Bei der additiven Technologie denkt man gerne an innovative technische Anwendungen, beispielsweise in Luft- und Raumfahrt. Dass aber auch ganz andere, eher vergangenheitsbezogene Disziplinen vom 3D-Druck profitieren können, zeigt eine Pressemitteilung von Concept Laser. Die Figur eines bronzezeitlichen Reiters wurde mit moderner Technologie so schonend wie bisher nie möglich kopiert.
Beim „Unlinger Reiter“ handelt es sich um die Grabbeigabe eines keltischen Fürstengrabes aus der Hallstattzeit. Die Reiterstatuette aus Bronze auf einem Doppelpferd fand sich in einem bereits in der Antike ausgeraubten Wagengrab im oberschwäbischen Unlingen. Die Bruchkanten an den unvollständigen Beinen des Pferdes weisen darauf hin, dass die Statuette ursprünglich an einem anderen, nicht mehr erhaltenen Objekt angebracht war. Dies kann die Oberseite eines bronzenen Deckels oder die Fußkonstruktion eines größeren Bronzegefäßes oder aber ein Möbel, Wagen oder Joch gewesen sein. Aufgrund der übrigen Grabbeigaben lässt sich die Figur in das 8. Oder 7. Jahrhundert v. Chr. datieren. Aus dieser Zeit sind figürliche Darstellungen in Süddeutschland äußerst selten. Der „Unlinger Reiter“ stellt eine der ältesten Reiterdarstellungen nördlich der Alpen dar. Innerhalb der frühkeltischen Epoche Mitteleuropas ist diese Figur einmalig.
Schon seit langer Zeit werden archäologische Funde kopiert, um das Original zu schonen – sei es, um Wissenschaftlern ein ungefährdetes Arbeiten mit dem Objekt zu ermöglichen, sei es für die Ausstellung an verschiedenen Orten. Doch gerade der Abformprozess für die Herstellung der Kopien war bisher eine der größten Gefahren für die empfindlichen Objekte, denn bis vor wenigen Jahren konnten Fundobjekte ausschließlich durch direktes Abformen nachgebildet werden.
Durch 3D-Scannen und 3D-Drucken ist es inzwischen jedoch möglich, Kopien berührungsfrei anzufertigen. Der Unlinger Reiter wurde durch Röntgen-Computertomografie (CT) gescannt. Die so gewonnenen STL-Daten dienten dann las Basis für den 3D-Druck. Concept Laser stellte dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg für den 3D-Ausdruck seine Laser Cusing-Technologie in Form einer Mlab cusing zur Verfügung. Die Werkstoff-Ingenieure von Concept Laser fanden auch eine, dem Original vergleichbare Bronzelegierung: Eine Kupfer-Zinn-Legierung von heute, die in Bezug auf Dichte und spezifisches Gewicht, ungefähr dem Artefakt aus dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. entspricht.
So wurde der „Unlinger Reiter“ aus Bronze berührungsfrei und originalgetreu gedruckt. Der nachgebildete Reiter steht dem Originalreiter optisch und haptisch in nichts nach.
Für die Archäologie eröffnet die generative Herstellung von originalgetreuen Repliken durch den 3D-Druck neue Perspektiven: Ein metallischer Fund kann zu wissenschaftlichen Zwecken verfügbar bleiben. Gleichzeitig kann seine Kopie in Ausstellungen den Besuchern als Artefakt zugänglich gemacht werden. Ein historisches Fundobjekt kann prinzipiell mehrfach ausgedruckt und genutzt werden. Nur Experten könnten Unterschiede bei der Materialanalyse feststellen – denn das Pulver stammt aus der Gegenwart.
Ebenfalls interessant: Man könnte ein stark beschädigtes Objekt, beispielsweise ein plattgedrücktes Gefäß, scannen und am 3D-Modell die Verformungen entfernen. So ließe sich der Originalzustand von Objekten sehr realistisch wiederherstellen, ohne das Original durch Restaurierungsversuche zu gefährden. 3D-Druck macht Geschichte plastisch erfahrbar.
Concept Laser interviewte Chefrestauratorin Nicole Ebinger-Rist, die im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart das Referat Archäologische Restaurierung leitet. Sie begleitet den Fund des „Unlinger Reiters“ aus der Hallstattzeit als Restauratorin.
Welche Bedeutung hat der 3D-Druck für die zukünftige Ausstellungspraxis?
Gezeigt wird die Replik in der Ausstellung „Der Unlinger Reiter – Kelten, Pferde, Wagenlenker“, eine Ausstellung in zwei Museen, unter dem Aspekt, was moderne Technik heute leisten kann. Wichtig ist die detailgetreue Nachbildung ohne direkte Abformung, ohne mögliche Beschädigung von Fundobjekten. In der Welt der Museen werden Originale durch die Gegenüberstellung von Vergleichsobjekten in einer Ausstellung zusammengeführt.
Diese Vergleichssammlungen ermöglichen Ausstellungsbesuchern und wissenschaftlichen Forschern einen Einblick in einen historischen Kontext. Eine originalgetreue Replik kann so mehrfach, an verschiedenen Orten der Welt, museal zugänglich gemacht werden. Im Prinzip würde es zukünftig auch möglich werden, ein stark beschädigtes Objekt zu rekonstruieren. Das Objekt könnte dann wieder seine ursprüngliche Kontur annehmen. Wir könnten die zerstörerischen Spuren der Geschichte an einem Objekt quasi wegwischen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Partnern des 3D-Projekts?
Volume Graphics in Heidelberg brachte uns auf den Gedanken, die Möglichkeiten des 3D-Drucks in Metall zur Herstellung von Repliken zu nutzen. Im CT-Scanner konnten wir die Kontur des „Unlinger Reiters“ berührungs- und zerstörungsfrei in STL-Daten erfassen. Auf einer Maschine von Concept Laser konnten wir den Reiter im LaserCUSING-Verfahren ausdrucken. Concept Laser half uns auch mit der Expertise im Werkstoffbereich. Der historische Reiter besteht aus einer Kupferlegierung aus der Eisenzeit, und wir wollten kein Material für eine genaue Analyse abtragen. Die Experten des 3D-Metalldrucks fanden für uns eine Kupferlegierung, die vom spezifischen Gewicht und der Dichteverteilung sehr nahe an das Original herankommt. Das war für uns alle eine spannende Reise.
Wie überzeugend ist die Anmutung einer solchen Replik?
Mich hat die Detailtreue sehr überrascht. Plötzlich halten Sie ein Objekt aus dem 7. Jahrhundert vor Christus in den Händen, aber es besteht aus Pulver des 21. Jahrhunderts. Sie nehmen ein kulturgeschichtlich relevantes, kopiertes Artefakt in die Hand, blicken auf 28 Jahrhunderte, die seither vergangen sind, und sind einfach überwältigt. Der 3D-Druck ist eine verrückte Technologie. Jeder archäologische Fundgegenstand hat seine eigene Magie, gerade wenn er so einzigartig ist wie der „Unlinger Reiter“. Hält man dann aber die Nachbildung daneben, die dem Original eins zu eins gleicht, dann ist es schon etwas ganz Besonderes und für weitere Forschungen sehr bedeutend. Für Kuratoren, Restauratoren und Wissenschaftler öffnen sich ganz neue Türen.
Vielen Dank für das Gespräch.