Der PLM-Blätterwald lichtet sich. Gründe dafür gibt es viele: Die seit Jahren schrumpfende Zahl der PLM-Anbieter, mehr noch ihre schrumpfenden Anzeigenbudgets und ihre Präferenzen für das Online-Marketing, für das es in Deutschland eigentlich gar keine Plattformen gibt. Aber natürlich auch die viel zu zahmen Redaktionen, die immer nur das schreiben, was ihre Anzeigenkunden hören wollen und damit die Leser langweilen. Eine paradoxe Situation, denn spannende Themen rund um PLM gibt es dank der Herausforderung der digitalen Transformation und des Internet of Things mehr denn je.
Wenn nicht noch ein Wunder passiert, z.B. ein chinesischer Investor in Baden-Baden vom Himmel fällt, stellt die Zeitschrift Economic Engineering zum Jahresende ihr Erscheinen ein. Es ist nach der CAD/CAM, die mit der Integration in die :K ein Begräbnis zweiter Klasse erfuhr, die zweite renommierte PLM-Fachzeitschrift, die binnen weniger Jahre sang- und klaglos vom Markt verschwindet. Und die Zukunft der Zeitschrift PLM IT Report ist nach dem Abgang ihres langjährigen Chefredakteurs Stefan Graf auch in Frage gestellt. Es soll aber unter neuem Namen weitergehen.
Vielleicht brauchen wir ja keine PLM-Fachzeitschriften mehr? Und schon gar keine gedruckten? Ich meine, wir brauchen sie mehr denn je. So wie die cyberphysischen Produkte, die mit PLM-Unterstützung entwickelt werden, werden auch die Themen rund um PLM komplexer. Ein Blog oder Portal kann sicher besser als eine Fachzeitschrift, die nur alle zwei Monate erscheint, über Themen der Aktualität informieren – z. B. eine Firmenübernahme wie die von Mentor Graphics oder eine neue Produkt-Release. Aber sie bieten nicht genug Wasser unterm Kiel für den technischen Tiefgang, den die komplexen Themen rund um PLM heute erfordern. Wo sollen diese Beiträge künftig veröffentlicht werden, wenn es keine PLM-Fachzeitschriften mehr gibt? In Spiegel, Focus oder Handelsblatt, die lange Zeit die Fixsterne am Firmament mancher PLM-Marketiers waren? Heute sind sie schon froh wenn die Computerwoche ein paar Mal im Jahr über sie schreibt.
Die Branchenmagazine und Konstruktionstitel werden die Lücke der PLM-Fachzeitschriften nicht füllen können – dazu fehlt den meisten das nötige Know-how und auch der Platz, denn sie müssen ja viele Themen spielen. Wir werden also in den nächsten Jahren eine Vervielfältigung der Kundenmagazine erleben, in denen die PLM-Hersteller ihre Produkte und Lösungen und vielleicht auch noch die ihrer Partner präsentieren. Ob die mehr gelesen werden als die Fachzeitschriften sei einmal dahin gestellt. Sicher ist aber, dass sie die PLM-Hersteller in der Summe mehr Geld kosten werden, als die paar Anzeigen im Jahr, die sie zuletzt noch geschaltet haben.
Etwas Ähnliches haben wir übrigens schon nach dem Sterben der PLM-Fachmessen gesehen: Bei der Vielzahl der Kundentagen, Konferenzen, Workshops und ähnlichen Events wussten wir Redakteure manchmal gar nicht mehr, wohin. Ich behaupte mal, ohne es genau zu wissen, dass die meisten PLM-Hersteller heute mehr Geld in das Event-Marketing stecken als früher in ihre Messeauftritte.
Doch zurück zum Thema: Ich glaube, wir brauchen die PLM-Fachzeitschriften noch, aber wir brauchen vielleicht eine andere Art von Fachzeitschriften. Zeitschriften mit mehr Selbstbewusstsein und Gespür für die Interessen ihrer Leser, die nicht nur das schreiben, was ihre Anzeigenkunden gerne veröffentlichen würden. Denn eines ist mir in den langen Jahren meiner Tätigkeit als Fachredakteur klar geworden: Das, was das Gros der Anwender gerade beschäftigt, hat oft herzlich wenig mit den neuen Säuen wie Industrie 4.0 oder IoT zu tun, die wir brav durchs Dorf treiben. Da draußen gibt es sehr erfolgreiche Unternehmen, die erst vor ein, zwei Jahren ein Produktdatenmanagement eingeführt haben und noch mit den klassischen Anfangsproblemen ringen.
Ich sage nicht, dass wir nicht über die Zukunftsthemen schreiben sollen. Zweifellos wird das IoT dramatische Auswirkungen auf die Art haben, wie wir unsere Produkte künftig entwickeln, fertigen und vertreiben oder besser betreiben, denn vielleicht verkaufen wir sie nur noch als Teil einer Dienstleistung. Und das sollte auch ein Mittelständler bei seiner PLM-Strategie berücksichtigen. Aber wir müssen weniger über die großen Visionen schreiben, und mehr über die kleinen Schritte, die dahin führen.
In diesem Sinne wünsche ich den Fachzeitschriften ein Einsehen – aber auch den Marketingabteilungen der Anbieter, die diesen Weg mitgehen müssen. Wer mir sagt, wie es der Manager eines großen, amerikanischen PLM-Herstellers neulich in Stuttgart tat, dass seine Firma grundsätzlich keine Anzeigen schaltet, wird bald keine seriösen und neutralen Medien mehr finden, in denen er für seine Vision einer total vernetzten Welt werben kann. Aber vielleicht ist das ja auch ganz gut so.