Da ich letzten September so schön über SolidSteel berichtet hatte, lud mich die Ingenieurgemeinschaft Klietsch GmbH diese Woche nach Siegen zum Beta-Launch der Software ein. Im Rahmen dieser Veranstaltung bekamen die namhaften SolidWorks-Partner aus dem deutschsprachigen Raum die erste Vorabversion der Stahlbaulösung für SolidWorks gezeigt. Wir konnten sogar die Beta installieren und ausprobieren. Schon jetzt zeigt die Software ihr Potential, auch wenn dem augenblicklichen Beta-Stand noch einige wichtige Funktionen fehlen.
Stahlbau ist überall, zeigte Firmenchef Matthias Klietsch in seiner Präsentation. Vom Eiffelturm über Stahlbauhallen bis hin zu Anlagen und Maschinen – überall finden sich Tragwerke aus Stahlprofilen. Die Schwierigkeit bei der CAD-Modellierung von Stahlbaukonstruktionen ist zum einen die hohe Anzahl an Teilen, aus denen eine solche Konstruktion besteht und die vor allem parametrische CAD-System schnell an den Rand der Leistungsfähigkeit bringen. Zum anderen bestehen solche Konstruktionen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Profile, Knotenbleche, Kopf- und Fußplatten, die, wenn man sie einzeln modellieren müsste, viel Arbeit machen. Und nicht zuletzt pflegt der Stahlbau einige Besonderheiten beispielsweise in Bezug auf Zeichnungen und Stücklisten.
Eine Stahlbaulösung muss also das CAD-System von der Komplexität der Stahlbaugruppe entlasten, Bibliotheken von Bauelementen mitbringen und die genannten Besonderheiten abbilden. Und das Ganze soll dann noch nahtlos in das CAD-System integriert sein, mit herkömmlichen Modellen in Baugruppen zusammenarbeiten – beispielsweise, wenn eine Maschine in einem Stahlbaugerüst aufgebaut werden soll – und die anderen Elemente des CAD-Systems, beispielsweise die Simulation, nutzen können. Eine große Aufgabe, der sich die Stahlbauspezialisten von Klietsch schon seit vielen Jahren stellen, in denen sie zunächst eine Lösung für ME10 entwickelten, die sich mit dem CAD-System weiterentwickelte und heute mit PTC Creo Direct/Elements zusammenarbeitet. Seit einiger Zeit entwickelt Klietsch eine Version seiner Software die Parametrik unterstützt. Diese kommt nun in zwei Versionen auf den Markt, als Plugin für NX und SolidWorks. Ein wichtiger Kniff dabei: SolidSteel besitzt eine eigene Parametrik-Engine, die das CAD-System entlastet, aber dazu später mehr.
Der Konstruktionsprozess im Stahlbau gliedert sich in vier Stufen, wie Klietsch weiter zeigte: Entwurfskonstruktion, statische Berechnung, Detailkonstruktion und Folgeprozesse. In der Entwurfskonstruktion wird ein Modell der Tragwerkbaugruppe erstellt, dessen Tragfähigkeit dann im zweiten Schritt mit Hilfe von FEM analysiert wird. In der Detailkonstruktion entsteht das endgültige Modell des Tragwerks, im letzten Schritt dann die benötigten Zeichnungen, Stücklisten, Sägelisten und NC-Programme.
Das Hauptmenü von SolidSteel wird wie andere SolidWorks-Zusatzprogramme als ein Ribbon eingeblendet, beim Aufruf von Funktionen öffnet sich wie üblich links im Hauptfenster eine Leiste, in der die Optionen der Funktion definiert werden können. Die Basis jeder Stahlbaukonstruktion ist eine 2D- oder 3D-Skizze mit Konstruktionslinien. Der erste Menüpunkt im SolidSteel-Ribbon ist der Punkt Profile. Hinter SolidSteel steht eine breite Palette von Vorlagen für Stahlbauprofilen, so dass der Anwender hier die Auswahl zwischen allen typischen U-, I-, T-, L- Flach- und anderen Profilen hat. Clever: Neben dem OK- und dem Abbruch-Symbol oben in der Leiste ermöglicht es ein drittes Symbol, die Funktion „anzupinnen“, das heißt, dass nach dem Abschluss beispielsweise einer Kopfplattendefinition der Befehl wieder aktiv wird und man die nächsten beiden Profile anwählen kann.
Die Bibliothek enthält aber auch Kopfplatten, mit denen zwei Träger verbunden werden, Knotenbleche zum Anschweiße und -schrauben sowie Rahmenecken. Weitere Buttons ermöglichen das Erzeugen von Rippen oder Schnitten zwischen zwei Profilen. So lassen sich Stahlbaukonstruktionen schnell zusammenklicken. Aktuelle Einschränkung in der Betaversion: Kopfplatten lassen sich nur an I-Trägern anbringen, nicht an anderen Profilen. Die Programmierer bei Klietsch arbeiten mit Hochdruck daran, diese und andere „Fehlstellen“ der Software zu füllen.
Der Betastatus der Software zeigte sich auch bei der Präsentation des Assembly Managers, die zum Ende nicht funktionierte; inzwischen ist allerdings das Demomodell aktualisiert, der Fehler ist behoben. Der Assembly Manager dient dazu, vorgefertigte Profilbaugruppen in ein Modell einzufügen, so lassen sich beispielsweise komplette Profil“leitern“ abspeichern und bei Bedarf zu kompletten Gerüsten zusammenstellen. Nach dem Einladen der vorgefertigten Baugruppe definiert der Anwender, welche Eckpunkte der Baugruppe mit welchen Skizzenpunkten übereinstimmen sollen. Die Software passt dann die „Leiter“ an die vorgegebenen Abmessungen an.
Nun zeigt sich der Unterschied zwischen SolidWorks- und SolidSteel-Parametrik: Bis hierhin arbeiteten die beiden Systeme geräuschlos parallel, nun aber, wenn SolidWorks die Länge und Position der „Leitersprossen“ verändert, hängen die Quer- und Diagonalstreben in der Luft und sind zu kurz. In diesem Fall muss der Anwender mit einem Klick im SolidSteel-Ribbon die Aktualisierung der SolidSteel-Parametrik manuell anstoßen und die Konstruktion passt sich an die neuen Gegebenheiten an. Dies ist notwendig, weil die beiden Parametriksysteme voneinander unabhängig sind, was wiederum die hohe Performance ermöglicht. Baugruppen lassen sich auch einzeln aktualisieren.
Per Knopfdruck erzeugt das System Einzelteildateien und -zeichnungen jeder einzelnen Platte und jedes Profilteils. Auch Stücklisten lassen sich automatisch erzeugen und auf der Zeichnung einblenden oder in Excel exportieren. Bei der Erstellung werden die Profilteile geometrisch verglichen und Gleichteile zusammengefasst – es reicht nicht, dass zwei Profile aus dem selben Rohmaterial bestehen und in der selben Länge vorliegen, es werden auch Bohrungen und andere Geometriemerkmale verglichen.
In der aktuellen Beta fehlen noch einige Features, beispielsweise Ausklinkungen, die jedoch im offiziellen Release integriert sein sollen. Auch die Zeichnungen, die das System erzeugt, sind noch alles andere als normgerecht. Ich habe jedoch keine Sorge, dass bis zur Markteinführung im zweiten Quartal 2018 alle wichtigen Features funktionieren – und habe dafür zwei gewichtige Gründe. Erstens haben die Klietsch-Verantwortlichen einen zwar sportlichen, aber dafür gut durchdachten Zeitplan, in dem sie beispielsweise wichtige und komplexe, aber nicht entscheidende Featurebereiche wie Treppen, Geländer, Statik und FEM ins zweite Halbjahr 2018 und später verschoben haben. So können diese relativ aufwändig zu implementierenden Themen den Start des Grundsystems nicht gefährden.
Beim Thema FEM haben die Entwickler übrigens vor, tatsächlich SolidWorks Simulation zu nutzen, das laut Matthias Klietsch Stabwerke berechnen kann und sich damit für die Statikberechnung an Profiltragwerken gut eignet. Ebenfalls später – im Herbst 2018 soll die NC-Anbindung kommen, die ein eigenes Modul bilden soll und bei Bedarf separat gekauft werden muss
Aktuell benötigt SolidSteel die neue SolidWorks-Version 2018, 2017 soll auch funktionieren, wird aber nicht offiziell empfohlen. Sebastian Klietsch sagte, man unterstütze üblicherweise die letzten drei Versionen eines CAD-Pakets, habe jedoch bei der neuen Software nicht „nach hinten“ entwickeln wollen. Das bedeutet, dass die SolidSteel-Version des Jahres 2020 die Versionen 2018, 2019 und 2020 unterstützen wird und danach mit jeder neuen Version eine alte Version aus der offiziellen Kompatibilität fällt.
Zweitens wissen die Klietsch-Leute, was sie tun und haben die entscheidenden Probleme gelöst. Die noch anstehenden Themen bedingen vor allem eine Erweiterung der Bibliotheken – und das ist am Ende des Tags Fleißarbeit. Hier werden sich keine fundamentalen Probleme mehr auftun. Schließlich entwickelt Klietsch seit Jahrzehnten seine Stahlbaulösung und hat in der „Ursoftware“ sehr komplette Bibliotheken erstellt. Diese müssen nun in SolidWorks nachgebaut und umgearbeitet werden – aber die Grundarbeit ist getan.
Deshalb lehne ich mich hiermit aus dem Fenster und empfehle jedem, der in seinen Produkten Stahlbauelemente verbaut, mindestens die Teilnahme am Betatest ab 09. April 2018 – der über die einschlägigen SolidWorks-Vertriebspartner läuft – wenn nicht sogar das Ausnutzen des Early-Bird-Angebots für SolidSteel. Entscheidet man sich während der Betaphase für den Kauf der Software, bekommt man das Design Package – in dem man die Stahlbauten konstruiert – für 3.333 Euro statt für den späteren Verkaufspreis von 5.490 Euro. 40 Prozent gespart – bei einer Software, die Anwendern aus dem Stahlbau extrem viel Arbeit ersparen wird.