Bei uns in der Gegend fahren die ersten Streetscooter herum – in Postgelb und mit einem Posthorn als Markenlogo. Diese Autos sind für mich ein Menetekel für die deutsche Autoindustrie – die Post baut ihre eigenen Elektrofahrzeuge, weil sie keinen Automobilhersteller finden konnte, der praxistaugliche E-Lieferfahrzeuge baut. Die Autoentwickler klammern sich panisch am Verbrennungsmotor fest und versuchen, mit Lobbyarbeit und Betrug die Lebensdauer dieser Technologie zu verlängern, statt mit wirklich innovativen Lösungen dafür zu sorgen, dass ihr Know-how nicht völlig entwertet wird. Und die Politik kümmert sich viel zu sehr um den individuellen Personenverkehr, statt die E-Auto-Technologie dort zu fördern, wo es Sinn macht. Man könnte verzweifeln.
Die Dieselaffäre und die Diskussion ums Elektroauto zeigen es: Die deutsche Autoindustrie verteidigt mit allen Mitteln ihr gewohntes Geschäftsmodell. Man ist ja auch jahrzehntelang mit Lobbyismus gut gefahren und mit der Politik bestens vernetzt, siehe die vielen Wechsel -verbände. So konnten völlig praxisferne Testzyklen für den Verbrauch zur Grundlage für die gesetzlich geforderte Nennung des Kraftstoffverbrauchs werden. Nur durch viel Lobbyarbeit im Hintergrund ist es möglich, dass die Dieselaffäre bisher so geräuschlos abläuft – immerhin reicht der Betrug mit dem Schadstoffausstoß inzwischen weit über VW hinaus, praktisch jedes getestete Auto stößt weit mehr CO2 und Stickoxyd aus als angegeben.
Soll das ernsthaft eine zukunftssichere Strategie sein, Autoindustrie? Sogar die Belegschaften sind schon weiter als die Führung, wie der Streit im Daimler-Motorenwerk in Untertürkheim unlängst zeigte. Die Belegschaft der Motoren- und Getriebeproduktion hat Angst um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze, weil sie die E-Auto-Strategie des Vorstands nicht überzeugend findet. Dabei gibt es ja Alternativen zum E-Auto, die durchaus beachtenswert sind – zum Beispiel Power-to-X, genauer Power-to-Gas. Bei diesem Verfahren wird überschüssiger Ökostrom dazu genutzt, Wasserstoff aus Wasser zu generieren. Der Wasserstoff wird dann mit CO2 zu synthetischem Methan umgewandelt, das ins Erdgasnetz eingespeist wird und problemlos im Auto als Treibstoff genutzt werden kann.
Klar ist es extrem unbequem, wenn man als Verbrennungsmotorenentwickler sieht, wie die Elektrotechniker – die man meist eh nie leiden konnte – die feinziselierten eigenen Produkte mit einem profanen Elektromotor einfach überflüssig machen. Für den Maschinenbauingenieur gibt es am E-Auto nicht mehr allzu viel zu tun. Aber Jammern nutzt nichts, das E-Auto verschwindet nicht wieder.
Viel wichtiger wäre es, massiv in die neuen Techniken einzusteigen und einen breiten Mix von Alternativen zu entwickeln. Ich bin mir sicher, dass die Zukunft nicht monothematisch dem E-Auto gehört – davon abgesehen gibt es auch Autos wie Fernverkehrslastwagen, Schiffe und Flugzeuge, wo Elektroantriebe in absehbarer Zeit keine Rolle spielen werden. Aber es muss für die Autoindustrie, die in Deutschland so wichtig ist, darum gehen, die ganze Breite zukünftiger Antriebstechnologien abzudecken.
Statt also Geld für faszinierende, aber vom völlig falschen Ende her gedachte E-Sportwagen wie den BMW i8 auszugeben, sollten die Autohersteller ihre Produktpalette genau und mit einem frischen, unverstellten Blick durchsehen. Für jede Fahrzeugklasse gibt es eine, oft sogar mehrere optimale Technologien, die dann aber auch konsequent umgesetzt werden müssen.
Elektromobilität sinnvoll fördern – beispielsweise den „Arbeitsverkehr“ in der Stadt
Ein gutes Beispiel finde ich Kastenwagen – das hat die Post ganz richtig erkannt. In jeder Stadt fahren tausende von Handwerkern kurze Strecken zum Kunden, der Diesel wird nie richtig warm und stirbt lange vor seiner Zeit – ich weiß das, ich habe schon einmal einen solchen Diesel auf der Autobahn geschlachtet. Der Handwerker fährt keine riesigen Strecken, braucht aber Platz für Werkzeug und Ersatzteile. Hier würde sich ein Elektroauto ähnlich dem Post-Streetscooter anbieten. Von den vielen Paketdiensten will ich gar nicht sprechen. Hier wäre auch eine E-Auto-Prämie sinnvoller als im Privatsektor.
Dass Stadtbusse zumindest zum Teil elektrisch fahren können, beweisen seit Jahrzehnten O-Busse. Diese Busse fahren soweit möglich mit Strom aus der Oberleitung, in den Außenbezirken dann mit dem ebenfalls vorhandenen Dieselmotor – der beispielsweise auch durch einen Batteriepack ersetzt werden kann. Der im Fahrtbetrieb aus der Oberleitung ladende E-Bus wurde schon in den Siebziger Jahren in Esslingen getestet und ist heute beispielsweise in Zürich oder in China im Einsatz – ein tolles Einsatzszenario für den E-Antrieb.
So lassen sich Emissionen aus der Stadt heraushalten, während auf der Langstrecke die Fern-LKW mit Verbrennungsmotor sicher noch einige Zeit Stand der Technik bleiben. Wenn man diese aber statt mit fossiler Energie beispielsweise mit Power-to-X-Treibstoffen betreibt, sind diese LKW eben keine Fossilkraftstoff verbrauchende, schadstoffspuckende „Umweltmonster“, sondern Teil eines zukunftsgerichteten Mobilitätskonzepts. Und ja, hier ist auch Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors wichtig, um diese Antriebe immer effizienter zu machen.
Sechs simple Lehren für die Autoindustrie
Die deutsche Autoindustrie ist gefordert, die Realitäten anzuerkennen – so weh das uns Maschinenbauern tut. Dabei gibt es einige ganz einfache Grundsätze, an denen man Zukunftsstrategien ausrichten kann:
- Der Schadstoffausstoß des Mobilitätsbereichs muss drastisch sinken
- Fossile Energie ist TOT, morgen, übermorgen, auf jeden Fall in absehbarer Zeit.
- Die Zukunft gehört dem E-Antrieb – allerdings nur in bestimmten Szenarien
- Die Mobilitätsanforderungen immer größer werdender Städte können durch Individualverkehr nicht gelöst werden, da helfen werden Carsharing noch autonomes Fahren
- In den Städten ist E-Antrieb der absolute Favorit, weil dort bisher viele Fahrzeuge geballt Schadstoffe produzieren
- Die die hohe Energiedichte von Flüssigtreibstoffen oder Gas prädestiniert diese Energieträger für den Fernverkehr bzw. für die Langstrecke.
Es muss viel mehr Geld und Entwicklungsarbeit in die zukunftsweisenden Technologien gesteckt werden – Power-to-X, E-Antriebe, Batterien und ein breiter Mix optimal an den jeweiligen Zweck angepasster Fahrzeuge. Wir dürfen us die Zukunftstechnologien wie die Batterieherstellung, aber eben auch alternative Treibstofferzeugung – nicht aus der Hand nehmen lassen – sonst hat in wenigen Jahren die asiatische – aber auch die vielgeschmähte US- (siehe Tesla) – Autoindustrie die Nase vorn. Auch wenn uns Autofans das sehr weh tut: Die Jubeljahre sind vorbei.