Zur Sitzung nach Berlin – das hatten nicht nur die Abgeordneten des neuen Bundestags diese Woche in ihrem Terminkalender, sondern auch Anwender, Interessenten und Mitarbeiter von Systemhäusern aus dem Umfeld der Siemens PLM Software. Im Estrel Convention Center fanden sich am 23.-25. Oktober 2017 genau 1160 Teilnehmer zur PLM Europe – Siemens PLM Connection zusammen. Die Bandbreite der Vorträge reichte von „breit“ bis „tief“ und ein besonderer Keynoteredner verband gute Unterhaltung mit interessanten Gedanken.
Die Veranstaltung wurde wie immer von Maarten Romers, dem Vorsitzenden der PLM Europe User Group, eröffnet. Er konnte nicht nur 40 Prozent Erstbesucher, sondern auch einige Besucher mehr als im letzten Jahr begrüßen: 1160 registrierte Benutzer aus 32 Ländern und von 320 Firmen. Unter den Teilnehmern fanden sich 65 Prozent Kunden, also „echte“ Anwender, der Rest verteilt sich – typisch für solche Veranstalter – auf Mitarbeiter von Partnerunternehmen und des Softwareherstellers selbst.
Siemens PLM-Software-CEO folgte Tony Hemmelgarn mit einer sehr unterhaltsamen Rede, in der er das Leben des Erfinders des geschnittenen Brots, Otto Frederick Rohwedder, mit der Lage der Firmen im heutigen Wirtschaftsumfeld verglich: Zum einen müssen neue Ideen umfassend und bis zum Ende gedacht werden – Rohwedder hatte mit seiner Maschine erst Erfolg, als diese das Brot auch automatisch verpackte – zum anderen ist das wirtschaftliche und technische Umfeld ebenso wichtig – die Erfindung des Pop-Up-Toasters beschleunigte die Marktdurchdringung von Rohwedders Maschinen.
Siemens ist dabei, sein Softwareportfolio kontinuierlich auszubauen – in den zehn Jahren seit der Akquise 2007 gab das Unternehmen über zehn Milliarden Dollar für Firmenkäufe aus. Dabei wird breit gedacht, wie der Kauf von Tass zeigt: Der niederländische Anbieter entwickelt Simulationssoftware für das autonome Fahren. Nach Hemmelgarns Worten müssen in der Entwicklung eines vollautonomen Fahrzeugs etwa 15 Milliarden Testkilometer absolviert werden – das ist im normalen Straßenverkehr gar nicht möglich. Deshalb absolvieren diese Autos viele Testkilometer in Softwaresimulationen, wie sie Tass entwickelt. Das Portfolio von Tass ist also eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto.
Einen bekannten Neukunden konnte Hemmelgarn ebenfalls begrüßen: Motorradhersteller Yamaha, der in Zukunft mit Teamcenter und NX arbeiten wird.
Der CEO zeigte auch, wie er die Zukunft im IoT-Bereich sieht: Bisher stehe viel zu sehr das Monitoring im Vordergrund, dabei sollte das Reagieren – also beispielsweise das Beseitigen der erkannten Probleme – ebenso wichtig werden. Er zeigte, wie sich real aufgezeichnete Vibrationen in eine Simulation einspeisen lassen, um den weiteren Verlauf eines Schadenfalls zu berechnen.
Übrigens sieht es Hemmelgarn als seine Aufgabe an, solche Lösungen auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zur Verfügung zu stellen – immerhin fallen 46 Prozent der Siemens PLM Software-Kunden in diese Kategorie. Als Beispiel für die Angebote in diesem Bereich nannte er Teamcenter Rapid Start an, eine vorkonfigurierte Variante des PLM-Systems, das die Einführung vereinfacht.
Jim Rusk lieferte dann mit seinen Kollegen einen sehr breiten Überblick über die ebenso breite Palette der miteinander verknüpften Anwendungen von Siemens – von CAD bis zur Siemens-Steuerung und in die IoT-Cloud Mindsphere.
Als „Wachmacher“ nach dem Mittagessen übernahm dann Bruce Dickinson die Bühne, bekannt als Sänger von Iron Maiden, aber auch Verkehrspilot, Unternehmer, Startup-Unterstützer und Träumer, der seine wildesten Träume in Realität umsetzt. Lustig fand ich die Anekdote, dass der deutsche Verlag den Namen seiner Autobiographie “What Does This Button Do” nicht verstand. Dickinson meinte, die Deutschen würden einfach nicht verstehen, dass man einen Knopf drücken kann, dessen Bedeutung man nicht verstehe. Er habe dies sein ganzes Leben getan. Interessant seine These: „Ich hasse Kunden, ich will Fans!“ Kunden kämen und gingen ohne emotionale Bindung, Fans bleiben treu, auch wenn es einmal nicht so gut läuft – was für Fußballclubs ebenso wichtig sei wie für Softwarehersteller.
Der Nachmittag und die beiden folgenden Tage waren prall gefüllt mit 195 Vorträgen und Workshops aus allen Bereichen des Siemens PLM Software-Portfolio. Hier ging es in die Tiefe der Software und hier wurden viele Neuerungen live präsentiert. Ich war in einem Vortrag zu NX12 und berichte in einem zweiten Blogartikel über die wirklich interessanten neuen Funktionen.