Das STL-Format, das sich im 3D-Druck als Medium zur Geometrieübertragung etabliert hat, beginnt sich immer stärker als Hemmschuh zu erweisen. 3D-Drucker werden immer präziser und drucken mit mehreren Farben oder Materialien. Diese Informationen lassen sich jedoch in STL nicht hinterlegen, der Informationsgehalt des STL-Formats bleibt hinter den Fähigkeiten der Drucker zurück.
Der 3D-Workflow ist heute bei allen 3D-Druckern oder Rapid-Prototyp-Maschinen derselbe: Man erzeugt ein 3D-Modell in einem 3D-CAD-System und exportiert dies in das STL-Format. Diese STL-Datei wird wiederum in eine druckerspezifische Software importiert, wo dann weitere Einstellungen, beispielsweise Materialzuordnungen, die Position des Bauteils im Bauraum des Druckers oder je nach Drucker auch Druckparameter wie Temperaturen, Schichtdicke, Infill und Materialvorschub definiert werden.
Dort wird das Modell in die horizontalen Schichten zerlegt, die der Drucker später übereinanderlegt. Schließlich werden die Schichten in Form von Maschinencodes für den 3D-Drucker, die neben der Bewegung des Druckkopfs auch Temperaturen und andere Informationen enthält, abgespeichert und an den Drucker übertragen – oft auch mit Hilfe eines USB-Sticks.
Prozess mit Lücken
Die Aufstellung zeigt mehrere Probleme dieses Prozesses: Es existieren zwei Datenschnittstellen zwischen CAD- und druckerspezifischer Software sowie zwischen letzterer und dem eigentlichen Drucker, die – vor allem beim Umweg über das STL-Format – einen großen Informationsverlust beinhalten. Zudem muss der Anwender einiges Wissen haben über die Parameter, die der Drucker benötigt – wir sind weit entfernt von dem „Fire-and-Forget“-Workflow, den wir heute beim 2D-Drucker nutzen: Wir drücken in der Textverarbeitung auf einen Button und der Drucker spuckt einen Brief aus.
Vor allem das STL-Format erweist sich mit der rasenden Weiterentwicklung der 3D-Drucker als echtes Hindernis: Zum einen verliert das Modell an Genauigkeit, zum anderen bietet STL keinerlei Möglichkeiten, Zusatzinformationen wie Farbe oder Materialeigenschaften an bestimmte Bereiche des Modells zu binden – wie es Farb-3D-Drucker vom Schlage einer Stratasys Connex 3 oder der farbigen ProJets von 3D Systems benötigen.
Geometrie wird im STL-Format einfach durch Dreiecke definiert beziehungsweise angenähert, eine STL-Datei ist nichts anderes als eine Ansammlung von 3×3 Koordinaten für die drei Eckpunkte eines Dreiecks sowie die Richtung der Flächennormalen; letzteres definiert Ober- und Unterseite der Dreiecksfläche. Das gesamte Modell wird aus solchen Dreiecken gebildet, die bei gekrümmten Flächen immer nur eine Annäherung an die reale Geometrie darstellen. Ein typischer Effekt ist, dass bei 3D-gedruckten Teilen Löcher eigentlich immer zu klein sind, weil der Kreisquerschnitt durch ein Vieleck repräsentiert wird, das auf der Innenseite des Lochdurchmessers liegt. Die Genauigkeit des STL-Modells wird bei der Ausgabe aus dem CAD-System festgelegt, je nach Qualität der Schnittstelle kommt es zu Lücken in der Flächenrepräsentation oder zu verdrehten Dreiecken, bei denen die Flächennormale ins Innere des Volumenmodells zeigt statt nach außen. Solche Fehler müssen in speziellen STL-Reparaturprogrammen richtig gestellt werden.
STL kapituliert vor den neuen Druckern
Moderne 3D-Drucker können schon im Hobbybereich abwechselnd mit zwei Materialien arbeiten, High-End-Maschinen wie die erwähnte Connex 3 können mit drei Materialien (plus Stützmaterial) gleichzeitig drucken, diese mischen und so realistische Farbverläufe oder sich ändernde Härten im Modell realisieren. STL hat keinerlei Möglichkeit, diese Informationen zu übergeben. Bei einfachen Druckern mit zwei Druckköpfen behilft man sich heute damit, das Modell in zwei STL-Modelle aufzuspalten, die dann in der Druckersoftware wieder zusammengesetzt und den Druckköpfen zugeordnet werden. Doch auch bei den High-End-Druckern wird derzeit noch mehr oder weniger mit dem selben Prinzip gearbeitet – was im Falle von Vollfarbmaschinen einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeutet. Dies führt wiederum dazu, dass die Möglichkeiten der Drucker aus Zeitmangel viel zu selten voll genutzt werden.
Vor einigen Jahren hat Microsoft das XML-basierte AMF-Format vorgeschlagen, dieses konnte sich jedoch nirgends durchsetzen. Die Druckerhersteller arbeiten an verschiedenen Ansätzen, eine Alternative wäre beispielsweise das VRML-Format, das eine große Verbreitung hat und Farbinformationen transportieren kann.
Wenn man sich mit dieser Thematik tiefer beschäftigt, zeigt sich, dass noch an anderer Stelle Handlungsbedarf besteht: CAD-Systeme können einem Teil jeweils nur ein Material zuweisen, annähernd fotorealistische Farben lassen sich durch Texturen oder „Aufkleber“ mehr oder weniger einfach und genau definieren. Bisher ist dies nicht weiter problematisch, denn es entspricht der Fertigungsrealität. Als Beispiel möge eine Zahnbürste dienen, bei der ein Spritzgussteil aus hartem Werkstoff mit einer weicheren Substanz umspritzt wird – im Prinzip handelt es sich um zwei Teile, die ineinander eingebaut sind – und so lassen sic sich auch im CAD-System definieren und an den 3D-Drucker übergeben.
Doch 3D-Drucker bieten ganz neue Möglichkeiten, die die Anwender immer stärker nicht nur im Prototyping, sondern in der Herstellung realer Bauteile nutzen möchten. Beispielsweise bestehen Silentblöcke, mit denen beispielsweise Motoren von der Karosserie entkoppelt werden, aus einem Gummielement mit anvulkanisierten Metallteilen zur Befestigung. Sehr oft reiße die Verbindung zwischen Metall und Gummi aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften. Ein moderner 3D-Drucker könnte Silentblöcke herstellen, bei denen die Härte von den Befestigungspunkten zur Mitte des Gummiteils hin kontinuierlich abnimmt, was diese Risse vermeiden würde – aber wie definiert man solche „gemischten“ Teile im CAD-System? Das tangiert die mathematische Repräsentation der Teile im CAD-System und wird damit zu einem Problem für die Kernelentwickler.
Das letzte Beispiel ließe sich über Tricks – man definiert einen Farbverlauf, der über einen Zeichnungskommentar zum Materialverlauf erklärt wird – auffangen, man fällt dann aber in die nächste Grube: Seit Jahren bemüht man sich um immer genauere und realistischere Modelle, nicht zuletzt, um realistische Stücklisten mit allen Bauteilen erzeugen, im PLM-System verwalten und ins ERP-System übertragen zu können. Deshalb werden beispielsweise Schrauben, Scheiben und Muttern nicht mehr wie zu 2D-Zeiten durch eine Mittellinie und einen Text in der Zeichnung hinterlegt, sondern mitmodelliert.
Mit diesem Farbverlaufs“trick“ entfernt man sich wiederum von der so sehr begehrten „Single Source of Truth“, die PLM-Systeme heute darstellen möchten. Zudem entstehen beim 3D-Druck ähnliche Probleme wie bei der Simulation. Das 3D-Modell wird in beiden Fällen sehr oft angepasst; während es in der Simulation um Vereinfachung der Geometrie geht, werden im 3D-Druck von Prototypen beispielsweise Stützstrukturen angebracht oder Wandstärken erhöht, um den Prototypen stabiler zu machen. Zudem müssen im PLM-System zusätzliche Daten gespeichert werden – bei der Simulation wären dies beispielsweise Randbedingungen und Ergebnisse, beim 3D-Druck könnte dies die Positionierung im Bauraum sein oder Material- und Druckparameter.
Moderne PLM-Systeme fangen dies über eine zusätzliche, assoziativ verknüpfte Repräsentation des Bauteils ab, dann gibt es eben parallel zum eigentlichen Produktmodell ein Simulationsmodell. PTC hat schon vor Jahren eine Technologiestudie gezeigt, die Windchill in die Lage versetzte, zusätzlich eine 3D-Druck-Repräsentatiuon zu verwalten – dieses Problem ist also lösbar, aber ist eben in keinem aktuellen PDM/PLM-System implementiert.
3D-Druck bietet nicht nur dem Konstrukteur völlig neue Möglichkeiten, vor allem wenn man die Fähigkeiten moderner Drucker in der Fertigung ausnutzen kann. Er stellt auch die Hersteller von CAD-Software und Druckerhardware vor neue Aufgaben: Sie müssen sich dringend an einen Tisch setzen, um ein gemeinsames, allgemein gültiges Datenformat zu definieren, das genauere Modelle als heute übertragen kann und Farb- sowie Materialinformationen transportiert. Die CAD-Hersteller müssen auf die neuen digitalen Materialien reagieren und die PLM-Systeme für 3D-Druckdaten fit gemacht werden.