Gestern erreichte mich eine interessante Pressemitteilung von Cenit zum Thema Bionisches Design. Das Stuttgarter Unternehmen adressiert in einem EU-Forschungsprojekt einen wichtigen Stolperstein (fast) aller mir bekannten Lösungen zur Topologieoptimierung: Bei diesem Verfahren entstehen extrem effiziente Formen, die aber immer als Netztopologie vorliegen, so dass das weitere Anpassen und die Integration in herkömmlich entstandene CAD-Geometrien Probleme bereitet. Mit einer Bibliothek bionischer Features und einer Featureerkennungs- und Austauschfunktion haben die Cenit-Spezialisten einen neuartigen Ansatz gefunden, um diese Problematik zu lösen. Drittes Ergebnis des Forschungsprojekts ist ein Werkzeug zur direkten Generierung von Dateiformaten für den 3D-Druck.
Seit September 2016 arbeitet das IT- und Softwarehaus Cenit gemeinsam mit neun internationalen Partnern aus Industrie und Forschung im Rahmen des EU-Projekts „Bionic Aircraft“ an der Entwicklung neuer Methoden und Konzepte für die additive Fertigung von Flugzeugen. Gewicht spielt in der Luftfahrt eine entscheidende Rolle, gleichzeitig darf die Gewichtsreduktion nicht mit einem Verlust an Stabilität und Zuverlässigkeit einhergehen. Deshalb sind bionische Strukturen, die Stabilität und Materialeffizienz verbinden, für die Luftfahrt so interessant. Die Projektteilnehmer verfolgen den Anspruch, eine Zeitersparnis von etwa 40 Prozent für die Gesamtentwicklung bionischer Teile zu erreichen und das Gewichtsersparnispotenzial von ALM-Strukturen zu erhöhen.
Das übergeordnete Ziel des Aufgabenspektrums der Cenit ist eine signifikante Vereinfachung des Designprozesses für bionische Leichtbaustrukturen. Zu den Kernpfeilern hierfür zählen eine automatisierte Designmethodik sowie ein Werkzeug zur direkten Generierung von spezifischen Dateiformaten für den 3D-Druck.
Um die Erstellung bionisch optimierter Bauteile zu erleichtern, erarbeitet die Cenit auf Basis von Catia einen CAD-Katalog mit parametrisch aufgebauten, bionischen Features. „Damit wird die bislang aufwendige und langwierige, manuelle Interpretation und Nachkonstruktion von topologieoptimierten Bauteilen im CAD-System durch ein automatisiertes Baukasten-Prinzip unterstützt“, erklärt Jochen Michael, Senior Consultant bei Cenit, die Zielsetzung. „Durch die Parametrik der Features können Konstrukteure die Geometrien zudem einfacher anpassen. Damit erreichen wir einen weiteren Zugewinn an Effizienz und Qualität im Designprozess.“
Bis Ende der Laufzeit des Bionic Aircraft Projekts im August 2019 rechnet CENIT damit, einen CAD-Katalog mit rund 10-15 bionischen Features zu entwickeln. Die Features, die Bauprinzipien aus der Natur nachbilden, wurden von Experten des Fraunhofer Institut für Additive Produktionstechnologien IAPT entwickelt. Werden beispielsweise bei zugbeanspruchten Komponenten Rundungen nach natürlichem Vorbild angewendet, kann das Risiko von Bauteilversagen deutlich vermindert werden. Diese Rundungen sind nur eines der Features im CAD-Katalog.
Nach der Programmierung der ersten bionischen Features im CAD geht die Cenit einen weiteren Meilenstein im Projekt an: Die Feature Recognition – ein Software-Tool, das ein topologieoptimiertes Bauteil analysiert und dessen Geometrieelemente möglichst vollautomatisch durch funktional entsprechende, bionische Features aus dem CAD-Katalog ersetzt.
Neben dem bionischen Design gehört auch die 3D-Druckvorbereitung zum Aufgabenpaket der Cenit. Wesentliche Schwerpunkte dabei: Die CAD-basierte Erzeugung von für den 3D-Druck notwendigen Stützstrukturen eines Bauteils sowie die optimale Ausrichtung der Bauteile für den Druck. Zur Programmierung der Stützstrukturen im CAD-System griff die Cenit wiederum auf Ergebnisse des Forschungspartners Fraunhofer IAPT zurück: Das Institut führte dazu systematische Untersuchungen zu Kriterien wie Zugfestigkeit, Pulververbrauch sowie Entfernbarkeit der Stützstrukturen und deren Beeinflussung der Oberfläche durch und entwickelte Ansätze für neuartige Stützstrukturen, beispielsweise einer gradierten Gitterstruktur oder einem Gyroid.
Anhand einer Vielzahl an Parametern, die die Ausrichtung eines Bauteils für die additive Fertigung bestimmen, schufen die Experten bei Cenit auf Basis von Catia zudem Funktionalitäten für die optimale, automatisierte Bauteilausrichtung inklusive der Erzeugung der passenden Stützstrukturen. Das weiterführende Ziel der Projektarbeit der Cenit besteht aktuell darin, nicht nur Geometriedaten, sondern auch Attribute der Geometrie wie die Außenkontur oder die Oberflächengüte an die Fertigung ausgeben und damit die passende 3D-Drucktechnologie bestimmen zu können. In Abstimmung mit der Aconity GmbH erarbeitet die CENIT hierzu aktuell eine direkte CATIA Schnittstelle.
Die Ergebnisse werden die zehn Partner des Konsortiums zur Halbzeit des Projekts Bionic Aircraft im April 2018 der EU-Kommission präsentieren.