Das Rendersystem Keyshot hat sich von einem einfach zu bedienenden Visualisierungssystem für Konstrukteure zu einer auch im Kinobereich ernstzunehmenden Alternative entwickelt – und das, ohne die Stammklientel zu vergessen oder zu überfordern. Dieser gelungene Spagat war auch bei der Keyshot World zu spüren, bei der über 450 Teilnehmer dem Ruf nach Filderstadt folgten.
Inneo veranstaltete die Keyshot World am 3. Juni 2019 schon zum fünften Mal. Von Mal zu Mal steigert sich die Besucheranzahl mächtig, was die Bedeutung dieser Software für Unternehmen zeigt. Und auch die Vortragenden sind eine Klasse für sich – unter anderem holte Inneo den Concept Artist Peter Popken nach Filderstadt, der unter anderem an Filmen wie „Blade Runner 2049“, „Monuments Men“, beiden „Fantastische Tierwesen“-Filmen und „Avengers: Age of Ultron“ mitgearbeitet hat.
Den Anfang nach der Eröffnung durch Inneo-Geschäftsführer Helmut Haas und die Moderatoren Jens Heineck und Sebastian Dosch machten die Keyshot-Erfinder. Claus und Henrik Wann Jensen entwickeln in einer nach wie vor schlanken Organisation von 40 Mitarbeitern bei Luxion die Software, die inzwischen zu einem ganzen Portfolio ausgewachsen ist. Keyshot selbst wird in zwei Ausprägungen als Standard- und Pro-Lizenz angeboten, hinzu kommen Erweiterungen wie Keyshot XR für interaktive Animationen, ein Viewer und die neue VR-Lösung KeyVR.
Im letzten Jahr schnitten Haas und die Wann Jensen-Brüder auf der Keyshot World eine Torte zur Feier des 2.000-sten Keyshot-Kunden bei Inneo an, in diesem Jahr meldete Haas 2.400 Kunden. Das Geschäft läuft offensichtlich glänzend und Inneo hat inzwischen eine eigene Business Unit Digital Reality gegründet, in der die Visualisierungsthemen gebündelt werden.
Luxion nach wie vor schlank und auf gutem Weg
Luxion-CEO Claus Wann Jensen betonte die gute Entwicklung des Unternehmens und nannte neue Herausforderungen an Software und Hersteller: Man müsse Interessenten nicht mehr davon überzeugen, dass Keyshot ein wichtiger Teil der Unternehmensprozesse ist, sondern stabile Prozesse liefern können, die sich in die bestehenden Abläufe nahtlos integrieren können.
Wie jedes Jahr mit Spannung erwartet wurde Henriks Vortrag, der als CTO für die Technik zuständig ist und entsprechend einen Ausblick auf die Neuerungen der kommenden Version Keyshot 9 gab. Interessanterweise sind die Hardwareanforderungen und auch viele Materialdefinitionen unverändert, so dass Dateien aus Keyshot 1 heute noch geöffnet und unverändert gerendert werden können.
Ein wichtiges neues Feature ist die Möglichkeit, Kanten am Modell zu verrunden. Kräftig beklatscht wurde ein neues Feature namens UV-Unwrap, mit dem sich Texturen sehr genau auf einer Geometrie platzieren lassen, ebenso Animation Curves, womit Bewegungen in Animationen genauer definiert werden können. Die Konfigurator-Funktion kann in Keyshot 9 auf einen Knopfdruck alle möglichen Varianten rendern, so dass sich Übersichten schnell erstellen lassen. Mit einem neuen Fabric-Materialtyp lassen sich Gewebe sehr realistisch darstellen. Nach Wann Jensens Aussage handelt es sich dabei um die bisher aufwändigste Materialprogrammierung.
Ein besonders interessantes Feature wird der auf KI beziehungsweise Deep Learning basierende Denoiser. Keyshot zeigt praktisch sofort nach Beginn eines Renderlaufs eine Vorschau, die allerdings zunächst sehr grob und mit vielen Bildfehlern (Noise) versehen ist. Mit zunehmender Rechenzeit wird das Bild immer feiner. Schaltet man nun den Denoiser hinzu, werden die Bildfehler herausgerechnet, so dass ein sehr ansehnliches, aber detailarmes Bild entsteht. Die Details werden mit zunehmender Rechenzeit deutlicher, aber man kann sich sehr früh einen guten Überblick über das Bild verschaffen und die Berechnung gegebenenfalls abbrechen. Denoiser und Rendering laufen parallel, das „denoiste“ Bild wird also immer feiner und detaillierter, je länger man die Engine arbeiten lässt. Denoiser und andere Funktionen nutzen sowohl die CPU wie auch die GPU zur Berechnung.
Henrik Wann Jansen bestätigte im Gespräch auf der Keyshot World, dass Luxion große Anstrengungen unternimmt, bei zunehmendem Featureumfang die einfache Bedienung, die von Beginn an den Erfolg von Keyshot ausmachte, zu bewahren. So werden in der kommenden Version Funktionen, die eher Profis ansprechen, in eine Toolbox verlagert, um die Oberfläche einfach zu halten. So kommen beide auf ihre Kosten – der Gelegenheitsanwender, der schnell zu einem annehmbaren Bild kommen möchte, wie auch der Digital Artist, der am liebsten jeden Lichtstrahl einzeln definieren würde.
Jensen sagte aber auch, dass auch komplexe Funktionalitäten von erstaunlich vielen Anwendern genutzt werden, beispielsweise der Material Graph. Bei diesem handelt es sich um eine Umgebung zur Bearbeitung von Materialien. Der Anwender definiert ein Basismaterial und wendet auf dieses in einer graphischen Oberfläche Filter und andere Bearbeitungsroutinen an. So lassen sich scheinbar irre Kombinationen wie „angebrannter Schwamm“ erzeugen. In Keyshot sind viele Beispielmaterialien integriert, die zum Spielen und Ausprobieren anregen und so diese komplexe Funktion auch für Einsteiger nutzbar machen.
Was in vielen Vorträgen sichtbar wurde, ist die unbedingte Ausrichtung der Entwicklung an der Realität – Keyshot hält sich in jedem Aspekt an die realen Regeln der Physik, was zu sehr realistischen Bildern führt.
3D-Visualisierung von klein bis XXL bei der Keyshot World
Die Vortragenden kamen unter anderem von renommierten Firmen wie Hella, wo Keyshot für viele Designentscheidungen genutzt wird, beispielsweise bei Innenraumleuchten, oder auch Liebherr. Christian Nurschinger sprach über 3D-Rendering im XXL-Format und zeigte die Schwierigkeiten, die bei der Visualisierung riesiger Seilbagger, Raupenkrane oder Spezialtiefbaumaschinen auftreten. Patrick Treder von BSH Hausgeräte zeigte, wie detailliert sich sein Unternehmen über die visuelle Präsentation seiner Hausgeräte Gedanken macht. So sorgen unscharfe Spiegelungen von Fenstern in den Fronten beispielsweise von Backöfen für eine heimelige Stimmung. BSH erstellt mit Keyshot Broschüren nicht existenter Geräte, legt diese in den eigenen Showrooms aus und testet die Reaktion der Kunden darauf. Mit diesem „Pretotyping“ lassen sich Trends herausfinden.
Spannend wurde es beim kurzweiligen Vortrag von Concept Artist Peter Popken, der zeigte, wie er mit Visualisierungen, die immer öfter aus Keyshot stammen, die visuelle Stimmung eines Films bestimmt und wie sich komplexe Requisiten visualisieren lassen, beispielsweise Fahrzeuge und Waffen für Science-Fiction-Filme.
Krönender Abschluss der großen Vorträge war eine Tips&Tricks-Session von CGI-Artist Esben Oxholm, der unter anderem zeigte, wie sich winzige Falten an den Kanten eines Kopfhörerpolsters erzeugen lassen, um noch realistischere Bilder zu erhalten. In vielen seiner Beispiele nutzte er Keyshot in Verbindung mit anderen Programmen, in denen er beispielsweise einzelne Bereiche animierte, um diese Animation dann in Keyshot zu laden, wo sie gerendert wurde. Als Beispiel zeigte er einen Logitech-Werbefilm, in dem zu Beginn ein Lautsprecher mit vibrierender Bassmembran zu sehen ist. Die Animation der Membran definierte Oxholm in Modo und integrierte sie dann in das Keyshot-Modell.
Sehr gut angenommen wurden auch die Workshops verschiedener Inneo-Spezialisten, die über Materialien, Kameraführung, VR/AR – wo Inneo eine neue App vorstellte – und andere Themen sprachen und praktische Tipps vermittelten. Insgesamt war der Lernfaktor der Vorträge sehr hoch – ich gehe davon aus, dass die Besucherzahl auch im nächsten Jahr kräftig steigen wird und die zum Platzen gefüllte Filharmonie nicht mehr als Veranstaltungsort ausreichen wird.
Wer mit Keyshot arbeitet, konnte gar nicht anders, als von der Keyshot World 2019 wieder viel Neues und Anregungen für seine tägliche Arbeit mitzunehmen.