Heute morgen habe ich einen sehr interessanten Kommentar zum gestrigen Text „Baumsterben im PLM-Blätterwald“ erhalten, den ich so gut und wichtig finde, dass ich ihn hier noch einmal als eigenständigen Beitrag veröffentlichen möchte. Er stammt von Stefan Kühner, zuständig für Marketing und Kommunikation beim PLM-Anbieter Procad. Vielen Dank dafür, wie’s aussieht, muss ich hier auch noch meine Gedanken dazu ausbreiten.
Lieber Herr Wendenburg,
lieber Herr Steck,
Ihren Kommentar zum Sterben von PLM-Fachzeitschriften und Ihren Appell für „Wasser unterm Kiel für den technischen Tiefgang, den die komplexen Themen rund um PLM erfordern“ gefällt mir und fordert gleichzeitig meinen Widerspruch heraus.
Was Sie schreiben ist richtig. Ich meine nicht gut, sondern korrekt beschrieben. Ich bedauere den Wegfall weiterer PLM-Fachpublikationen ebenfalls.
Allerdings ist das Verschwinden von Zeitschriften über spezielle Themen in der IT nicht Neues. Sie selbst, lieber Herr Wendenburg, waren einmal beim Dressler Verlag und beim CADCAM Report. Sein Herausgeber hat mir einmal erklärt, dass er die Fachartikel auf den Rückseiten von Anzeigen drucken muss. Das war eine kleine Lehrstunde komprimiert auf einem Satz. Der Wettbewerbertitel CAD/CAM von Herrn Satzger ist ebenfalls vergessen. Beides waren einmal Leuchttürme in der EDM/PDM/PLM-Geschichte. Da gab es eine Handvoll Redakteure, die recherchierten und bewerteten, bevor Artikel publiziert wurden.
Heute muss ein einziger Redakteur oder Redakteurin (ein Hoch auf die Redakteurinnen bei Vogel Medien) eine oder gar mehrere Fachzeitschriften betreuen. Wer kann da noch Qualität „machen“?
Es gibt für das Fachzeitschriftsterben nach meiner Meinung mehrere Gründe. Den einen Grund schrumpfende Anzeigenbudgets haben sie ja gleich im ersten Satz Ihres Artikels genannt. Nur ist dies nicht nur der böse Wille der verbliebenen Anbieter im PLM-Markt, sondern ein Konzentrationsprozess im Markt. Sie erinnern sich an Zeiten, in denen in dem von Ihnen redaktionell betreuten Computer Grafik Markt, mehrere Dutzende CAD/CAM/PDM–Firmen zu finden waren, die Anzeigen schalteten. Es ist ein gnadenloser Wettbewerb und Konzentrationsprozess, der in unserem Wirtschaftssystem seine Ursache hat. Dazu gäbe es viel zu diskutieren sowohl betreffs IT-Anbieter als auch Medien.
Ein weiterer Grund für das Sterben im PLM-Blätterwald ist der Rückgang von Abonnenten. Wer kauft heute schon noch solche Zeitschriften im Abo, vor allem, wenn da eh nur noch die Pressemitteilungen und Verlautbarungen der Marketing-Abteilungen drinstehen. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Redaktionen haben keine Leute mehr und drucken nur noch abhängig vom Anzeigenbudget Texte ab.
Ob wir, lieber Herr Wendenburg Fachzeitschriften in der Form, wie wir beide sie im letzten Jahrhundert hochhielten, wirklich noch brauchen, ist fraglich. Der erste Punkt, der mich ins Grübeln bringt, sind die Menschen im Maschinenbau, die mir erklären: „Herr Kühner, ich hab doch keine Zeit am Schreibtisch Fachartikel von drei Seiten zu lesen“. Außerdem – die Leute, die heute über Marketingbudgets beschließen, lesen selbst nicht mehr. Sie gucken lieber Bilder. Sie gehören einer anderen Generation an.
Die Zusammenarbeit mit Verlagen läuft inzwischen über andere Formate. Wir machen Webinare und transportieren damit häppchenweise PLM-Wissen. Das wirdvon den Menschen in den Betrieben gut angenommen. Für die Plattform der Verlage zahlen wir auch gutes Geld.
Nun zum wichtigsten Thema: Wo bleibt der Tiefgang? Wer berichtet über die Auswirkungen einer Firmenübernahme wie die von Mentor Graphics oder über einen Microsoft-Kongress, der IoT und Industrie 4.0 ähnlich einer Heilsbotschaft in die Welt setzt? Welcher Redakteur (hier schreibe ich bewusst nicht Redaktion) erlaubt sich kritische Worte über den letzten verbleibenden Anzeigenkunden seines Verlags?
Nein es sind nicht nur die Marketingleiter, die das Verschwinden von Fachzeitschriften verursachen, sondern ein ganzes Bündel von Gründen. Hierrüber lohnt es sich zu diskutieren. Nur: Wer traut sich denn, auf Blogs oder in Foren seine echte Meinung auszusprechen. Der Wettbewerber könnte das ja gegen das Unternehmen, in dem man arbeitet, ausnutzen.