Vor der Sommerpause (das ist der letzte Beitrag bis Mitte August) war ich nochmal fleißig und habe mit der Lenovo P71 eine ausgewachsene Workstation im Mobilformat getestet. 17-Zoll-Notebooks sind die richtige Wahl, wenn man zwar einen portablen Rechner möchte, aber auch viel Leistung benötigt. Natürlich geht man bei der Mobilität Kompromisse ein, aber der große Formfaktor ermöglicht eben nicht nur viel Bildschirmfläche, sondern auch genug Volumen für eine komplette Ausstattung und leistungsstarke Komponenten. Die neue Lenovo P71 ist ein gutes Beispiel für diese Geräteklasse und wie geschaffen als kräftige CAD-Workstation.
Die ThinkPad-Mobilrechner haben sich über viele Jahre einen Ruf erarbeitet als optisch eher zurückhaltend daherkommende, aber extrem robuste und leistungsstarke Maschinen. Die Lenovo P71 ist da keine Ausnahme. Das Gerät ist ein Update des P70, das 2016 als 17-Zoll-Notebook eine Lücke im Lenovo-Programm schloss. Nun mit Kaby-Lake-Xeon-Prozessoren mit bis zu 4,2 GHz, schnellerem Arbeitsspeicher, NVM-SSDs und Nvidia Pascal-GPUs ausgestattet, bietet das P71 aktuelle Hardware.
Die Reihe der im P71 verfügbaren Prozessoren beginnt beim Core i7-7700HQ und reicht über Core i7-7820HQ und Xeon E3-1505 v6 bis zum Xeon E3-1535 v6 mit 3,1 GHz Nominaltakt und bis zu 4,2 GHz im Turbomodus. Alle Prozessoren sind Vierkern-CPUs. Statt DDR4-2133-Speicher kommt nun das schneller getaktete DDR4-2400-RAM zum Einsatz, maximal lassen sich 64GByte Arbeitsspeicher einbauen.
Bis hierhin kann das 15-Zoll-Schwestermodell leistungsmäßig mithalten, bei der Grafikkartenausstattung trägt dagegen der 17-Zöller ganz alleine die Krone: Nur im großen Modell verbaut Lenovo die neuen Pascal-GPUs, die gegenüber dem Vorgänger Maxwell zum einen eine kräftige Erhöhung des Arbeitstakts vorweisen können, zum anderen mehr Recheneinheiten, mehr Speicher und eine höhere Bandbreite zur Anbindung des Speichers an die GPU. P3000, P4000 und P5000 besitzen 6, 8 beziehungsweise 16 GByte DDR5-RAM und 1280, 1792 und 2048 CUDA-Prozessorkerne. P4000 und P5000 sind VR-ready, haben also genug Leistung, um eine Virtual-Reality-Brille zu betreiben.
Die Schnittstellen wirken an dem riesigen Gehäuse fast etwas verloren: 4x USB 3, einer davon mit Ladefunktion bei ausgeschaltetem Notebook, zwei USB-3.1-Typ-C-Anschlüsse mit Thunderbolt 3-Unterstützung. Für Monitore finden sich je ein HDMI 1.4- und ein Mini DisplayPort 1.2-Anschluss. Audio-Kombianschluss, Smartcard-Reader, SD-Card-Reader und Gigabyte-Ethernet vervollständigen die Anschlusspalette. Eher ungewöhnlich bei modernen Notebooks sind der Express-Card-Steckplatz sowie das eingebaute DVD-RW-Laufwerk.
Für Magnetfestplatten bietet die P71 ebenso zwei Steckplätze wie für PCIe-SSDs im M.2-Steckkartenformat, die zweite 3,5-Zoll-Festplatte verdrängt allerdings das DVD-Laufwerks von seinem Platz. Meine Lieblingskombination aus schneller, aber platzbeschränkter SSD und großer, aber langsamerer Magnetplatte lässt sich also gleich zweimal und im RAID-0- oder RAID-1-Modus einbauen. Unterhalb des Bildschirms ist im Displayrahmen eine Festplatten-Aktivitäts-LED eingebaut, weitere Anzeige-LEDs sind in der Tastatur verborgen. Eine Tastaturbeleuchtung ist optional erhältlich, das Testgerät kam ohne aus. Für 28,56 Euro Aufpreis eine Must-Have-Option, finde ich.
Wie fühlt sich – über die nackten Daten hinaus- die Lenovo P71 nun an? Schwer, wertig, angenehm. Der gummierte Deckel lässt das Gerät sicher in der Hand liegen, geschlossen sieht das Gerät dank nach unten verjüngtem Gehäuse schlank aus. Die Stabilität des Gehäuses ist über jeden Zweifel erhoben, da wackelt, verbiegt oder knarzt nichts. Das Gerät steht dank des Akkus, der unter der Handballenablage verbaut ist, sehr stabil, ohne jegliche Neigung, nach hinten zu kippen. Die Tastatur bietet ein hervorragendes Schreibgefühl, mich nervten allerdings die vertauschten linken STRG- und Fn-Tasten. Zwar kann deren Belegung im Bios auf die gewohnte Konfiguration zurückgedreht werden, die Beschriftung der Tasten bleibt allerdings vertauscht. Es fiel auf, dass das Gummimaterial des Deckels schnell Staub anzog. Dafür ist der Lüfter im Normalbetrieb praktisch unhörbar – sehr angenehm.
Das Touchpad versteht Gesten mit bis zu vier Fingern und wird oben und unten von je drei Maustasten eingerahmt. Gerade CAD-Anwender werden die mittlere Maustaste zu schätzen wissen. Die oberen Tasten gehören zum ThinkPad-typischen Trackpoint mit roter Kappe. Neben der Tastatur mit getrenntem Ziffernblock ist noch Platz für einen Fingerabdruckscanner, der nicht wie üblich aus einer schmalen Leiste besteht, über die man den Finger zieht, sondern den gesamten Abdruck auf einmal scannt.
Neben der Tastatur das zweite Highlight ist das Display. Ich habe wahrscheinlich noch nie ein so gut entspiegeltes Display gesehen, ausgeschaltet ist es vom Displayrahmen kaum zu unterscheiden. Im Testgerät war ein 4k-IPS-Panel verbunden, dessen Darstellung ist als außergewöhnlich knackig – sowohl in Sachen Schärfe als auch in Bezug auf die Farbe – empfand. Ein neben dem Touchpad eingebauter Kalibriersensor ermöglicht das Einstellen der Farben. Das ist ganz einfach: Kalibriersoftware starten, Deckel schließen, auf das akustische Signal warten – fertig. So lässt sich die Farbdarstellung des Geräts schnell an wechselnde Beleuchtungen anpassen. Die Kollegen von Notebookcheck bemängelten allerdings (im Test des in dieser Hinsicht baugleichen Vorgängers P70) die Kalibration, die mit einem externen Sensor anscheinend um einiges genauer war.
Das Lenovo P71 ist ein Notebook, bei dem der Schwerpunkt (im wahrsten Sinn des Worts) nicht auf der Mobilität, sondern auf kompromissloser Leistungsfähigkeit lag. Zu den 3,5 Kilogramm des Notebooks kommen in der Laptoptasche nicht weniger als 700 Gramm, die das riesige Netzteil wiegt, so erreicht das Gesamtpaket 4,2 Kilo. Aber man bekommt auch viel fürs Gewicht: Einen der schnellsten Mobilrechner, der zurzeit verfügbar ist, mit herausragenden Grafikleistungen, großer Robustheit, einer tollen Tastatur und – nicht zu vergessen – einer mittleren Maustaste. Für mobile CAD-Anwender eine gute Wahl, die dank der optionalen Dockingstation auch im Mehrschirmbetrieb auf dem Schreibtisch eine gute Figur macht. Die getestete Konfiguration war allerdings über 6.100 Euro teuer. Kleinere Ausstattungsvarianten beginnen bei etwa 2.200 Euro.