Ich verliebe mich ja gerne mal spontan in ein Testgerät, beispielsweise in das ZBook 14, die ASUS-27-Zoll-Monitore und eigentlich die gesamte 3DConnexion-Produktpalette. In das erste Workstation Detachable HP ZBook X2 G5 hatte ich mich schon vorher verliebt, im Alltag bekam die Liebe nun – wie so oft im richtigen Leben – einige Kratzer. Mit dem neuen Rechnerformat präsentiert HP eine ungewöhnliche Lösung, die auch für CAD-Anwender interessante Features bietet. Ich habe das mit SolidWorks 2018 getestet, das erstmals Freihandskizzenfunktionen für Stiftbenutzer besitzt.
Vorbemerkung: Ich beschränke mich hier im Test vor allem auf die Usability dieses ungewöhnlichen Rechners. Technische Daten sind auf der HP-Website zu finden – allerdings bei Erscheinen des Artikels noch die der vierten Generation, die G5 sollte mit neuen Prozessoren (Intel Quad Cores der achten Generation) eigentlich schon auf dem Markt sein, ist aber bei HP nicht zu finden.
Ein Detachable ist ein Mobilrechner, bei dem der komplette Rechner hinter dem Bildschirm positioniert ist. Die untere Hälfte – wo bei einem normalen Notebook die Hardware sitzt – besteht lediglich aus einer Tastatur, die vom Bildschirmteil abnehmbar – auf Englisch „detachable“ – ist. Der Rechner lässt sich also auch wie ein Tablet ohne Tastatur benutzen – was wiederum ein Touchdisplay voraussetzt. Im Prinzip ist das Detachable die erwachsene Version eines Tablets mit Tastaturhülle. Das ergibt in Verbindung mit Windows 10 und dessen Tabletmodus, Touch- und Stiftunterstützung eine Workstation, die auf viele verschiedene Arten einsetzbar ist. Das Detachable ist sicherlich die flexibelste aktuelle Gehäuseform.
Allerdings erkauft man sich diese Flexibilität mit Nachteilen. Zum ersten ist die Statik des Geräts eigentlich „falschrum“. Beim Notebook bildet die schwerere Hälfte sozusagen die Basis, das Gerät steht im aufgeklappten Zustand von selbst. Das erleichtert beispielsweise das Arbeiten, wenn man den Rechner auf dem Knie balanciert. Beim Detachable ist der Tabletteil im Verhältnis zur ultradünnen Tastatur weit schwerer und steht deshalb nicht von selbst. HP hat deshalb hinten am Tabletteil einen U-förmigen Ständer angebracht, der sich stufenlos in einem sehr weiten Winkel ausklappen lässt. So kann man den Winkel, in dem der Bildschirm liegt, schön flexibel einstellen.
Die Tastatur ist über eine Magnetleiste mit dem Gehäuse verbunden, die Verbindung ist so fest, dass man keine Angst haben muss, dass sich die Teile voneinander lösen. Obwohl der Tastaturteil per Bluetooth angeschlossen ist, finden sich in der Verbindung einige elektrische Kontakte, die unter anderem dazu dienen, die Tastatur zu laden. Der Tastaturteil enthält ein Touchpad, aus meiner Sicht leider ohne einzelne Maustasten; dafür lässt sich das Touchpad insgesamt etwas drücken, was je nach Position als rechter oder linker Mausklick interpretiert wird. Im Touchpad ist übrigens eine NFC-Antenne integriert, seitlich zudem ein Smart-Card-Slot. Die Tastatur bietet in Anbetracht dessen, dass der gesamte Tastaturteil nur knapp 5,5 Millimeter dick ist, erstaunlich angenehmes Tippgefühl – und ist sogar beleuchtet! Übrigens lässt sich die Tastatur mit einem weiteren Magnet schräg gestellt an den Bildschirm „kleben“, um sie schräg aufzustellen.
Ein weiteres wichtiges Utensil ist der auf Wacom-Technologie basierende Stift, der 4096 Druckstufen darstellt. Er lässt sich mit unterschiedlichen Spitzen ausstatten, die Hülle hat dazu ein praktisches Loch zum Ziehen der Spitze und drei Laschen für Ersatzspitzen. Wer den Stift nicht einzeln herumtragen möchte, kann eine Lasche benutzen, die in den SmartCard-Einschub der Tastatur gesteckt wird. Das ist praktisch, hat aber zwei Nachteile: Erstens benutzt man den Stift ja vor allem, wenn man die Tastatur nicht nutzt. Die Stifthalterung sollte also logischerweise am Tabletteil sein statt an der Tastatur. Zweitens ist die Halterung links an der Tastatur angebracht, was für einen Rechtshänder unpraktisch ist.
Die Stiftnutzung habe ich mit SolidWorks 2018 ausprobiert. SolidWorks erkennt automatisch, dass ein Stift im Spiel ist und blendet dann einen zusätzlichen Reiter namens Tintenskizze ein. Skizzen, die man mit dem Stift zeichnet, werden von der Software in mathematische Elemente umgesetzt. Das funktioniert recht gut, wie mein nachfolgendes Kurzvideo zeigt, in dem ich mich an einer Surfbrett-Finne versuche.
Allerdings ist der Stift kein echter Mausersatz, ich habe es beispielsweise nicht hinbekommen, eine Maßzahl zu verschieben. Doch ich kann mir gut vorstellen, dass es Sinn macht, in einem bestehenden Modell Anmerkungen anzubringen oder Ideen schnell aufs Papier beziehungsweise den Bildschirm zu bringen. Es macht jedenfalls Spaß, mit dem Stift in SolidWorks zu arbeiten.
Im Notebook-Modus ist das ZBook X2 eine wieselflinke, durch seine Nvidia-Grafikkarte auch im Grafikbereich sehr schnelle Workstation. In einem Test wird es als „Surface on Steroids“ bezeichnet, weil es dem Referenzgerät dieser Klasse, Microsofts Surface Pro, weit überlegen ist.
Im Tabletmodus allerdings zeigen sich die Nachteile dieses Konzepts: Mit über zwei Kilogramm ist das Gerät doch wesentlich schwerer als typische Tablets, und der 16:9-Bildschirm sorgt im Hochkantmodus dafür, dass das Gerät kopflastig wirkt – nicht umsonst nutzen die meisten Tablets 4:3-Displays. Das ZBook X2 hält man nicht lange frei in den Händen. Auch in einer Hand halten und mit der zweiten Hand tippen oder mit dem Stift zeichnen gerät zur Muskelaufbauübung.
Mein zweiter Kritikpunkt betrifft das Gehäuse: Zunächst wirkt das aus Magnesium gefräste Gehäuse mit den angeschnittenen Ecken, dem eckigen Kantenprofil und den Lüftungsschlitzen rund um die obere Hälfte des Geräts sehr schön, es liegt aber nicht gut in der Hand. Im Vergleich zum ZBook 14 mit seinem gummierten Deckelrand und der abgerundeten Unterseite liegt das ZBook X2 nicht so angenehm in der Hand, wenn man es unter dem Arm trägt.
Dritter Kritikpunkt – der wohl aber in diesem komprimierten Formfaktor unvermeidlich ist: Das Gerät lässt sich nicht einfach mal öffnen, um Hardware nachzurüsten. Im Wartungshandbuch wird beschrieben, dass man Bildschirm und Rückseite mit zwei Sauggriffen auseinanderziehen muss, das ist eine klare Abkehr von der einstmals so wartungsfreundlichen ZBook-Philosophie
Das bedeutet, dass die eine M2-SSD nur schwer durch ein größeres Modell ersetzt werden kann, zudem habe ich keinen Slot für eine SIM-Karte gefunden, was bedeutet, dass die Nutzung von Mobilfunkt nicht möglich ist. Das war für mich schon beim ZBook Studio unverständlich.
Zusammengefasst: Das ZBook X2 ist ein spannendes Gerät, das mit seiner ungewöhnlichen Bauweise viele Möglichkeiten der Benutzung zulässt. Power, Ausstattung und Anschlussmöglichkeiten – über Thunderbolt lassen sich bis zu fünf Monitore anschließen – liegen auf dem Niveau aktueller Mobilworkstations. Tabletmodus, Stift und Touchbildschirm bringen neue Bedienkonzepte ins Spiel, allerdings ist das ZBook X2 – wie so viele Mehrzweckgeräte – weder richtig Fisch noch richtig Fleische. Ein Notebook steht stabiler, ein Tablet liegt besser in der Hand – aber die Idee, nur noch ein Gerät statt mehrerer Spezialisten zu haben, wiegt diese Nachteile für viele Einsatzszenarien auf. Ich bin jedenfalls schon wieder am Nachdenken. Die rauhe Kante könnte man mit einem Sleeve entschärfen, ich wollte eh mehr für die Armmuskulatur tun und und mein ZBook 14 ist ja schließlich auch schon vier Jahre alt…