Unter den Zahlen, die SolidWorks-CEO Gian Paolo Bassi vor zwei Wochen bei Bechtle präsentierte, fiel mir eine besonders auf: Der große Anteil, den CAD am Dassault Systèmes-Umsatz hat. Und das in einem Unternehmen, das sich zumindest in der Außenwirkung ganz der „Experience Economy“ und anderen Themen verschrieben hat, die wenig mit der nach Kühlschmiermittel duftenden Welt des bodenständigen Maschinenbaus zu tun haben. Doch Dassault ist nicht alleine in diesem Spagat – einerseits Zukunftsthemen zu besetzen und andererseits ganz bodenständig sein Geld zu verdienen. Daran ist auch nichts Falsches, solange alle Beteiligten wissen, dass dies so ist.
Der Anteil von SolidWorks am Gesamtumsatz von Dassault Systèmes betrug im zweiten Quartal 2017 22 Prozent, was eine Steigerung von mehr als 16 Prozent gegenüber dem selben Quartal des Vorjahres bedeutet. Der Vollständigkeit halber die Umsatzanteile der anderen Bereiche bei DS: Catia 31%, Enovia 10%, „Other Software“ 26%. Die restlichen 11% werden mit Services verdient.
Damit ist SolidWorks nach Catia der Hauptumsatzbringer bei Dassault Systèmes – und das mit dem bei weitem größten Wachstum aller Bereiche (SolidWorks +16,1%, Other SW +8,5%, Enovia 3,3%, Catia +2,3%). Gemeinsam kommen die beiden CAD-Systeme – wobei in den SolidWorks-Zahlen ja auch „nicht-CAD-Umsätze“ wie PDM, Simulation und andere enthalten sind – auf mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes – so viel zu Thesen, die man im Markt oft hört, dass CAD nur noch ein Autorensystem im großen Konzert der integrierten Unternehmenssoftware beziehungsweise der „Plattform“ sei. Konstruktion und Entwicklung sind nach wie vor die entscheidenden Bereiche im produzierenden Gewerbe – ohne Produkt nutzt die schönste Dienstleistung nichts.
Doch nicht nur bei Dassault fallen Botschaft und Geschäftszahlen so weit auseinander, PTC ist ein weiterer Kandidat, der viel über ein Thema – IoT – spricht, aber sein Geld in anderen Bereichen verdient. Die letzten Zahlen, die ich bei Monica Schnitger gefunden habe, stammen aus dem Fiscal Quarter 3/17, das am 1. Juli endete: Mit Solutions Software – das deckt CAD, PLM und SLM ab – verdiente PTC in diesem Quartal 222 Millionen Dollar, mit IoT gerade einmal 25 Millionen.
Autodesk wiederum, die stark mit der Maker- und 3D-Druck-Szene in Verbindung gebracht werden, verdiente in seinem Fiscal Quarter 2/18, das im Juli 2017 endete, mit Architektursoftware 209 Mio. Dollar, mit Manufacturing Software, also dem modernen 3D-CAD für die Produktentwicklung 147 Mio., mit AutoCAD und AutoCAD LT 97 Mio. sowie mit Media und Entertainment 38 Mio. In anderen Worten: grob 70% des Umsatzes kommen aus dem Verkauf beziehungsweise der Vermietung von Architektursoftware, 2D-CAD und Media & Entertainment. Der Bereich 3D-Produktentwicklung kommt nur auf knapp 30% Umsatzanteil.
Was bringt die Unternehmen nun dazu, ihre Botschaften so „unbalanciert“ zu setzen? Eine große Rolle spielt sicherlich die Zukunftsfähigkeit, die man sich als High-Tech-Company auf die Fahnen schreiben möchte. Autodesk ist sicher nicht erpicht darauf, mit AutoCAD oder LT gleichgesetzt zu werden – andererseits sind fast 100 Mio. Dollar Umsatz nicht zu vernachlässigen. Und für Firmen wie PTC und Dassault Systèmes, die ihre Produkte sehr stark in großen Unternehmen positionieren, ist es sicher wichtig, eine langfristige Vision bieten zu können – schließlich denken die großen Konzerne bei ihren Investitionen auch langfristig.
Wenn die Auswahl- und Implementierungsphase fünf Jahre dauert, will der Verantwortliche heute wissen, wie das System in fünf Jahren aussieht und wohin die Entwicklung geht. Deshalb muss die „Zielansprache“ bei Großinstallationen ganz anders gewählt werden wie bei Kleinunternehmen – in denen beispielsweise SolidWorks verstärkt zu Hause ist. Kleine Unternehmen führen schnell ein und wollen kurzfristig Erfolge sehen. Große Unternehmen brauchen Visionen. So lange alle Beteiligten diesen Unterschied im Hinterkopf behalten, ist an dieser marketingtechnischen „Voreilung“ nichts auszusetzen. Es ist meiner Meinung nach extrem wichtig, für jeden Kanal die richtige Ansprache zu finden und die Entwicklungsressourcen nicht nach Visionen, sondern nach Business Impact zu verteilen.