Der erste große Termin im Journalistenjahr ist für mich die SolidWorks World – nun schon zum zweiten Mal in Folge in Los Angeles. Der Veranstaltungsort ist derselbe geblieben, ansonsten hat sich einiges geändert. Zum einen das Wetter – dem bekannten Lied zum Trotz hatte es im letzten Jahr jeden Tag geregnet – zum anderen das Format der Keynote Sessions. Die Neuigkeitendichte war trotzdem wie in jedem Jahr hoch – vor allem in den Bereichen 3DExperience, IoT und additive Manufacturing.
Statt großer Blöcke – Montag großer Überblick, Dienstag Community und Mittwoch die Neuigkeiten – wurden die Themen bei den morgendlichen Keynotes bunt durcheinandergewürfelt. Das machte die Vorträge auf der einen Seite abwechslungsreicher, auf der anderen Seite ist es für mich schwieriger, zu berichten, da viele wichtige Themen eher nur angerissen wurden und wohl erst am dritten Tag voll aufgelöst werden.
Nichtdestotrotz gibt es einiges zu berichten: SolidWorks öffnet sich der 3DExperience Cloud. Fünf Neuheiten verkündete CEO Gian Paolo Bassi: Alle SolidWorks-Kunden könne ab sofort das Tool SolidWorks Social Collaboration Services nutzen. Diese auf der 3DExperience Plattform laufende Anwendung ermöglicht es Teams, in der Cloud in einer offenen Weise wie in WhatsApp oder Facebook zu diskutieren, Daten auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Das hat gegenüber anderen Cloudangeboten wie Dropbox den Vorteil, dass es stärker in SolidWorks integriert und vor allem besser zu administrieren ist. So lassen sich der Zugriff durch ausgeschiedene Mitarbeiter auf die Daten durch das Ändern der Zugangsdaten sofort unterbinden und die Zugriffsrechte genau definieren.
Neben dem im letzten Jahr angekündigten, jetzt auch verfügbaren PDM Manage gibt es über SolidWorks PDM hinaus nun auch die Möglichkeit, SolidWorks an die 3DExperience Cloud und damit an die „großen“ Lösungen wie Enovia für PLM und Delmia für die Fertigungsplanung anzubinden. Die SolidWorks 3DExperience PLM Services werden am dritten Tag genauer präsentiert, so dass ich hier noch nachliefern muss.
Ende 2017 hat Dassault Systèmes mit Power’by eine wichtige Erweiterung der 3DExperience präsentiert. Die Gelehrten streiten sich darüber, ob es sich um eine Strategie, ein Produkt oder eine Technologie handelt, kurz gefasst ermöglicht es Power’by, Inhalte aus Catia V5 und SolidWorks – und später auch anderen CAD-Systemen – in das Catia V6- bzw. MatrixOne-basierte Datensystem der 3DExperience zu integrieren. Und das nativ, das heißt ohne Verlust an Intelligenz im Modell. Damit kann das Unternehmen SolidWorks nahtlos an die Cloudangebote der 3DExperience ankoppeln und damit die Services, die die Cloudplattform bietet, den Anwendern dieses Systems verfügbar machen. Und auch die Konnektivität zwischen SolidWorks und Catia, die lange Jahre schlicht nicht existierte, ist damit nun gegeben.
Dritte Neuheit: SolidWorks Product Designer. Dabei handelt es sich um ein CAD-System, das als Hybridsystem zwar eine Cloudanbindung hat, aber auch einen auf dem lokalen Rechner installierten Anteil hat. Die Modellierfähigkeiten entsprechen nach Aussage von Uwe Burk, Country Manager Central Europe bei SolidWorks, denen des heutigen Desktop-Systems. Im Unterschied zu SolidWorks ist es aber in einem App-Konzept aufgebaut – also stark modularisiert – und eben nicht mehr dateibasiert, die Daten werden in der 3DExperience-Cloud gespeichert. Product Designer kann SolidWorks-Dateien öffnen und ist durch seine Verankerung in der Cloud und die Power’by-Technologie auch mit Catia kompatibel.
Ebenfalls kompatibel ist der Product Designer zur vierten Neuheit, xDesign. Über das Produkt hat Gian-Paolo Bassi vor zwei Jahren erstmals gesprochen, ich habe in meinem Bericht zur SolidWorks World 2016 einiges dazu geschrieben. xDesign ist ein Cloud-CAD-System, das sich mit Stift oder Finger auf dem Tablet bedienen lässt und sozusagen die „Quick-and-dirty“-Modelliervorstufe für die anderen Systeme darstellt. Als Cloudanwendung läuft xDesign auf praktisch jeder Hardware, Die Software ist derzeit in der Beta, soll aber dieses Jahr an Reseller und Keykunden ausgerollt werden, so dass Ende 2018 „mehrere Tausend User“ – Zitat UX Manager Kishore Koyalabuntla – mit der Software produktiv arbeiten.
Die letzte Neuheit ist 3DExperience Marketplace Make. Dassault Systèmes baut auf Basis der 3DExperience einen Marktplatz auf, mit dem das Unternehmen das „Amazon für Ingenieure“ werden möchte, wie Bassi es ausdrückte. Ich habe die erste Idee von diesem Thema im letzten Mai in Mailand bekommen, wo Dassault-Systèmes-CEO Bernard Charles den 3D Printing Service vorstellte, eine Art Kontaktbörse für 3D-Druckdienstleiter und ihre Kunden. Dabei hat der Service die Möglichkeit, den optimalen Lieferanten für die Anforderungen des Kunden auszuwählen.
Diese Idee wird nun im Marketplace Make auf alle Fertigungsverfahren und Komponenten ausgedehnt, Nutzer können in der neuen Plattform nach Lieferanten von Bauteilen oder PCB-Platinen, aber auch von Komponenten suchen. Es wurde gezeigt, wie der SolidWorks-Anwender einen Elektromotor aus dem Marktplatz direkt in seine Konstruktion zog, wo das 3D-Modell auftauchte. Der Marketplace besitzt eine geometrische Ähnlichkeitssuche, so dass man beispielsweise in xDesign ein Bauteil skizzieren und dieses dann im Marketplace auf Basis der Geometrie suchen könnte. Auch Paymentfunktionen sind direkt integriert.
Damit greift Dassault Systèmes Lieferantenportale wie Techpilot und Teilekataloge wie Cadenas oder Traceparts direkt an. Ob die Marktmacht von Dassault ausreicht, um seinen Marktplatz gegen diese etablierten Spieler durchzudrücken.
Ansonsten waren die ersten beiden Tage wieder hochinformativ und von dem typischen SolidWorks-Spirit geprägt – ein echtes Familientreffen eben. Über die Themen 3D-Druck und IoT werde ich noch zu berichten haben.
Wir sind einer der größten SolidWorks-Kunden in Deutschland und interessiert an der Öffnung Richtung 3DX. Wäre vielleicht eine Möglichkeit relativ einfach das Dritthersteller-PLM gegen ein mächtiges Enovia in der Cloud zu tauschen. Die anderen Mehrwerte erschließen sich aber mir noch nicht ganz. Social Collaboration Services als neuer Kanal neben E-Mail, Slack etc. weil es angeblich besser zu warten ist? Kaufe ich nicht ab. Fremder Marketplace mit Provisionen statt eigener ERP-angebundener Einkaufsplattform? Sehe ich auch keine Chance außer halt für Bestellung einmaliger Prototypen.
Bin gespannt auf den Bericht vom dritten Tag!
Danke für das Feedback. Bericht vom 3. Tag kommt, allerdings muss ich die Ausblicke auf 2019 zusammensuchen. Eine gute Abdeckung der Neuigkeiten finden Sie im SolidWorks Blog
Gruß, Ralf Steck
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