.
Bass gab bekannt, dass sich in dem Jahr, das A 360 auf dem Markt ist, schon 60.000 Anwender akkreditiert haben. Und er erhöhte diese Zahl signifikant, indem er verkündete, dass jeder der 10.000 Teilnehmer der AU für ein Jahr kostenlos A360 nutzen darf. Bass zeigte, dass Fusion 360 – das ebenfalls auf A 360 aufbaut – neben den traditionellen Modellierfunktionen weitreichend Collaborationfunktionen zur Zusammenarbeit in Projekten bereitstellt.
Bass sagte: „Wir wollen Fusion 360 zu einem Github für Ingenieure ausbauen.“ Github ist eine Internetplattform für die Softwareentwicklung, die es ermöglicht, dass viele Personen gleichzeitig an unterschiedlichen Aspekten eines Softwareprojekts arbeiten. Besonders kennzeichnend für Github ist das Branching (Verzweigen), das auch Fusion 360 beherrscht oder demnächst beherrschen soll (das muss ich noch recherchieren). Will jemand eine bestimmte Funktion des Programms weiterentwickeln, erstellt er einen „Fork“, eine virtuelle Zweitkopie des aktuellen Stands der Software. In diesem Zweig kann er dann entwickeln. Der Fork lässt sich herunterladen, dann entsteht ein Abbild der kompletten Software inklusive der Änderungen. Parallel dazu ist der „main“-Zweig immer verfügbar. Ist die Entwicklung fertiggestellt, kann der Fork in den Hauptzweig zurückgeleitet werden (merging), dann ist die Änderung in der offiziellen Version angekommen. So lassen sich beispielsweise sehr einfach „stabile“ und „Entwicklungsversionen einer Software parallel verwalten.
Softwarentwicklungstechnologie für Konstrukteure
Diese Idee auf den Konstruktionsprozess zu übertragen, ist eine bestechende Idee. Grundsätzlich ist auch dies nichts Neues, Fusion 360 versteht es jedoch, den Verwaltungsaufwand hinter dem Branching und Merging unsichtbar zu machen. Der Anwender muss nicht in ein PDM-System wechseln, dort eine neue Revision erstellen und wieder ins CAD-System wechseln, sondern kann direkt in Fusion einen Zweig erstellen. Darüber hinaus beherrschen bestehende Systeme zwar typischerweise das Verzweigen, aber nicht das Wiedereingliedern des Zweigs. Vor allem wenn mehrere Zweige parallel laufen – an jeweils anderen Stellen des Projekts – wird das Zusammenführen schnell eine sehr unübersichtliche Aufgabe.
Fusion kann zudem die Computerleistung der Cloud nutzen, um beispielsweise Renderings „auf Verdacht“ zu erzeugen. Bass zeigte ein Schild aus einem Animationsstudio, das das Rendern am Tag verbietet. Das sei ein typisches Relikt vergangener Zeiten mit begrenzten Computerressourcen und mit der Cloud stehe so viel Leistung zur Verfügung, dass auch mal umsonst gerendert werden könne – der Vorteil wiege viel mehr, bei Bedarf sofort ein Rendering zur Verfügung zu haben. Ähnliches lässt sich auch für die Simulation vorstellen – im Hintergrund wird das Teil nach jeder Änderung berechnet, der Konstrukteur kann jederzeit nachsehen, wie gut sein Bauteil die Anforderungen erfüllt.
Schon Tinkercad, die sehr einfache 3D-Lösung, mit der schon Kinder ihre Ideen dreidimensional umsetzen können, bietet soziale Funktionen. Bass sprach davon, dass die nächsten Generationen solche Tools ganz natürlich nutzen werden.
Natürlich durfte auch ein Ausflug ins 3D-Printing nicht fehlen. Bass sieht den 3D-Druckerbereich auf einem Stand vergleichbar dem von Handys und Computern vor 20 Jahren – ganz am Anfang und ohne eine Ahnung davon, wie weit man einmal kommen würde. Autodesk tut mit Spark das Seine, die Entwicklung voranzutreiben. Der eigene 3D-Drucker, der inzwischen auf den Namen Ember hört, kann ab sofort bestellt werden, die Auslieferung soll Anfang 2015 starten.
Eine ganz interessante Neuigkeit ist „Subscribe to Autodesk“, eine Lizenz, mit der sich zu einem Festpreis alle Autodesk-Produkte auf allen Plattformen nutzen lassen. Ein Preis wurde allerdings nicht genannt. Schüler, Studenten, Lehrer und Bildungsinstitutionen können das gesamte Portfolio ab sofort kostenlos nutzen – dies war letzteren bisher verwehrt. Zudem ist das bisher bestimmten Ländern vorbehaltene Programm nun weltweit verfügbar. In einem späteren Briefing nannte Autodesk die Zahl von 192 Mio. Studenten, die an 82.000 Institutionen in 188 Ländern mit Autodesk-Produkten arbeiten. Ziel ist es, eine Milliarde Studenten zu erreichen – vor fünf Jahren waren es übrigens noch „nur“ fünf Millionen.
In vielen Gesprächen kam die interessante Botschaft durch: „Die Produkte verändern sich, damit auch die Entwicklungstechniken – und wir als Softwarehersteller müssen uns an diese veränderten Gegebenheiten anpassen.“ Eine gute und löbliche Strategie, finde ich.