Das Cloud-CAD-System Onshape hat in der kurzen Zeit seit der Markteinführung im März 2015 ordentlich Staub aufgewirbelt. Zuletzt sorgte die Nachricht, dass PTC das Unternehmen gekauft hat – für den durchaus sportlichen Preis von 470 Mio. Dollar. In meinem Artikel spekulierte ich darauf, dass PTC vor allem die SaaS-Technologie hinter Onshape haben wollte – was sich in der Pressekonferenz mit Jim Heppelmann auf der „FT-PTC Future of Industrial Innovation Global Series“ bestätigte. Im ersten Teil gestern berichtete ich über Heppelmanns Aussagen zu IoT und AR.
Heppelmann gab sich sehr zufrieden mit dem Kauf, PTC habe eine Langzeitstrategie mit Onshape. Der Trend gehe zu multi-tenant SaaS. OnShpape habe hier fünf Jahre Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb, der bisher vor allem auf multi-instance setze.
Kurze Erklärung: SaaS bedeutet Software-as-a-Service und bezeichnet Software, die in einer Cloud läuft und sozusagen ferngesteuert im Browser bedient wird. So ist beispielsweise das Online-Banking-Portal Ihrer Bank eine SaaS-Lösung, bei der Sie eine Software im Browser bedienen, die wiederum auf die Datenbank der Bank zugreift und es Ihnen ermöglicht, Daten anzusehen – z.B. die Kontenbewegungen – oder zu manipulieren, beispielsweise in dem Sie eine Überweisung ausfüllen.
Die Umsetzung auf der Seite des Providers kann auf zwei Weisen passieren: entweder bekommt jeder Anwender einen virtuellen Rechner, auf dem die Software installiert ist – das wäre single-tenancy oder multi-instance. Oder eine einzige Softwareinstanz wird von vielen Anwendern oder Anwendergruppen genutzt, das ist dann multi-tenancy, auf Deutsch Mandantenfähigkeit.
Der große Vorteil des Multi-Tenancy-Ansatzes: Alle Anwender arbeiten mit einer einzigen Instanz der Software. Wird diese einzelne Software aktualisiert, haben alle Anwender sofort nach dem nächsten Login die neuen Funktionen zur Verfügung. Andernfalls müssen die virtuellen Rechner wie in einer lokalen Netzwerkinstallation einzeln aktualisiert werden.
Alle PTC-Produkte sollen auf die Onshape-Plattform portiert werden
Die technische Umsetzung eines multi-tenancy-SaaS ist alles andere als trivial, vor allem wenn es zudem darauf geht, eine ordentliche 3D-Performance über das Internet zu liefern. Genau diese Umsetzung hat Onshape geschafft und zudem fünf Jahre Erfahrung im Realbetrieb eines solchen System gesammelt. Heppelmann nutzte den Vergleich mit einem Eisberg, bei dem nur der kleinste Tel zu sehen ist – das entspricht der CAD-Anwendung Onshape – und der größte Teil unter der Oberfläche verborgen. Dieser größere Teil entspricht der SaaS-Architektur, auf der Onshape basiert. Er sagte „Onshape ist eine multifunktionale SaaS-Plattform mit einem CAD-System obendrauf“.
Alle PTC-Produkte sollen auf SaaS und damit auf die Onshape-Plattform portiert werden, das sagte Heppelmann explizit. Und da habe man eben mit Onshape fünf Jahre Vorsprung vor dem Rest des Markts.
Multi-tenant SaaS verspricht „instant upgrades“, Neuerungen und Bugfixes stehen sofort, gleichzeitig und allen zur Verfügung. Bisher mussten diese als Update oder Service Pack individuell installiert werden – und dazu sammelte man erst einmal eine ganze Reihe dieser Bugfixers und Neuerungen, um dann beispielsweise zweimal im Jahr zu veröffentlichen.
Das kollidiert natürlich komplett mit der Philosophie vieler Firmen, nur jede zweite Version zu installieren. Diese Philosophie der geraden Versionsnummern versucht zu vermeiden, dass mit häufigen Updates die Anwender überfordert und immer wieder neue Inkompatibilitäten oder Inkonsistenzen ins System kommen. Der Hersteller hat damit eine wesentlich größere Verantwortung als bisher, stabile, möglichst bugfreie Lösungen zu liefern. Auf der Plusseite steht, dass alle Anwender des Systems immer auf derselben Version arbeiten. Damit sind Szenarien wie die in der Autoindustrie üblichen, bei denen der OEM seinen Lieferanten Version und Bugfixlevel des CAD-Systems vorschreibt, hinfällig. Und damit auch der Versions-Zoo, den Zulieferer vorhalten müssen, wenn sie in mehreren Projekten involviert sind.
Weitere Vorteile: Jeder Anwender kann von überall her auf sein System zugreifen, es lassen sich Benutzeroberflächen für Mobildevices integrieren, so dass auch auf jeder Geräteart die Funktionen zur Verfügung stehen. Und meist ist der Browser und damit das zugrundeliegende Betriebssystem nicht von Belang. Es lassen sich also mit einer einzigen Softwareinstanz alle Anwendungsszenarien und Hardwarekonstellationen bedienen. Und der Admin arbeitet eben nur an dieser einen Instanz, was ihm die Arbeit sehr erleichtert. Gleichzeitig lassen sich viele Systeme über Einstellungen weitreichend konfigurieren, so dass verschiedene Anforderungen oder Vorlieben abgebildet werden können.
Insgesamt bietet multi-tenant SaaS, meinetwegen in einer Private Cloud auf firmeneigenen Rechnern implementiert, so viele Vorteile, dass dieser Art des Arbeitens die Zukunft gehört. Damit hat Heppelmann sich und seinem Unternehmen tatsächlich fünf Jahre Vorsprung erarbeitet. Nun müssen die Programmierer von Creo, Windchill etc. diesen Vorsprung nur noch nutzen.