Der „engste Verbündete“ des CAD- und PDM/PLM-Systems in der Unternehmens-IT ist ERP, danach im Prozess kommt auch gleich MES – das ist ein geradliniger Datenfluss von der Produktentwicklung in die Arbeitsvorbereitung und Fertigungsplanung und in die Fertigung. Der übliche Weg der Daten in diesem Prozess ist aus dem CAD- oder PLM-System über eine ERP-Schnittstelle, hier endet üblicherweise auch das Angebot und die Kompetenz der CAD-Anbieter und -Partner. Dassault Systèmes geht nun einen Schritt weiter und akquiriert IQMS, einen Anbieter eines cloudbasierten ERP/MES-Systems, das sich in die 3DExperience-Plattform einklinken soll und damit vor allem für KMUs eine integrierte Plattform bietet.
Dassault Systèmes bezahlt für die Übernahme von IQMS 425 Millionen US-Dollar in bar. Die Software von IQMS, verfügbar als On-Premiselösung unter dem Namen EnterpriseIQ und als Software-as-a-Service namens WebIQ – ist eine Komplettlösung für mittelständische Hersteller. Sie umfasst die Verwaltung des gesamten Ökosystems aus Engineering, Fertigung und Geschäftsbetrieb, indem sie die Prozesse für Auftragsbearbeitung, Planung, Produktion und Versand in Echtzeit digital miteinander verbindet.
Die Lösungen von IQMS werden derzeit von etwa 1.000 Kunden meist mit Sitz in den USA genutzt. Sie produzieren an etwa 2.000 Fertigungsstandorten in 20 Ländern für die Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Medizinprodukte und Konsumgüter. Der Umsatz von IQMS lag 2017 bei rund 56 Millionen US-Dollar.
Mit der Integration der IQMS-Lösungen in die 3DExperience-Plattform in der Cloud liefert Dassault Systèmes Herstellern ein erschwingliches System für den Betriebsablauf. Faktoren, die zusammen für eine erfolgreiche Kundenbeziehung unverzichtbar sind. Die Fertigungsunternehmen – viele davon sind SolidWorks-Anwender – gewinnen zudem die Flexibilität, schnell auf Geschäftswachstum reagieren und entsprechend skalieren zu können.
Parallel dazu können sich diese Hersteller neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen und innovative Wertschöpfung schaffen, indem sie ihr Fertigungs-Know-how und ihre Dienstleistungen einer großen Gemeinschaft von Konstrukteuren und Ingenieuren auf dem 3DExperience-Marketplace von Dassault Systèmes zur Verfügung stellen.
„Wir dürfen die Industrie nicht länger als Ansammlung von Produktionsmitteln betrachten, sondern als Wertschöpfungsprozess. Dies gilt nicht nur für disruptive Start-ups und etablierte Unternehmen, sondern auch für Hunderttausende von Fertigungsunternehmen, deren Produkte für die Entwicklung neuer Kundenerlebnisse unerlässlich sind“, sagt Bernard Charlès, Vice Chairman und CEO, Dassault Systèmes. „IQMS zeichnet sich durch ein profundes Wissen über die Anforderungen der Fertigungsbranche aus. Wir begrüßen IQMS in unserem Team. Damit schaffen wir eine neue Kategorie von Geschäftslösungen für Unternehmen, die SolidWorks-Anwendern sehr ähnlich ist. Diese Unternehmen profitieren vom Plattformkonzept und legen damit die Basis für ihren Erfolg in der heutigen Industrie Renaissance.“
Der mittelständische ERP-Markt in der Fertigungsbranche wird aktuell auf 5 Milliarden US-Dollar geschätzt bei einer jährlichen Wachstumsrate von 7 bis 8 Prozent bis 2023. Im Kontext der Digitalisierung müssen die 250.000 kleinen und mittelständischen Hersteller weltweit neue Wege in der Produktion und im Geschäftsbetrieb gehen. Sie müssen die digitale Transformation mit dem Ziel vorantreiben, innovativ zu sein und ihr Wachstum in einem zunehmend wettbewerbsorientierten, globalen Marktumfeld zu beschleunigen.
„Seit Jahren fokussieren wir uns darauf, den Erfolg unserer Kunden aus der Fertigungsindustrie zu maximieren. Hierzu liefern wir ein umfassendes ERP-System, das speziell für mittelständische Unternehmen entwickelt wurde und das wir durch umfangreiche Support- und Schulungsleistungen unterstützen. Die Aufnahme in mehrere bedeutende Branchenberichte sowie eine Vielzahl an Auszeichnungen sprechen für sich“, sagt Gary Nemmers, President & CEO, IQMS. „Als Teil von Dassault Systèmes ist es uns jetzt möglich, die nächsten Schritte zu gehen und unseren Kunden neue Wege für mehr operative Effizienz und Effektivität im globalen Umfeld aufzuzeigen.“
Der Abschluss der Transaktion unterliegt den üblichen aufschiebenden Bedingungen, einschließlich der kartellrechtlichen Genehmigung in den USA. Der Abschluss der Transaktion wird für Anfang 2019 erwartet.
Bemerkenswert an dieser Nachricht finde ich, dass sie stark auf SolidWorks abhebt – auf den zweiten blick nicht nur logisch, sondern ein cleverer Schachzug: Große Unternehmen, die die 3DExperience mit Catia einsetzen, haben meist schon eine ausgeklügelte ERP-Installation und die Manpower, sie zu unterhalten und weiterzuentwickeln. Für kleinere Unternehmen dagegen, die ja meist keine oder nur eine kleine IT-Abteilung haben, ist der Betrieb eines „großen“ ERP-Systems wie SAP eine große Herausforderung. Aus dem selben Grund arbeiten KMU gerne mit Lösungen aus einer Hand – weniger Ansprechpartner, weniger Reibungsverluste.
SolidWorks fährt seit Jahren die Strategie, sich mit Zusatzangeboten im Unternehmen auszubreiten – allerdings bisher vor allem in der Produktentwicklung selbst, beispielsweise mit Simulation, Leiterplattenentwicklung und CAM. Und man versucht schon seit einiger Zeit, in der 3DExperience Angebote aufzubauen, die SolidWorks-Anwender auf die Plattform locken. Mit einem nahtlos integrierten Manufacturing-ERP-Angebot könnte Dassault tatsächlich die „Killer-App“ dazu in der Hand halten.