Wie in jedem Jahr ist Mitte Oktober SolidWorks-Pressekonferenz zur neuen Version. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders, die Presse trag sich am 11. November in München, um die Neuigkeiten rund um SolidWorks 2020 zu erfahren. Dabei zeigte sich eine Entwicklung, die ich schon seit einiger Zeit beobachte: CAD an sich scheint so langsam am Ende seiner Entwicklung anzukommen. Themen, die nicht direkt mit der Modellierung zu tun haben, bekommen immer mehr Aufmerksamkeit, Zusammenarbeit und Datenfluss werden immer wichtiger. Das zeigt sich exemplarisch in den Neuigkeiten rund um die Anbindung von SolidWorks an die 3DExperience. Andererseits findet SolidWorks auch in der neuen Version Dinge, die sich verbessern lassen, auch in Basisfunktionen wie dem Skizzieren von Geometrien.
Uwe Burk, Vice President, Eurocentral Sales, Professional Solutions, gab zu Beginn einen kleinen Abriss über die aktuelle Situation. In Deutschland sind über 88.600 SolidWorks-Lizenzen im professionellen Einsatz, in Burks Region Eurocentral sind es 142.000. Neben den kommerziellen Lösungen ist eine große Menge von Studentenlizenzen im Umlauf, so dass die Gesamtzahlen für Deutschland und Eurocentral bei 203.000 und 350.000 liegen.
40 Prozent der neu verkauften Lizenzen in den beiden letzten Quartalen gingen an Neukunden, der Rest in die bestehende Basis. Bei zwei Dritteln der Neukunden wurde ein anderes 3D-CAD-System abgelöst. Die Zahlen zeigen: SolidWorks entwickelt sich prächtig. Auch die Zahl von 80 Prozent von Lizenzen, die mit einem Wartungsvertrag verbunden sind, unterstreicht die Zufriedenheit der Anwender.
Schneller beim Laden großer Zeichnungen und in der Top-Down-Modellierung
Das Ziel bei der Entwicklung von SolidWorks 2020 war es, dem Anwender Zeit zu ersparen, indem performanceabhängige Wartezeiten eliminiert wurden. Zweiter Schwerpunkt ist die Einbindung von SolidWorks in die 3DExperience-Plattform.
Das bedeutet nicht, dass die „echten“ CAD-Funktionen in SolidWorks 2020 nicht weiterentwickelt werden, im Gegenteil. So wurde die Darstellung von Zeichnungen massiv beschleunigt, der neue Detaillierungsmodus ermöglicht es, kleine Änderungen in komplexen Zeichnungen auch ohne lange Ladezeiten durchzuführen.
Die Funktion Large Design Review Edit Mode ermöglicht das Arbeiten Top-Down, also von der Baugruppe in die Detaillierung. So arbeitete man schon einmal am Zeichenbrett, indem man zunächst den großen Zusammenhang konstruierte, bevor man immer mehr ins Detail ging. Wegen der Performancelimitierungen der CAD-Software ging man dann immer mehr zum Bottom-Up-Konstruieren über, bei dem jedes Einzelteil fertig detailliert wird, bevor man alle Bauteile in Baugruppen zusammensetzt.
Der Large Design Review Edit Mode, in dem große Baugruppen sehr schnell geladen werden können, wurde in der Vorversion 2019 eingeführt. Er erlaubt im Gegensatz zu den üblichen Große-Baugruppen-Modi, in denen nur Ansehen möglich ist, auch das Bearbeiten, beispielsweise das Löschen von Objekten oder das Ändern von Bauteilbeziehungen. Neu ist die Möglichkeit des Musterns, also das Einbringen mehrerer Instanzen desselben Objekts in die Baugruppe. In einem Tutorial werden beispielsweise die Stufen einer Wendeltreppe um die Mittelachse rotiert und gleichmäßig in der Höhe verteilt.
Neuerungen im Modellierbereich von SolidWorks 2020: Federn und 3D-Druck
Sehr schön ist die neue Funktion „flexible Komponenten“, mit der sich beispielsweise Zug- und Druckfedern modellieren realitätsnah lassen. Die Federn verhalten sich realistisch und folgen der Bewegung der umliegenden Bauteile. Dies musste früher mit mehreren Konfigurationen simuliert werden, in denen die Feder beispielsweise ganz und halb zusammengedrückt sowie in voller Auslenkung modelliert wurde.
SolidWorks 2020 kann das 3D-Druck-Format 3DMF schreiben, das wesentlich mehr Informationen übertragen kann als STL. Die Anbindung an die 3DExperioence ermöglicht zudem die Nutzung des dortigen Marketplace, so dass direkt 3D-Druckteile bestellt werden können.
Im Elektrik-/Elektronik-Bereich sind zwei interessante Neuerungen zu finden: In SolidWorks 2020 PCB lassen sich halbflexible und flexible Platinen definieren, SolidWorks 2020 Electrical berechnet nun die Masseeigenschaften von Kabeln, Drähten und ganzen Kabelbäumen über die gesamte Länge und damit auch die Schwerpunktposition. So lassen sich Maschinen und Anlagen realistischer simulieren, da jetzt die Masse der Leitungen mitberechnet werden kann.
Beim Skizzieren kann der Anwender Skizzen erstellen, indem er die Umrisse von Komponenten auf die Arbeitsebene projiziert. Zudem erzeugt SolidWorks 2020 torsionsstetige G3-Kurven, die keinen Übergang mehr haben. Eine neue Option für Schnitte erzeugt eine Schnittebene parallel zum Bildschirm – sie bleibt beim Drehen des Modells stehen, während das Modell beim Drehen dynamisch neu geschnitten wird. Dabei lässt sich die Tiefe der Schnittebene dynamisch ändern. Schwer zu erklären, dieses Video zeigt, was ich meine.
Auch die neuen Möglichkeiten zur Bearbeitung von STL-Dateien sind wirklich beeindruckend. Die Simulationsberechnung wurde beschleunigt, Lüfter lassen sich in der Strömungsberechnung drosseln. Das Visualisierungsmodul Visualize erstellt jetzt Stereobilder für AR/VR-Brillen direkt, der Composer kann mp4-Dateien lesen. Auch eDrawings kann jetzt VR, sogar mit Ambient Occlusion, die Umgebung spiegelt sich also im Objekt.
Im SolidWorks-Youtubekanal findet sich eine ganze Reihe von Videos, die weitere Neuigkeiten in vielen SolidWorks-Modulen zeigen – durchklicken lohnt sich! Insgesamt zeigt sich: Die Entwicklung im CAD-Bereich ist nicht zu Ende, es gibt immer Gelegenheiten, Funktionen zu optimieren und zu beschleunigen. Dass gleichzeitig das „Drumherum“ immer wichtiger wird, hat SolidWorks erkannt, bleibt nicht stehen und nutzt die bei der Mutter Dassault Systèmes schon vorhandenen Systeme und Funktionen. Man muss die 3DExperience nicht nutzen, um mit SolidWorks 2020 Mehrwert zu erhalten – aber die Plattform ergänzt Funktionen, die sicher vielen helfen.
Soviel zu den direkten Neuerungen in SolidWorks 2020, zur Einbindung in die 3DExperience-Plattform gibt es morgen einen weiteren Artikel.