Model Based Systems Engineering, SysML, Cybertronik – das sind Themen, die ich ja gerne eher meide, weil ich nach längerem Nachdenken davon Gehirnmuskelkater bekomme. Zum Glück habe ich Kollegen und kenne ich Professoren, die anders gestrickt sind und sich mit solch hochtheoretischen Themen beschäftigen – denn hier ist echte Grundlagenarbeit zu leisten, die sich unmittelbar auf unsere Entwicklungsprozesse auswirken. Das Forschungsprojekt mecPro² hat einige interessante Ergebnisse ergeben, die beispielsweise bei der Auswahl eines PLM-System berücksichtigt werden sollten.
Die Produktentwicklung wird immer komplexer und umfasst immer mehr Disziplinen. Diese Disziplinen können, ja müssen sogar, in allen möglichen Aspekten und Themen des Entwicklungsprozesses mitreden und in den schönen Softwareplattformen, die uns dafür zur Verfügung stehen, ihre Daten halten. Dabei scheitert bisher schon die Zusammenarbeit zwischen Mechanik- und Elektrokonstruktion alleine daran, dass die beiden Ingenieursdisziplinen jahrzehntelang keine gemeinsame Sprache gefunden haben. Und nun soll das Ganze in Software übersetzt und zusammengeführt werden.
mecPro² steht für „Modellbasierter Entwicklungsprozess cybertronischer Produkte und Produktionssysteme“. Das Verbundprojekt von 12 Forschungsinstituten, Industrieunternehmen, Software- und Beratungshäusern wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,5 Millionen Euro gefördert, weitere 1,8 Millionen Euro kommen von den Teilnehmern.
Schon zu Beginn des Projekts zeigte sich ein Fallstrick des Konzepts „Industrie 4.0„, den ich schon vor längerer Zeit bemängelt habe: Die Fokussierung auf die Fertigung. Dabei nutzt die ganze smarte Fertigung nichts ohne entsprechende smarte Produkte und die zugehörige Infrastruktur. Auf jeden Fall wurde der Forschungsantrag erst einmal aus genau diesem Grund abgelehnt, weil er nicht in der Fertigung, sondern in der Produktentwicklung angesiedelt ist. Das ist für mich ein schönes Beispiel, wie man sich als Land ins technologische Abseits schießen kann. Zum Glück erkannte man das beim zweiten Ablauf und nahm mecPro² in die Förderung auf.
Inzwischen ist das Forschungsprojekt nun abgeschlossen. In dieser Zeit wurden mehrere GByte an Dokumenten und Modellen und fast 1.000 Wiki-Seiten produziert, zudem Demonstratoren, die am Beispiel einer cybertronischen Schranke für das autonome Parken und einer Montagelinie für Zylinderköpfe veranschaulichen, wie sich die modellbasierte Entwicklung in den PLM-Kontext integrieren lässt. Das Ziel, zu zeigen, dass und wie sich das Modellbasierte Systems Engineering (MBSE) in PLM-Systeme integrieren lassen, wurde jedenfalls erreicht.
mecPro² zeigt, wie das PLM-System der Zukunft aussehen muss
Kollege Michael Wendenburg, der die Abschlussveranstaltung am 28. Oktober bei Schaeffler in Herzogenaurach besucht hat, interviewte den Initiator des Projekts, Prof. Dr. Martin Eigner, und den Konsortialführer Dr. Walter Koch, Leiter Forschungs- und Entwicklungsprozesse bei der Schaeffler-Gruppe. Eigner sagte darin zur Zukunft der PLM-Systeme:
„Was gar nicht mehr geht, ist das Geschäftsmodell mit teuren Lizenzverkäufen, Wartungsgebühren etc., und wenn der Kunde dann nach zwei Jahren eine neue Version bekommt, zahlt er noch mal ein Drittel bis die Hälfte der Kosten, um das ganze Customizing nachzuziehen. Das ist absolut anachronistisch und liegt nur daran, dass die Datenmodelle intern nicht sauber verwaltet werden. Moderne PLM-Systeme verwalten das modifizierte Datenmodell im Repository und können dadurch nachvollziehen, was der Kunde bekommen hat und was nachträglich customiziert wurde. Und sie machen bei Erweiterungen des Datenmodells Vorschläge, wie die neuen Objekte im GUI abgebildet werden könnten, sodass man die Bedienoberfläche nicht immer komplett neu zu programmieren braucht.“
Koch wies darauf hin, dass nur einzelne Systemarchitekturen in der Lage sind, MBSE zu integrieren. Ich bin mir sicher, dass er damit solche Systeme meinte, die Offenheit als Mantra im Quellcode integriert haben und nicht mit dem monolithischen Systemansatz im Hinterkopf programmiert sind. Zumindest spricht die Tatsache, dass mit Contact Software einer der wenigen CAD-unabhängigen PLM-Hersteller einen der Demonstratoren entwickelte, dafür. der andere stammt übrigens von Siemens.
Mehr über mecPro² lesen Sie in Michael Wendenburgs Blog.