Nach einer ganzen Weile komme ich endlich mal wieder zu einem Mobile-Workstation-Hardwaretest. Diesmal hat mich Dell mit der Precision 7710 versorgt, dem Topmodell der im letzten Jahr neu vorgestellten Mobile-Workstation-Familie. Die 7710 ist das Topmodell der mobilen Workstations von Dell und bietet neben einem großen 17-Zoll-Monitor beeindruckende Leistungsdaten.
Schon das Gewicht des Karton verrät es: Hier geht es nicht um eine ultraleichte, portable Reisemaschine. Alleine das Netzteil wiegt ein Kilogramm – das ist mehr als die Hälfte des Gewichts des Slim-Modells Precision 5510, das knapp 1,8 Kilo wiegt. Das Notebook selbst bringt etwa 3,5 Kilo auf die Waage. Nach dem Auspacken bestätigt sich der erste Eindruck, es erscheint ein recht ausladendes Gerät das aber durch sein Design relativ Grazil auf dem Tisch liegt. Die Abmessungen: 417 x 281,5 x 34,5 Millimeter (BxTxH). An der Vorderkante verringert sich die Höhe auf immer noch 28,5 Millimeter.
Die 7710 will aber gar nicht klein sein, sondern eine Power-Workstation zum Mitnehmen. Diesen Rechner wird man eher selten auf den Knien balancierend auf einer Parkbank nutzen, sondern beispielsweise zum Kunden mitnehmen, um mit diesem die neuesten CAD-Modelle zu besprechen und direkt anzupassen. Und für dieses „halbmobile“ Einsatzszenario bringt die Precision 7710 alles mit, was der anspruchsvolle CAD-Anwender braucht. 17,3 Zoll Bildschirmdiagonale, UltraSharp sRGB-Display mit FullHD- oder 4k-Auflösung, Xeon-Prozessor, Profi-Grafik und Platz für bis zu drei Festplatten – das sind beeindruckende Ausstattungsmerkmale.
Offenherzig: Die Dell Precision 7710 bietet viel Platz für Erweiterungen
Nachdem ich beim ZBook Studio bemängelt hatte, dass HP eines der Alleinstellungsmerkmale seiner Workstations aufgegeben hat – das einfach zu öffnende Gehäuse – kann ich nun von der Dell-Workstation ein sehr schön zu öffnendes Gehäuse melden. Das vordere Drittel des Bodens öffnet sich einfach durch Entriegeln eines Schiebers und gibt dann den Zugang zum Akku und zur 2,5-Zoll-Festplatte frei. Der Rest des Bodens lässt sich nach Entfernen von zwei Schrauben ebenfalls abnehmen.
Hier finden sich nun mehrere Steckplätze, in der Mitte sind zwei Plätze für DDR4-RAM-Speicherriegel angeordnet, Die Precision 7710 hat deren vier, von denen zwei weniger zugänglich unter der Tastatur liegen. Diese sind beim Kauf schon belegt, man kam also über die beiden Steckplätze im Boden die vorhandenen 16 beispielsweise auf 32 GByte Speicher aufrüsten. Maximal lassen sich 64 Mbyte in Form von vier 16-GByte-Riegeln einbauen. Links kann ein Mobilfunkmodem eingebaut werden, die Anschlüsse für die Antennen sind schon eingebaut. Daneben wird die SIM-Karte eingesteckt. Das WLAN/Bluetooth-Modul dürfte bei allen Konfigurationen schon in seinem Steckplatz oben in der Mitte platziert sein.
Spannend wird es rechts: Hier warten zwei 80 Millimeter lange M.2-Steckplätze auf SSD-Kärtchen – das sind die beiden anderen der drei erwähnten Festplattenplätze. Sehr gut finde ich die Länge der Steckplätze, im Gegensatz beispielsweise zum HP ZBook 14 ist damit die Auswahl an kompatiblen M.2-Karten wesentlich größer. Im Testgerät war eine NVMe-Festplatte mit 256 GByte eingebaut. NVMe ist eine Schnittstelle, die SSDs per PCIe anbinden kann, also nochmals schneller als über SATA.
Mit zwei dieser Steckplätze lässt sich beispielsweise ein rasend schnelles RAID-System aus SSDs aufbauen, auf dem Betriebssystem, Anwendungen und Auslagerungsdateien installiert werden. Die 2,5-GByte-Festplatte dient dann als preiswerter Datenspeicher.
Breite Palette von Prozessoren bietet viel Leistung
Im Testgerät war der Mobil-Xeon-Prozessor Intel E3-1535M eingebaut, der mit vier Kernen und zwischen 2,9 und 3,8 GHz Takt sehr hohe Leistungen ermöglicht – gerade bei CAD, wo es eher auf hohen Takt als auf viele Kerne ankommt. Zudem unterstützen die E3-Prozessoren ECC-Arbeitsspeicher mit Fehlerkorrektur. Ist dies nicht notwendig, kann man nach Aussage der Kollegen von Notebookcheck.de, auf deren Benchmarkergebnisse ich mich hier stütze, viel Geld sparen, wenn man stattdessen den Core i7-6820HQ wählt, der hat nur 8 Prozent weniger Leistung, senkt aber im Dell-Konfigurator den Preis um über 200 Euro.
Der in der CPU integrierte Grafikprozessor P530 bietet ordentliche Leistungen und wenig Stromverbrauch. Wird mehr Grafikpower benötigt, schaltet das Notebook die Profigrafik hinzu; zur Auswahl stehen zwei AMD (FirePro W5170M/7170M)- und drei Nvidia-Modelle (M3000M, M4000M, M5000M). Das Upgrade von der preiswertesten AMD FirePro W5170M zur Spitzenkarte M5000M ist allerdings satte 1.163 Euro teuer. Die W7170M ist ein guter Kompromiss, bietet 4 GByte Grafikspeicher und schlägt mit moderaten 212 Euro Aufpreis zu Buche. Die 2 GByte Grafikspeicher der preiswertesten Ausstattung sind doch oft etwas eng.
Das matte Display – im Testgerät war das IPS-FullHD-Display eingebaut – machte einen sehr guten Eindruck. Die Farbwiedergabe ist dank des großen Farbumfangs sehr natürlich. Meiner Meinung nach ist das 4k-Panel nicht unbedingt notwendig, mit 208 Euro aber auch nicht allzu teuer. Allerdings werden solch hohe Displayauflösungen unter Windows 7 nicht wirklich gut unterstützt und die 4k-Displays haben einen höheren Stromverbrauch (der Konfigurator empfiehlt bei der 4k-Auswahl folgerichtig den größeren Akku), man sollte also genau nachdenken, welches Display das Richtige ist.
Bei solch einem großen Notebook hat die Tastatur Platz für einen echten Ziffernblock, ansonsten hat die Tastatur einen angenehmen Anschlag sowie eine zweistufig einstellbare Beleuchtung und überrascht nicht durch seltsame Umgruppierungen wie manch andere Notebooktastatur. Das Touchpad hinterließ bei mir einen zwiespältigen Eindruck: Es ist nicht in der Mitte des Gehäuses, sondern unterhalb der Mitte der Schreibtastatur (also ohne Ziffernblock gerechnet) angeordnet, was für einen Rechtshänder bedeutet, dass er sehr weit nach links greifen muss. Andererseits bietet es eine mittlere Maustaste, was einerseits sehr ungewöhnlich, andererseits in vielen CAD-Systemen höchst willkommen ist. Oberhalb des Touchpads ist ein zweiter Satz Maustasten für den ebenfalls vorhandenen Trackpoint angeordnet.
Ein zweiter Minuspunkt in Sachen Ergonomie stellte sich bei mir nach einiger Zeit ein: Das Gehäuse ist relativ dick, was die Vorderkante der Tastaturfläche und damit auch des Touchpads relativ hoch positioniert – die vordere obere Kante der unteren Gehäusehälfte ist fast 25 Millimeter über Schreibtischniveau. Meine rechte Hand lag mit dem Ballen auf dem Schreibtisch und die Finger weit höher auf dem Touchpad, was in kürzester Zeit zu Beschwerden an den Sehnenscheiden führte. Wer hier empfindlich ist, sollte sich eine Unterlage besorgen, die vor das Notebook gelegt werden kann – beispielsweise aus Schaumstoff.
Großes Gehäusevolumen sorgt für angenehme Geräuschkulisse
Das großvolumige Gehäuse hat auf der anderen Seite den Vorteil, dass viel Platz für die Kühlung vorhanden ist. Das Gerät ist auch unter Last kaum zu hören und Notebookcheck.de beobachtete, dass der Prozessor auch bei längeren Volllastphasen in Benchmarks den Turbotakt von 3,4 GHz halten konnte – das deutet auf eine sehr effiziente Auslegung der Kühlung spricht. Die Ergebnisse der SPECviewperf-Benchmarks (siehe die Notebookcheck-Website, die ein in der Ausstattung mit meinem Testgerät identisches Gerät testeten) positionieren die Precision 7710 in der Spitzengruppe der mobilen Workstations.
Viel Platz bietet das Gehäuse für die Schnittstellen. Gut gefällt mir die Positionierung von Strom- und Ethernetanschluss hinten am Gehäuse, so hat man im Büro relativ wenig Kabelsalat. Optimal wäre es, wenn die beiden Monitoranschlüsse (HDMI und Display Port Mini) auch hinten angeordnet wären, dann würde auch ein Zusatzmonitor kein direkt sichtbares Kabel erfordern. Alle vier USB-Anschlüsse entsprechen Version USB 3.0 und führen Strom auch bei abgeschaltetem Gerät. Das Schnittstellenangebot wird durch Headsetbuchse und SD-Kartenleser abgerundet. Eine Thunderbolt-Schnittstelle fehlt merkwürdigerweise und ist auch im Webkonfigurator nicht wählbar. Im Datenblatt wird Thunderbolt 3 dagegen als Option erwähnt. In jedem Fall lassen sich ein Smartcardleser und ein Fingerabdruckscanner hinzukonfigurieren.
Zur Zeit bietet Dell einen kräftigen Rabatt auf das Gerät an, trotzdem ist die Precision 7710 kein Sonderangebot. Mit etwas Mutwillen (Xeon E31575M-CPU, 64GByte RAM, Nvidia M5000M, drei Festplatten 1/1/2TByte) treibt man den Preis des Geräts auf fast 10.000 Euro hoch, allerdings bekommt man aktuell fast 3.000 Euro Rabatt und landet am Ende bei 6.800 Euro – alle genannten Preise verstehen sich zuzüglich MwSt. Die praxisgerechte Ausstattung des Testsgeräts kostet 4.200 Euro, aktuell mit Rabatt knapp 3.000 Euro – das ist für ein solches „Geschoss“ angemessen – es handelt sich ja praktisch um einen „tragbaren Desktoprechner“.
Mit der Mobile Workstation Precision 7710 bietet Dell ein echtes Spitzenmodell an, das zwar nicht ultramobil, aber dafür eben auch ultra-leistungsfähig ist. Wem Leistung über Mobilität geht und wer möglichst wenig Einschränkungen toleriert, findet in der 7710 ein interessantes Angebot.