Terry Wohlers ist ein im 3D-Druck-Bereich bekannter US-amerikanischer Analyst und Berater – er organisierte unter anderem den AM-Kongress der Euromold in deren letzten guten Jahren. Jedes Jahr beleuchtet er in seinem umfangreichen Wohlers Report den Markt der additiven Technologien, nun ist die neueste Version erschienen. Der Wohlers Report 2018 belegt, dass der 3D-Druck mit Metallwerkstoffen nicht mehr nur „vor dem Durchbruch steht“, sondern mitten in diesem befindlich ist. Er zeigt eine Steigerung der Zahl verkaufter Maschinen um 80 Prozent – von 983 Systemen im Jahr 2016 auf 1.758 Anlagen im Jahr 2017.
Die Grafik zeigt eine schöne exponentielle Entwicklung: Was im Jahr 200 noch bei knapp über 0 verkauften Systemen begann und dann bis etwa ins Jahr 2010 zwischen 100 und 200 Maschinen pro Jahr dümpelte, explodiert seither geradezu. Auch die Zahl der Unternehmen, die industrielle AM-Maschinen – das sind nach Wohlers‘ Definition Systeme mit einem Verkaufspreis über 5.000 Dollar – produzieren und verkaufen, ist im letzten Jahr stark gestiegen, von 97 auf 135 Firmen. Der Gesamtumsatz des AM-Markts stieg um 21 Prozent oder 1,25 Milliarden Dollar.
Das Buch geht weit über die reine Marktbeobachtung und -analyse hinaus: Beschreibung von Verfahren, Vorstellung der Anbieter, der Forschungsprojekte und vieles mehr findet sich im Inhaltsverzeichnis des Wohlers Report. Der komplette Report mit seinen 344 Seiten ist kostenpflichtig und kann hier für 495 Dollar in PDF-Form erworben werden. Die gedruckte und gebundene Version kostet 595 Dollar. Wohler treibt großen Aufwand bei der Erfassung seiner Daten und bei der Erstellung des Wohlers Report, in diesem Jahr wurden 94 Service Provider, 64 Hersteller von AM-Maschinen und 19 Anbieter von Materialien oder Desktopdruckern befragt. 110 akademische und 11 Forschungseinrichtungen werden mit ihren Aktivitäten beschrieben. Am Wohlers Report arbeiten 76 Co-Autoren aus 32 Ländern mit.
Die frei verfügbaren Daten sind schon interessant genug und beweisen vor allem eins: Um AM, 3D-Druck, Rapid Prototyping bzw. Production – wie immer man das nennen will – ist es zwar in der öffentlichen Wahrnehmung ruhig geworden, aber in der industriellen Anwendung geht die Post ab. Die Durchsetzung der Unternehmen mit 3D-Druck ist nach wie vor gering und vor allem auf den Prototypenbereich beschränkt. Mal ehrlich: knapp 1.800 verkaufte Anlagen im Preissegment über 5.000 Dollar weltweit – das ist gar nichts im Vergleich beispielsweise zur Anzahl verkaufter Fräszentren oder anderer komplexer Fertigungsmaschinen. Wenn AM schließlich einmal in der realen Produktion ankommen, werden wir fünfstellige Stückzahlen verkaufter Maschinen pro Jahr sehen.
Und nicht nur bei Stückzahlen, auch in der Technologien ist noch viel Luft drin: Neue Anbieter wie zuletzt XJet kommen nach wie vor in beeindruckender Zahl auf den Markt, was dafür spricht, dass die Technologie und der Markt sich weiterhin stürmisch entwickeln. Man muss sehen, dass es sich beim den neuen Spielern meist nicht um „Me Too“-Anbieter handelt, die eine bestehende Technologie oder ein schon gängiges Geschäftsmodell „auch nochmal“ auf den Markt bringen, sondern es handelt sich um neue Verfahren oder neue Geschäftssegmente wie bei HP.
Der gesamte AM-Markt befindet sich nicht in einer Verdrängungs-, sondern in einer Diversifizierungsphase, in der immer neue Anwendungen gefunden und kommerziell ausgebeutet werden. Wenn allerdings Terrys Kurve so weiter nach oben geht, laufen wir vor allem bei den deutschen AM-Anbietern in ein neues Problem: Wie schnell lässt sich die Produktion hochfahren, wenn die Nachfrage explodiert?
Einer der größten Anbieter hierzulande, EOS, baute im Geschäftsjahr 2016/2017 450 Anlagen. Das ist im Vergleich zu Werkzeugmaschinen oder anderen Bereichen eher Manufaktur- als Serienproduktion. Es geht ja nicht einfach darum, einfach mehr Leute einzustellen, die dann mehr Maschinen zusammenbauen – das dürfte schon schwierig genug sein. Wenn man eine Produktion, verdoppeln, verdreifachen oder vervierfachen möchte, muss man Prozesse ändern, Investitionen tätigen und das Wachstum ohne Qualitätsverlust managen können. Ich habe darüber vor einem Jahr schon einmal geschrieben.
Da haben Großkonzerne wie GE, die sich mit Concept Laser und Arcam schon interessante Firmen gekauft haben, ganz andere Möglichkeiten. Man bekommt davon einen Eindruck, wenn man liest, wie GE Concept Laser umgebaut hat. Das neue Unternehmen GE Additive hat die Mitarbeiterzahl in einem Jahr von 450 auf 1.100 Mitarbeiter erhöht.
Eins ist sicher: Es ist interessant im AM-Markt, und es wird noch eine Weile interessant werden. Und mir wird nicht langweilig werden beim Begleiten dieses Markts.