Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von HP und SolidWorks im Rahmen der SolidWorks World 2018 gab es interessante Ausblicke darauf, was HP in seinen Laboratorien entwickelt. Anscheinend überholt die 3D-Druck-Technologie die CAD-Technologie gerade, zumindest können HPs 3D-Drucker in naher Zukunft Dinge, die SolidWorks – und ach andere Systeme – im Augenblick nicht abbilden können: Die Materialeigenschaften innerhalb eines Bauteils variieren.
Basis des Ganzen ist die Voxel-Technologie: Ein Voxel ist ein dreidimensionaler Pixel, im Falle von HP definiert mit einer Größe von 0,021 x 0,021 x 0,08 Millimeter. HP kann in seinen Druckern jedes einzelne Voxel eines Bauteils ansteuern, also innerhalb eines Bauteils die Eigenschaften des Materials an jeder Stelle explizit steuern. Dazu werden Flüssigkeiten – sogenannte Agents – in ein Basispulver gesprüht. Dank der in den Geräten verwendeten Pagewide-Tintendruckköpfe passiert dies extrem genau, HP kann also genau steuern, wo wie viele Tropfen eines Agent landen.
Die großen Maschinen arbeiten mit einem bindenden (binding agent) und einem bindungshemmenden Agent (detailing agent), um die Außenflächen und -Kanten extrem genau definieren zu können. Die neuen Maschinen können vier (340/540) beziehungsweise acht (380/580) Agents verarbeiten, was beispielsweise zum Farbdruck mit farbigen Agents dienen kann. Mit vier Agents (binding, detailing, schwarz und weiß) können die Drucker Jet Fusion 340 und 540 schwarzweiße Objekte erzeugen, bei den Modellen 380 und 580 kommen neben binding und detailing die Farben CMYK zum Einsatz.
Geht man einen Schritt weiter – und HP tut das, wie in der Pressekonferenz zu hören war, in seinen Labors – so können die Agents auch andere Eigenschaften beeinflussen, beispielsweise die Leitfähigkeit. Damit wäre man in der Lage, elektronische Schaltungen in 3D-Druckteile zu integrieren, indem man die Schaltung quasi „einspritzt“. Aber soweit ich es verstanden habe, könnte man auch Bereiche eines Bauteils unterschiedlich weich gestalten oder andere Eigenschaften variieren.
Farbige Ausdrucke lassen sich auch heute schon im CAD-System definieren, beispielsweise indem Texturen über das Modell gezogen werden. Dementsprechend reicht es ja auch aus, lediglich die äußerste Schicht des Druckteils farbig zu gestalten. Sobald jedoch die Materialeigenschaften im Innern des Teils betroffen sind, kommen wir zu einem interessanten Problem, über das ich schon 2015 in meinem Artikel „STL ade? Der 3D-Druck braucht ein neues Datenformat“ geschrieben habe, damals noch im Zusammenhang mit den damals neuen Vollfarb-3D-Druckern von Stratasys:
Ein Teil ist im CAD-System ein homogenes Objekt, das (unter anderem) durch seine Geometrie und eine Materialzuweisung definiert wird. Eine variierende Definition innerhalb eines Teils ist bis heute nicht vorgesehen. Unterschiedliche Materialien bzw. Materialvarianten lassen sich Stand heute also nicht im CAD-System umsetzen – es ist allerdings möglich, ein Multibody-Part zu erstellen und die einzelnen Bodies beispielsweise als STL zu exportieren und im Slicer wieder zusammenzusetzen. So werden beispielsweise heute FDM-Drucker mit mehreren Düsen angesteuert.
Doch auch dieser Trick versagt, wenn die Materialeigenschaften sich nicht abrupt ändern, sondern in einem Verlauf. In meinem Artikel habe ich als Beispiel Schwingungsdämpfer beschrieben: Diese bestehen heute aus zwei Platten mit je einem Gewindestift, zwischen die eine Gummischicht vulkanisiert wird. Diese Bauteile reißen meist genau am Übergang zwischen hartem Metall und elastischem Gummi. Mit entsprechenden 3D-Druckern wäre es möglich, die Elastizität weich einsetzen zu lassen, also von der harten Platte zur Mitte des Dämpfers hin immer elastischer. Das würde die Lebensdauer verlängern. Doch wie soll man so ein Bauteil im CAD-System realistisch darstellen?
Bis heute hat sich in diesem Bereich nichts getan. Der HP-Vertreter sprach jedenfalls von einem Problem, „das uns noch auf Jahre beschäftigen wird“. Die beiden Unternehmen HP und Dassault Systèmes als Mutterhaus von SolidWorks vereinbarten auch gleich noch eine Partnerschaft, in der genau diese Problematik bearbeitet werden soll. Ebenfalls Objekt der Partnerschaft ist die Unterstützung des Farbdrucks mit den neuen HP-Geräten direkt aus SolidWorks heraus. Beide Unternehmen unterstützen das 3MF-Format, mit dem es im Gegensatz zu STL möglich ist, Farbinformationen zu übertragen.
Die Lösung ist vielleicht näher, als man denkt und könnte aus einem Bereich kommen, an den man in diesem Zusammenhang nicht sofort denkt: In der Simulation mittels FEM werden Bauteile in winzige dreidimensionale Elemente zerlegt, die ein Gitter bilden. Analog zu diesem könnte man die Voxel definieren.
Es muss jedenfalls eine Lösung her, die nicht irgendeinen Umweg benutzt, sondern das 3D-Druckteil realistisch abbilden kann – sonst wird es schwierig mit dem Digital Twin.