Gestern war ich auf dem PTC Forum in Stuttgart. Ich werde noch einen Artikel zum Forum liefern, hier schon mal eine der wichtigsten News im Vorgriff: PTC hat Frustum Inc., einen führenden Anbieter generativer Designsoftware, für ca. 70 Mio. US-Dollar gekauft. Ich hatte die Möglichkeit, gestern kurz mit dem Frustum CEO Jesse Coors-Blakenship gesprochen, der sehr zufrieden mit der Übernahme war. Die Würze an dem Deal ist, dass Siemens die Frustum-Technologie als Basis seiner Topologieoptimierungs-Funktionen in NX lizenziert hat.
Frustum ist in Boulder, Colorado ansässig und hat eine cloudbasierte Engineering-Software entwickelt, mit deren Hilfe sich auf Basis von Lasten und Randbedingungen optimale Geometrien für bestimmte Anforderungen erzeugen lassen. In diesem Zusammenhang ist der Unterschied zwischen Topologieoptimierung und Generative Design wichtig. Coors-Blakenship (ja er ist verwandt mit der Bierbrauer-Dynastie) erklärte mir es so:
Bei der Topologieoptimierung wird ein bestehendes 3D-Modell durch Simulation und Beurteilung der Lastverteilung im Modell optimiert. Diesen Teil der Frustum-Software hat Siemens lizenziert.
Generative Design dagegen geht von einem „leeren Blatt Papier“ aus. Der Anwender definiert lediglich die Lastangriffs- und Festpunkte sowie auf Wunsch einen Bauraum. Die Software stellt zwischen diesen vordefinierten Punkten nun eine Verbindung her, die optimale Werte bezüglich verschiedener, vom Anwender vordefinierter Bedingungen bzw. Constraints aufweist.
Dabei errechnet die Software nicht nur ein einzelnes, optimales Design, sondern es entstehen Tausende Geometrien, die die Constraints erfüllen. Und nun kommt bei Frustum die KI ins Spiel: Diese wählt nämlich nun den „Sieger“ aus, also die tatsächlich am besten geeignete Version.
Sehr interessant bei Frustum ist, dass nicht nur nach dem leichtesten Modell bei größtmöglicher Steifigkeit oder andersherum gesucht werden kann, sondern zum Beispiel auch das optimale Material für eine Geometrie gesucht werden kann, zudem kann Frustum eine Fertigungstechnologie als Randbedingung vorgegeben werden. Dann sucht das System beispielsweise nach der optimalen Lösung auf Basis eines Blechbiegeteils. Und nicht zuletzt können die Teilekosten berücksichtigt werden.
Der Slogan des Unternehmens ist „interactive generative design“, der Anwender kann in Echtzeit am Volumen „zupfen“ oder Parameter ändern und die Software rechnet sehr schnell die neue Form durch. Die Frustum-Software arbeitet mit einem parametrischen Volumenmodell, wobei das Ausgabeformat STL ist. Coors-Blakenship sagte, dass es für seine Verhandlungen wichtig gewesen sei, dass Creo sehr gut mit diesen STL umgehen könne und damit die nahtlose Integration in das CAD-System möglich ist. Der parametrische Frustum-Kernel sollte es jedoch den Entwicklern bei PTC nicht allzu schwer machen, die Frustum-Technologie direkt auf den Creo-Kernel zu setzen oder jedenfalls sehr kernelnah die Geometrie auszutauschen.
Das Unternehmen wurde Ende 2013 gegründet und beschäftigt 15 Mitarbeiter. Seither hat Frustum etwa 5.000 Anwender weltweit gewinnen können, wobei Coors-Blakenship sprach allerdings im Nebensatz von „a handful of paying customers“ und dass beispielsweise am MIT viele Studenten mit seiner Software arbeiten. Die erste Implementierung in Creo erwartet Coors-Blakenship für Creo 7, er erwartet auch von der PTC-Partnerschaft mit Ansys zusätzlichen Auftrieb für seine Lösung.
Die Transaktion wurde am Montag, dem 19. November 2018 abgeschlossen. Die Übernahme wird voraussichtlich keine erhebliche Umsatzsteigerung für 2019 bewirken oder eine verwässernde Wirkung auf die Finanzprognose haben, die PTC am 24. Oktober 2018 veröffentlicht hat.
Mit der Ansys-Partnerschaft und der Frustum-Übernahme zeigt PTC, dass es in Zeiten von IoT und AR nicht seinen Kompass verloren hat und auch an seine Wurzeln in der 3DF-Modellierung denkt. Die Frustum-Technologie hat das Potential, dem Konstrukteur viel Arbeit abzunehmen, Coors-Blakenship drückte es so aus: „Damit setzen wir das „aided“ in CAD – Computer Aided Design – endlich wirklich um.“ Ich bin gespannt, wie sich die Generative Design-Technologie in der Realität der Unternehmen verbreitet.