Siemens PLM Software meldet nicht weniger als einen Durchbruch bei den Modelliertechnologien: Das mit dem neuen NX11 vorgestellte Convergent Modeling ermöglicht es, nicht nur mit gemischten Flächen- und Volumenmodellen zu arbeiten, sondern sogar facettierte Geometrien, beispielsweise STL-Modelle, in Konstruktionen zu verwenden. Das ist unter anderem in der Arbeit mit Scandaten und Topologieoptimierung von großer Bedeutung.
[Update: Eben wurde mir mitgeteilt, dass SolidWorks das seit Version 2016 auch kann.]
Convergent Modeling kann im aktuellen Stand, wie ihn NX11 enthält, ein Modell, das aus Dreiecken aufgebaut ist, zum booleschen Verschneiden eines Volumen- oder Flächenmodells nutzen. Ein Beispiel zeigt das von Siemens gelieferte Bildmaterial, wo ein Modell eines Unterschenkelknochens aus dem Computertomographen genutzt, wird, um die Rückseite der als Volumenmodell entstandenen Prothese zu formen, indem die Form des Knochens subtrahiert wird. Ein ähnliches Beispiel zeigt Siemens in diesem Video:
Facettierte Daten, bei denen die Geometrie aus Dreiecken gebildet wird, fallen oft beim 3D-Scannen an. Auch das 3D-Druck-Standardformat STL ist ein facettiertes Format. Der dritte Bereich, in dem oft facettierte Daten entstehen, ist die Topologieoptimierung. STL ist ein sehr dateneffizientes Verfahren zur Beschreibung von 3D-Daten, weshalb es beispielsweise genutzt wird, um Lattice (Gitterwerk)-Strukturen zu beschreiben, wie sie in hochoptimierten 3D-Druckteilen genutzt werden – solche Strukturen kann man unter anderem mit dem Tool Within der gleichnamigen Autodesk-Tochter generieren. Das Zusammenspiel aus Convergent und Synchronous Technology sowie die „Print to 3D“-Funktion zeigt das folgende Video:
Mit Hilfe des Convergent Modeling ist es nun möglich, solche Lattice-Strukturen in ein Volumenmodell einzubauen. Siemens zeigte dies schon zur Hannover Messe anhand einer Joggingschuh-Sohle, in die innen ein Lattice-Polster eingebracht wurde. In diesem Fall wurde das STL-Modell des Gitters durch Schneiden mit dem Volumenmodell in Form gebracht.
Bisher lassen sich STL-Modelle praktisch gar nicht in CAD-Modellen verwenden, die meisten Systeme importieren die Daten zwar, diese schweben dann jedoch nutz- und beziehungslos im Modellraum. Mit Convergent Modeling ist Siemens einen großen Schritt in die richtige Richtung gegangen – mir schwebt ja so etwas wie eine Shrinkwrap-Technologie vor, bei der man das STL-Modell in ein Flächenmodell einpackt und dann tatsächlich auf Kanten und Flächen des STL-Modells referenzieren kann. Die Zuständigen bei Siemens PLM Software haben mir auch verraten, dass der aktuelle Stand des Convergent Modeling – boolesche Addition und Subtraktion – erst der Anfang ist und Siemens weiter an dieser Technologie arbeitet. Ich wünsche viel Erfolg und muss unbedingt zusehen, wie ich an eine NX-Lizenz komme.
Natürlich ist das Convergent Modeling nicht die einzige Neuerung in NX11: Das neue Simcenter 3D, das auch als eigenständige Anwendung verfügbar ist, ermöglicht es NX11-Anwendern, nahtlos zwischen Konstruktions- und Simulationsaufgaben zu wechseln. Die Software beschleunigt den Simulationsprozess, indem sie Geometriebearbeitung, assoziative Simulationsmodellierung und funktionsübergreifende Lösungen mit Branchen-Know-how kombiniert. Schnelle und genaue Solver unterstützen die Berechnungen für Strukturmechanik, Akustik, Strömungsmechanik, thermische Analysen, Bewegungssimulation und Verbundwerkstoffe.
Simcenter 3D ergänzt in NX 11 neue Funktionen für die Modellierung und Simulation rotierender Maschinenbauteile, eine neue Umgebung für Innen- und Außenakustik sowie erhebliche Verbesserungen in der Schadensanalyse von Verbundstrukturen.
Neue Programmierfunktionen in NX CAM für den Bereich Robotik ergänzen die Reihe an Anwendungen für den Fertigungsbereich und ermöglichen eine präzise Bearbeitung großer und komplexer Teile mit Sechs- und Mehrachsrobotern. Roboterbearbeitung automatisiert manuelle Vorgänge wie Polieren und Entgraten und verbessert so die Wiederholgenauigkeit für qualitativ hochwertige Teile. NX CAM 11 erkennt automatisch, wenn bestimmte Funktionen genutzt werden können. So lässt sich die NC-Programmierung von Teilen mit vielen Bohrungen automatisieren, um bis zu 60 Prozent der benötigten Zeit einzusparen.
Der neue High-Speed-Zyklus der Software NX CMM Inspection Programming wertet Messungen über den Roboterkopf statt der CMM-Linearachsen aus. Diese neue Methode verbessert die Genauigkeit und beschleunigt nach Aussage von Siemens PLM Software die Messzyklen um das bis zu Dreifache.
Weitere Neuerungen gibt es auf der Siemens-Website.