Die SolidWorks World in Los Angeles steht unter dem Motto; „The New, the Next, the Never Before“. Und tatsächlich habe ich heute etwas gelernt, was ich „never before“ wusste. SolidWorks-Anwender können sich auf zwei sehr interessante Neuerungen in Version 2018 freuen: SolidWorks CAM und eine Funktionalität zur Topologieoptimierung wurden für die nächste Version des CAD-Systems angekündigt. Dabei erklärte mir Kishore Boyalakuntla, Senior Director für das Produktportfolio-Management sowie den Bereich Markenbenutzererfahrung, was SolidWorks unter „Ecosystems“ versteht und wie das neue CAM-Modul mit anderen Bereichen des Systems vernetzt ist.
Zunächst die Neuheit zum Thema Topologieoptimierung: CEO Gian Paolo Bassi zeigte in seiner Eröffnungsansprache eine kurze Sequenz, in der ein Hebel analysiert und per Software in die optimale Form gebracht wird. Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass diese Funktionalität zur Topologieoptimierung auf Tosca aus dem Dassault Systèmes Simulia-Portfolio basiert und mit SolidWorks 2018 auf den Markt kommen soll. Ob es sich um ein kostenpflichtiges Modul oder um eine in die größeren Lizenzen integrierte Funktion handelt, war noch nicht zu erfahren. Auf jeden Fall ist es eine hochinteressante Erweiterung, die SolidWorks da präsentiert. Auch die Zusammenarbeit mit einer externen Software des Partners nTopology, die Latticestrukturen erzeugt, wurde im Rahmen der Keynotes gezeigt.
Gerüchte gab es schon eine Weile, nun ist es offiziell: SolidWorks wird um eine CAM-Funktionalität erweitert. SolidWorks CAM basiert auf CAMWorks von Geometric und umfasst 2,5-Achs-Fräsen sowie Drehen. Geometric bietet mit CAMWorks ein sehr gut integriertes CAM-System an, das mit Modulen für Drehfräsen, 3-Achs-, Mehrachs- und Drahterodiermaschinen erweitert werden kann. Das Basismodul wurde in den letzten anderthalb Jahren in einer Zusammenarbeit zwischen SolidWorks und Geometric weiter an das CAD-System und sein „Ecosystem“ angepasst.
Im Gespräch am Nachmittag sagte Kishore Boyalakuntla: „Wir denken nicht mehr in Produkten, sondern in ‚Ecosystems'“. Unter letzterem versteht SolidWorks eine Kombination von Fähigkeiten des Systems, die zu einem bestimmten Arbeitsprozess dazugehören. Im Falle von SolidWorks CAM geht es um die toleranzbasierte Bearbeitung. Denn SolidWorks CAM kann Toleranzen aus SolidWorks MBD auslesen, dem Modul für die 3D-basierte Produktdefinition. Diese Toleranzen berücksichtigt die Software dann, um das jeweils passende Fertigungsverfahren vorzuschlagen und die Bearbeitungswege entsprechend anzupassen.
SolidWorks Ecosystems: Daten fließen in alle Module
Diese Werkzeugwege beziehungsweise ihre Laufzeiten stehen dann auch dem Modul Costing zur Verfügung, die Kalkulation von Bauteilen wird also wesentlich genauer. Letztes Glied des Prozesses ist SolidWorks Inspection, das die Prüfung der gefertigten Bauteile erleichtert.
Genau dieser – eigentlich logische – Sachverhalt war mir bisher nicht klar: Wirklich integrierte Module teilen ihre Informationen mit allen anderen, in SolidWorks verfügbaren Funktionsbereichen. Daraus ergeben sich Prozesse, die von diesen verteilten Informationen leben. Das gilt nicht nur für SolidWorks CAM und die toleranzbasierte Bearbeitung, sondern auch für die weiteren Schwerpunkt-„Ecosysteme“, die laut Boyalakuntla aktuell Entwicklungsschwerpunkte bilden: PDM – in diesem Bereich soll es am Mittwoch Neuigkeiten geben, Topologieoptimierung und IoT. Zu letzterem Thema folgt morgen ein Artikel.
Ich hatte etwas gestutzt, warum für die Integration eines Moduls wie CAMWorks, das meines Wissens und meiner eigenen Erfahrung nach schon hervorragend ins CAD-System eingepasst ist, anderthalb Jahre Entwicklungszeit notwendig sind. Doch das Geometric-CAM-Systenm war eben doch noch nicht vollständig an alle APIs, die SolidWorks zur Verfügung stellt, angepasst. Zu MBD gab es schon eine Verbindung, die die Toleranzen des 3D-Modells berücksichtigt, doch für4 SolidWorks CAM wurde diese Verbindung nochmals vertieft, um das adaptive Manufacturing, bei dem CAMWorks Features erkennt und Bearbeitungsstrategien automatisch wählt, noch besser steuern zu können. Zudem arbeiteten die Entwickler beider Firmen zusammen, um Konfigurationen besser zu unterstützen, auch an der Benutzeroberfläche wurde gearbeitet.
Boyalakuntla sieht die integrierte CAM-Lösung als ideales Werkzeug für kleinere Unternehmen, in denen der CAD- und der CAM-Anwender dieselbe Person sind. Für Firmen, in denen die beiden Bereiche getrennt sind, wird es eine weitere Ausprägung geben, die ein – wahrscheinlich viele Module erleichtertes – reduziertes SolidWorks und CAM enthält. Diese Version ist für den Nur-CAM-Anwender gedacht, der auf Basis der CAD-Modelle seines Konstruktionskollegen NC-Programme erstellt – mit allen Vorteilen, die MBD bietet.
SolidWorks präsentiert mit dem CAM-Modul eine wirklich nahtlos integrierte Lösung, die viele Vorteile bringt, weil sie auf andere Bestandteile des Systems (MBD) zugreift beziehungsweise den anderen Bereichen (Costing, Inspection) Daten liefert. Gut finde ich, dass der Funktionsumfang mit 2,5D-Fräsen und Drehen so gewählt ist, dass andere Anbieter wie SolidCAM nicht völlig aus dem Rennen sind, sondern mit ihren Besonderheiten punkten und Lizenzen verkaufen können. Allerdings wird der Druck zunehmen, diese Module ähnlich eng zu integrieren, wie SolidWorks CAM es vormacht.