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SolidWorks 2019: To the Future and Beyond

Traditionell wurden am dritten Tag der SolidWorks World einige Neuheiten der nächsten, jeweils im folgenden Herbst erscheinenden Version präsentiert. Dazu drehten die Mitarbeiter in jedem Jahr einen Film, in den die Neuerungen humoristisch eingebunden waren – meist mit Science-Fiction-Bezug, gerne im Star Wars-Universum angesiedelt. Dieses Jahr gab es über drei Tage immer wieder einen Teil des Films und der Neuerungen in 2019. Hier die Zusammenfassung.

Die Kampagne war professionell vorbereitet – schon am Samstag vor der Tagung wurde das „Filmposter“ veröffentlicht und auch im Convention Center hingen die Plakate für „The Last CAD Warrior“, die SolidWorks-Adaption von „Die letzten Jedi“. Im ersten Einspieler allerdings zeigte sich, dass Gian Paolo Bassi die x-te Star Wars-Adaption über den Haufen warf und einen neuen Plot verlangte, der mehr Action bieten sollte – aus „The last CAD Warrior“ wurde „Demo-lition“. Gleichzeitig wurde Senior Product Introduction Manager Jeremy Regnerus aus dem Filmteam entfernt, was dieser wiederum nicht gut aufnahm. SolidWorks ist es wieder gelungen, eine turbulente Rahmenhandlung für die Neuigkeiten der Version 2019 zu entwerfen.

Beim eigentlichen Thema, den Neuheiten inm SolidWorks 2019, regte sich zum Teil großer Applaus im Auditorium, zum Teil war die Zustimmung eher verhalten. Ich habe schon mehrmals die Vermutung geäußert, dass SolidWorks – wie viele IT-Unternehmen – jeweils abwechselnd ein größeres und ein kleineres Update veröffentlicht. 2016 kam eine neue Oberfläche, 2017 war eher von kleineren Änderungen geprägt, 2018 kam mit SolidWorks CAM wieder ein größeres Neuheitenpaket. Dann wäre 2019 eher ein ruhigeres SolidWorks-Jahr.

Andererseits ist es inzwischen wirklich nicht mehr einfach, im Kernprodukt – also in der Modellierung – das Rad neu zu erfinden. In einem so reifen System wie es SolidWorks inzwischen ist, geht es eben mehr um die Optimierung als um große Schritte. Mit SolidWorks , und den anderen Neuerungen auf Basis der 3DExperience-Plattform hat das Unternehmen einige wichtige Schritte nach vorn getan, aber eben nicht im Kernprodukt.

Großen Applaus gab es jedenfalls, als gezeigt wurde, dass sich externe Referenzen nun sehr einfach auf der Ebene einzelner Eigenschaften aufbrechen und sperren lassen, was vorher nur für alle Referenzen eines Teils möglich war. Die Referenzen werden zudem im Historiebaum angezeigt – analog zu den 2017 oder 2018 eingeführten Pfeile, die interne Referenzen anzeigen.

Externe Referenzen werden in SolidWorks 2019 angezeigt und lassen sich sperren (Alle Bilder: SolidWorks).

Wenn Baugruppen nach außen gegeben werden, ist es wichtig, das Modell abzuspecken – sei es um die Größe zu verringern, sei es, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Hier hat sich ebenfalls einiges getan. Auch hier überwiegend Zustimmung im Publikum. Zur Weitergabe werden in SolidWorks Baugruppen als Multibody-Teil gespeichert. Dabei lassen sich interne Bauteile nun mit Hilfe eines Schiebereglers interaktiv entfernen. Mit Hilfe einer Bounding Box lassen sich ebenfalls Komponenten gezielt entfernen. Toolbox-Komponenten – also Normteile und Normalien – lassen sich mit einem Knopfdruck gesamtheitlich entfernen. Diese Veränderungen verfälschen die Masse der zum Teil geschrumpften Baugruppe – dem kann nun begegnet werden, indem die Masse der Baugruppe auf das Multibody-Part übertragen wird.

Sehr cool ist die Neuerung bei der Kollisionskontrolle: Stellt man fest, dass beispielsweise ein Teil der Mechanik mit dem Gehäuse eines Produkts kollidiert, lässt sich das Gehäuse an dieser Stelle mit Hilfe der neuen „Partial Chamfer/Fillet“-Funktion im Verrunden/Fase-Dialog aussparen. Neue Handgriffe an der Verrundung beziehungsweise der Fase ermöglichen die direkte Bearbeitung des Features. Ebenfalls sehr viel Zuspruch fand die neue Funktion, die nach Art des Displacement Mapping das Erzeugen von Mustern mit Hilfe einer Height Map ermöglicht. Möchte man beispielsweise ein Riffelmuster auf einem Handgriff erzeugen, erstellt man ein Bitmap des Musters, bei dem helle Bereiche Erhöhungen und dunklere Bereiche Vertiefungen darstellen – oder umgekehrt. Legt man diese Height Map nun auf einen Festkörper, wird eine Netzgeometrie erzeugt, die sich mit Hilfe von Schiebereglern tiefer oder flacher ausprägen lässt.

Partial Chamfer/Fillet ermöglicht das schnelle Änderungen von Bauteilen, wenn eine Kollision auftritt.

Die Touchunterstützung wird erweitert, so unterstützt SolidWorks 2019 das Surface Dial, einen Knopf, den man auf den Bildschirm eines Microsoft Surface-Geräts legt und der dann wie ein Drehregler funktioniert. Handgezeichnete Kurven werden geglättet und in Splines umgewandelt, ebenso Langlöcher. Handschriftliche Notizen lassen sich im Modell speichern.

Viele weitere Neuheiten wären zu erweitern, beispielsweise die kleine, aber feine Neuerungen, dass rotatorische Teile im Zusammenbau automatisch (das ist in den Optionen abschaltbar) eine Zwangsbedingung bekommen, die das Drehen verhindert. Weitere Infos zu SolidWorks 2019 finden sich im SolidWorks-Blog.

SolidWorks Visualize profitiert auf -Grafikkarten von einer Erweiterung, die die Darstellung gerenderter Inhalte beschleunigt. Ich habe mir den Nvidia genauer erklären lassen: Visualize rendert Bilder in aufeinanderfolgenden Render Passes, also Berechnungen des Bilds, die immer detaillierter werden. Das hat gegenüber dem einmaligen Rendern mit voller Auflösung den Vorteil, dass man sehr schnell eine Vorschau des Bilds erhält und gegebenenfalls abbrechen und Änderungen anbringen kann. Auf der anderen Seite verlängern die vielen, nacheinander laufenden Render Passes die Rechenzeit, bis die volle Detaillierung erreicht ist.

Der Visualize Denoiser verkürzt die Rechenzeit beim Rendern.

Der Grafikkartenhersteller hat nun ein neuronales Netz mit zehntausenden von Renderings trainiert, damit dieses abschätzen kann, wie sich Bereiche von Bildern im Laufe der immer detaillierteren Renderläufe entwickeln werden. Diese Erkenntnisse wendet Denoiser auf das Bild an, so dass eine Vergleichbare Qualität, wie sie sonst nach 100 Läufen erzielt wird, beispielsweise schon nach 10 Läufen sichtbar wird. Man kann dann – wenn die Qualität ausreichend für die Anforderungen ist – das Rendern abbrechen und hat viel Zeit gespart. Benötigt man tatsächlich höchste Qualität, lässt man das Rendern eben durchlaufen. Nach Angaben von Nvidia beschleunigt Denoiser das Rendern um das Vier- bis Zehnfache – funktioniert aber natürlich nur auf den Grafikkarten dieses Herstellers.

SolidWorks 2019 unterstützt das glTF-Format, mit dem sich CAD-Geometrien direkt in VR-Szenarien übergeben lassen. das erleichtert das Betrachten von Konstruktionen mit Hilfe von VR/AR-Brillen.

Was ist nun das Fazit in Bezug auf die Neuerungen bei SolidWorks? Ich fand die Aussage sehr wichtig, dass xDesign und Product Designer in Sachen Modellierung ungefähr auf dem Stand von SolidWorks sind. Das Unternehmen geht auf dem Weg weiter, der seit zwei Jahren offensiv vertreten wird: Drei Säulen – Desktopsoftware, Cloud-App und ein Zwischending – nebeneinander und auf absehbare Zeit kein Umschwenken auf Subscriptions. Ich finde diese Strategie schlüssig.

Sehr schön: Displacement Mapping erzeugt schnell Muster auf Oberflächen.

Bestehende und neue Kunden finden in SolidWorks ein etabliertes, ausgereiftes Produkt auf der Höhe der Zeit, eingebettet in ein breites Portfolio von Add-Ins und Zusatzprogrammen für alle denkbaren Einsatzgebiete. Product Designer bietet die Power und Unabhängigkeit des Desktop-Programms, gepaart mit dem Zugriff auf die Segnungen der Cloud beziehungsweise der 3DExperience-Plattform. Und wer ohne Investitionen in Hardware sofort starten möchte mit Entwicklung und Konstruktion, der wird in xDesign eine passende Lösung finden. und mit Power‘by – siehe den Artikel von den ersten beiden Tagen der SolidWorks World – hat Dassault Systèmes die Klammer entwickelt, die das gesamte Portfolio zusammenhält und durchlässig macht.

Ein ganz nüchterner Blick in die Glaskugel: Dassault Systèmes hat mit CGM einen extrem leistungsfähigen Kernel in Catia und mit der 3DExperience eine ebenso leistungsfähige Plattform für alle möglichen Anforderungen. Dassault Systèmes ist dabei, die Werkzeuge auf dieser Plattform immer stärker zu modularisieren, um möglichst zielgenau Industrielösungen schnüren zu können. Das ist übrigens kein neuer Trend, siehe Creo – oder zumindest die Pläne, die PTC mit Creo einst hatte.

Handschriftliche Anmerkungen lassen sich in SolidWorks 2019 im Modell abspeichern.

Bisher hat Siemens den Parasolid-Kernel sehr ambitioniert weiterentwickelt und auch Bereiche wie die Netzverarbeitung seinen Lizenzkunden zugänglich gemacht – wovon das auf Parasolid basierende SolidWorks stark profitiert hat. Trotzdem ist dies aus Dassault-Sicht ein Abhängigkeitsverhältnis, bei dem man am Ende von Siemens und deren Strategie abhängig ist. Da ist es gut, eine Alternative zu haben. Und mit Power’by steht die Lösung bereit, die es bestehenden SolidWorks-Kunden jederzeit erlaubt, mit ihren bestehenden Daten in nativer Form auf die neue Plattform umzusteigen.

SolidWorks wird ständig weiterentwickelt, ist aber im Grunde ein über 20 Jahre altes System – und irgendwann gelangen CAD-System-Implementierungen einfach an ein Lebensende, wie ich in einem Artikel analysiert habe. Das System stammt aus Zeiten, in denen CAD-Systeme auf einem lokalen Rechner und mit einem Kern liefen und Dateien lokal, höchstens mal auf einem Server speicherten. Heute geht es immer weiter weg von dateibasierten, lokalen Ansätzen, Cloud, Datenbanken, verteiltes Rechnen und Vernetzung von Applikationen auf Plattformen sind die Stichworte. Das bedingt einen völlig anderen Ansatz und ist in bestehende Systeme kaum zu integrieren

Insofern macht es für mich Sinn, über die Jahre Product Designer – in welcher Form und unter welchem Namen auch immer – als Nachfolger für SolidWorks und vielleicht auch von Catia aufzubauen. Das Unternehmen hat jedoch offensichtlich keine Eile und sicher auch keine Veranlassung, einen schnellen Schnitt zu machen, SolidWorks wird sicherlich noch für viele Jahre am Markt bleiben. Insofern ist der Kunde in einer komfortablen Lage: Er hat heute ein gutes, ausgereiftes System zur Verfügung, aber auch einen Pfad, der in die Zukunft zeigt und der keine Marketingblase ist, sondern heute schon gangbar ist.

P.S.: Ja, ich weiß, das echte Zitat heißt „To Infinity and Beyond“, aber das fand ich zu dick aufgetragen :-)

P.P.S.: Mein geschätzter Kollege Michael Wendenburg hat sich in seinem Blog zum Thema „Zukunft von SolidWorks“ ebenfalls Gedanken gemacht: Die SolidWorks World und des Kaisers neue Kleider.

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