Der digitale Wandel erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Neue, digitale Geschäftsmodelle werden möglich, Unternehmen müssen sich auf die veränderte Welt ewinstellen und neue digitale Geschäftsmodelle finden und umsetzen. Doch wie findet man diese Geschäftsmodelle? Ich will mit Hilfe eines Gedankenexperiments Wege zu diesen neuen Modellen aufzeigen. Basis des Gedankenexperiments ist ein komplexes System, das wir alle kennen: Ein Flughafen. An diesem Beispiel lässt sich schön zeigen, wie sich die Geschäftsmodelle der Zukunft identifizieren lassen.
Eine der Kernbotschaften der Digitalisierung ist der Wechsel weg vom Vertrieb physischer Produkte und hin zum Anbieten oder Vermitteln von Dienstleistungen. Das bekannteste Beispiel sind Triebwerkshersteller, die keine Flugzeugturbinen mehr verkaufen, sondern diese in Jets einbauen und pro Flugstunde abrechnen, oder auch Kompressorhersteller, die in Zukunft Kubikmeter Druckluft verkaufen. Eine andere Ausprägung sind Dienste wie Uber, die nicht selbst Dienstleistungen anbieten, sondern diese vermitteln und dafür eine Provision kassieren.
Wie lässt sich das auf die Reise und den Flughafen übertragen? Die Reise selbst zu virtualisieren ist sinnfrei, denn es ist ja gerade der Transport und das Sein an einem anderen Ort, die das Reiseerlebnis ausmachen. Und ein „Flugzeug-Uber“ wollen wir uns gar nicht erst vorstellen.
Doch es gibt ein notwendiges Übel, das immer wieder Kummer bereitet und aus dem sich – zumindest nach Ansicht von Anbietern wie Dufl – mit Hilfe der Digitalisierung ein Geschäftsmodell entwickeln lässt: Das Gepäck. Dufl übernimmt nicht nur den Gepäcktransport, sondern sogar das Waschen und Packen. Der Service, der sich vor allem an Business Traveller richtet, funktioniert wie folgt:
Nach dem Installieren der App und der Registrierung bestellt man einen „Welcome Kit“ in Form eines Koffers, der ins Haus geliefert wird. In diesem Koffer packt man nun alle Kleidung, die man gewöhnlich auf Reisen mitnimmt und lässt ihn abholen. Dufl fotografiert, reinigt und lagert die Kleidung im Koffer. Geht man auf Geschäftsreise, wählt man nun in der App anhand der Fotos die gewünschten Kleidungsstücke und nennt sein Ziel. Der Koffer mit dem gewünschten Inhalt erwartet den Nutzer dann schon im Hotel am Ziel. Bei der Abreise lässt man den Koffer von Dufl im Hotel abholen, der Anbieter wäscht dann die benutze Kleidung und lagert sie wieder bis zur nächsten Reise ein.
Digitale Geschäftsmodelle: Was lässt sich virtualisieren?
So gruselig sich das anhören mag – wer möchte denn wirklich, dass seine Unterwäsche von einem Dienstleister gewaschen und neu gepackt wird? – so interessant ist das Dufl-Konzept als Beispiel für die Auswirkungen der Digitalisierung: Ein physikalisches Ding – mein Gepäck – wird sozusagen virtualisiert, indem es immer nur dann auftaucht, wenn – und wo – ich es brauche. Man muss nur den Teil oder die Produkte in einem Szenario finden, die sich für solch eine Transformation eignen.
Was sind die besonderen Eigenschaften, die das Gepäck zum Kandidaten für digitale Geschäftsmodelle macht? Vor allem die Tatsache, dass es ein notwendiges Übel ist. Man benötigt den Koffer ja eigentlich nicht während des Transportprozesses, erst am Reiseziel bekommt das Gepäck seine Aufgabe, indem die Kleidungsstücke darin benutzt werden. Deshalb kann es ein Dienstleister von der Personenreise „lösen“ und getrennt transportieren. So ähnlich ist es bei den oben genannten Beispielen: Kein Unternehmen benötigt einen Kompressor, sondern eben nur die Druckluft. Deshalb lässt sich der Kompressor virtualisieren, aus dem Spiel nehmen, indem die Dienstleistung der Druckluftbereitstellung nach Verbrauch abgerechnet wird.
Wie findet man also die neuen, digitalen Geschäftsmodelle? Man reduziert alle Elemente eines Produkts auf ihren eigentlichen Sinn und überprüft dann, ob dieser Sinn noch erfüllt werden kann, wenn das Element entfernt beziehungsweise virtualisiert werden kann. Lässt sich diese Frage mit „Ja“ behandelt, ist dies ein heißer Kandidat für ein Dienstleistungsszenario.
Es wird sicherlich noch lange dauern, bis die Flughäfen ihre Gepäcksortieranlagen stilllegen, weil alle Passagiere ihr Gepäck per Dienstleister transportieren lassen. Und der Hersteller der Sortieranlage findet dann eben seinen Kunden in diesem Dienstleister statt im Flughafenbetreiber. Aber das Beispiel zeigt sehr schön, wie sich die Transformation in ein Dienstleistungs-Geschäftsmodell angehen lässt.