Eine Kollegin schrieb eben in ihrem Newsletter: „Autonomes Fahren wird irgendwann Teil unseres Alltags sein.“ ZF Friedrichshafen hat – wie viele andere Autozulieferer – das autonome Fahren als Spielfeld der Zukunft entdeckt. Die zugehörige Vision heißt „Vision Zero“, das passende Auto „Vision Zero Vehicle“ – Null Unfälle, null Emissionen. Für mich klingt das eher nach Null Ideen, Null Verständnis von Zusammenhängen und Naturgesetzen.
Ein Naturgesetz – wenn auch ein inoffizielles – ist Murphys Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Ingenieur Captain Edward A. Murphy hat das schon 1949 klar erkannt. Das Gesetz gilt auch für das autonome Fahren. Nimmt man den Fahrer aus der Verantwortung beziehungsweise dem Geschehen heraus, werden eben nicht „null Unfälle“ das Ergebnis sein, sondern andere Unfälle.
Wer überhaupt auf die Idee kommen kann, dass Computer absolute Zuverlässigkeit beziehungsweise Unfallfreiheit garantieren können, kann eigentlich noch nie mit Computern zu tun gehabt haben – die Worte Absturz, Bug oder auch Einfrieren haben ja erst durch die IT neue Bedeutungen erhalten. Warum sollte ich den besten Steuerungscomputer, der auf dieser Welt existiert – das menschliche Gehirn – und das beste verfügbare Sensorenarray – die menschlichen Sinne – abschalten, um sie durch technische Krücken zu ersetzen, die nur mit immensem Aufwand in der Lage sind, das Auto auf der Straße zu halten?
Zero Emission ist ein ebenso fragwürdiges Ziel. Der Energieerhaltungssatz gibt vor, dass irgendeine Quelle Energie ins System pumpen muss, wenn sich ein Auto bewegen soll. Und die Thermodynamik erklärt, dass das nicht ohne Verluste passieren wird. Die Energie in der Batterie eines Elektroautos muss also irgendwo erzeugt werden, und je mehr „Umstände“ es braucht, die Energie an die Motoren zu bringen, desto mehr Verluste. Über die Emissionen, die zumindest beim aktuellen und mittelfristigen Energiemix statt am Auto eben im Kraftwerk entstehen, muss ich hoffentlich kein Wort verlieren.
Aber bleiben wir beim autonomen Fahren. Ein Artikel im Spiegel hat es sehr schön auf den Punkt gebracht: Zwei der drei wichtigsten Systeme im Auto – Kamera und Laserscanner – sind extrem wetterabhängig, weshalb die Tests der US-Firmen, die am autonomen Fahren basteln, in Kalifornien oder Arizona stattfinden, wo es sehr selten regnet. Damit hat sich der aktuelle Stand der Technik im Bereich autonomes Fahren für den praktischen Einsatz disqualifiziert. Wer wissen will, was passiert, wenn man ein US-amerikanisches Schönwetter-High-Tech-Gerät nach Mitteleuropa bringt, möge bitte unter „Starfighter-Affäre“ nachlesen.
Der aktuelle Unfall eines Uber-Fahrzeugs in Arizona – hier das von der Polizei veröffentlichte Video der Kameras im Auto – zeigt das ganze Elend: Eine Fußgängerin schiebt im Dunkeln ein Fahrrad über die Straße und wird vom Uber-Testwagen erfasst. Der Unfall hätte jedem menschlichen Fahrer passieren können, die Fußgängerin ist erst in letzter Sekunde sichtbar. ABER: Warum zeigten die eigentlich überlegenen Sensoren wie Radar oder Laserscanner, die von der Dunkelheit nicht eingeschränkt werden, nichts? Gerade diese Systeme hätten den Unfall verhindern können, sie müssen die Fußgängerin im Dunkeln erkennen können, vor allem wenn diese ein großes Stück Metall – ihr Fahrrad – mit sich führt.
Wir stehen hier wieder vor der selben Frage wie bei dem tödlichen Unfall eines Tesla-Fahrers. Dort hatte die Kamera nichts erkannt und der Laserscanner eine Schilderbrücke identifiziert. In Wahrheit handelte es sich um einen querenden Sattelschlepper, unter dem der Tesla mit voller Geschwindigkeit hindurchfuhr. Dabei verlor das Auto sein Dach und der Fahrer sein Leben. Ich habe hier schon geschrieben, wie es sein kann, dass zwei Sensoren widersprüchliche Daten liefern und die Steuerung beschließt, einfach weiterzufahren statt in einen Notstopp zu gehen. Hier haben wir das selbe Problem: Kamera sieht nichts, Radar oder Laserscanner müssen angeschlagen haben – keine Reaktion.
Der zweite Punkt ist für mich noch wichtiger: Der zweite Teil des Videos zeigt die Fahrerin, die im Uber-Auto eigentlich Unfälle verhindern sollte. Sie liest offensichtlich etwas unter dem Armaturenbrett, zumindest schwenkt ihr Blick immer wieder nach schräg unten zu ihrem Buch oder Smartphone. Dazu ist ihr meiner Meinung nach kein Vorwurf zu machen – wer sitzt denn völlig aufmerksam stundenlang am Lenkrad eines Autos, das man nicht selbst fährt. Ich selbst schlafe auf dem Beifahrersitz ständig ein. Man sieht sehr gut, dass sie bis zur letzten Sekunde nicht versteht, was vor sich geht. Dazu gibt es auch Untersuchungen, Fahrer brauchen mehrere Sekunden, um sich bei einem Alarm deines autonom fahrenden Autos zu orientieren und dann zu reagieren. Dass das zu lang ist, liegt auf der Hand.
Fazit: Die Technik ist extrem wetterempfindlich, kann Unfälle nicht vermeiden und sorgt dafür, dass der „Fahrer“ abgelenkt ist und auch keine Sicherheit bringt. Ich sehe wenig Hoffnung, dass dies besser wird und wir außerhalb eng umrissener Szenarien – Stau, Einparken – auf absehbare Zeit autonome Autos sehen werden – hoffentlich!