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SolidWorks und die 3DExperience: Nicht alle Wege führen ins Glück

Dassault Systèmes hat in der letzten Zeit sein Portfolio und seine Organisation rund um neu strukturiert. Grund ist die Anbindung des Desktop-Systems SolidWorks an das Cloud-Angebot der . Aus zwei sauber getrennten Angeboten ist ein gemeinsames entstanden. Allerdings ist der Unterschied zwischen einem dateibasierten, lokal installierten System und einer Cloudplattform so groß, dass diese Verknüpfung nicht ohne Tücken ist. Hier möchte ich als Abschluss meiner Berichterstattung von der 3DExperience World meine Erkennntnisse zur Zusammenarbeit zwischen SolidWorks und 3DExperience beschreiben.

Bernnard Charles
Dassault Systèmes-CEO hat schon lange die Vision einer allumfassenden .

sagte bei einer Pressekonferenz am zweiten Tag der 3DExperience World einige interessante Dinge: Der typische SolidWorks-User nutze nur 60 Prozent der SolidWorks-Funktionen, aber jeder User eben andere 60 Prozent. Zudem mache es wenig Sinn, das monolithische SolidWorks mit immer mehr Funktionen immer weiter aufzublähen. Der Aufbau einer integrierten Lösung auf Basis von SolidWorks sei sehr schwierig, wenn es darum gehe, eine Vielzahl von Funktionsbausteinen miteinander zu integrieren.

Moderner sei ein Modell, das sich an den App-Stores von Google oder Apple orientiere. Hier könne sich jeder sein Funktionsset selbst zusammenstellen. Bassi kombinierte diese Idee mit Pay-per-Use und kontinuierlichen Updates, um die Vorteile der 3DExperience darzustellen.

Ich finde, Bassi stellte hier SolidWorks zu negativ dar. Zum einen ist SolidWorks ja schon einigermaßen modular aufgebaut mit Angeboten wie SolidWorks CAM, Electrical oder PCB sowie einer Vielzahl von Partnerlösungen, die sich meist nahtlos in die Oberfläche wie in das Datenmodell integrieren. Schnittstellen zu SAP und anderen Systemen bieten eine direkte Integration in die kommerzielle IT und auch eine Datenverwaltungslösung ist mit SolidWorks PDM und anderen Angeboten vorhanden.

SolidWorks ist im Grunde eine modulare, aber sehr schön integrierte und breit aufgestellte Lösung, aber eben ohne Cloud. Möchte man die Vorteile einer Cloudlösung nutzen, bietet sich die Verbindung mit der 3DExperience-Plattform tatsächlich an.

Dateibasiert vs. Plattform: SolidWorks und die 3DExperience

Im Gegensatz zum 1997 zugekauften SolidWorks ist die 3DExperience ein Eigengewächs von Dassault Systèmes. Das französische Unternehmen hatte über die Jahre rund um sein CAD-System Catia eine immer breiter werdende Palette von Zusatzapplikationen aus allen Bereichen aufgebaut und parallel die SolidWorks-Mannschaft in Boston in relativer Freiheit arbeiten lassen. Dassault hat die Angewohnheit, alle paar Jahre seine Software komplett neu aufzustellen, Catia V5 hatte mit Catia V4 wenig zu tun, genauso war es mit V5 und V6. Das machte Versionsupgrades immer relativ schwierig, weil es sich im Grunde um den Wechsel auf eine andere Software handelte. Gleichzeitig sorgte dieses Vorgehen aber dafür, dass moderne Architekturen relativ schnell Einzug in das System fanden.

V6 war eine noch größere Zäsur als andere Versionswechsel, weil sich Dassault dabei von der Datei-orientierten Datenablage verabschiedete. Eine PDM-Datenbank wurde praktisch direkt in das CAD-System integriert und alle Daten in einer Datenbank gespeichert. Was unter anderem dazu führte, dass Daimler auf Siemens NX umstieg, war für Dassault ein wichtiger Schritt hin zur Plattform, die sich dann mit der 3DExperience manifestierte. Letztere stellt quasi die V7-Generation dar, baut also auf dem Catia-Kernel CGM und den Funktionalitäten auf, die schon die V6 bot. Weitere „Kernkompetenzen“ der 3DExperience sind die Cloudfähigkeit sowie eine Aufsplittung der bisherigen monolithischen Systeme in Apps, die wiederum in Rollen organisiert sind. Einen etwas älteren, aber immer noch weitgehend gültigen Test der Plattform habe ich hier veröffentlicht.

Gian Paolo Bassi
Für SolidWorks-Boss Gian Paolo Bassi ist die 3DExperience eine natürliche Erweiterung de Portfolios.

Natürlich macht es Sinn, diese riesige Palette vorhandener Funktionen auch in SolidWorks zu nutzen. Mark Rushton, Product Portfolio Manager bei SolidWorks, brachte es im Interview auf den Punkt: „Wir haben bei Dassault Systèmes insgesamt 17.500 Mitarbeiter, die meisten davon in Forschung und Entwicklung. Warum sollten wir alles neu entwickeln, wenn Technologie schon vorhanden ist? Wir bringen alle Entwickler zusammen und nutzen Dinge gemeinsam.“

Das wirft zwei große Fragen auf: Wie verhindert Dassault Systèmes es, dass sich die Angebote gegenseitig kannibalisieren? Und wie bekommt man zwei so unterschiedliche Architekturen wie das relativ traditionelle, mit Dateien arbeitende SolidWorks und die 3DExperience unter einen Hut?

Die Antwort auf Frage 1 ist eine eher organisatorische: Zwar hat Dassault seine Vertriebsstruktur neu aufgestellt, dabei sind die drei Bereiche, die bisher vorhanden waren, jedoch im Großen und Ganzen erhalten geblieben. Der größte Unterschied ist, dass keine Software mehr verteilt und installiert werden muss, der Erwerb einer neuen Rolle führt lediglich dazu, dass diese entsprechend freigeschaltet wird.

Die bisherigen Channels heißen jetzt Engagements, im Bereich der 3DExperience ist das der Direktvertrieb als Customer Solution Experience Engagement und der indirekte Vertrieb mit Customer Process Experience Engagement – hier tummeln sich Partner wie Cenit, Desys, Schwindt, Technia und andere.

Der dritte Bereich Customer Role Experience Engagement umfasst den SolidWorks-Bereich plus etwa 50 3DExperience-Rollen. Diese werden wie bisher von den bekannten SolidWorks-Partnern wie SolidLine, Solidpro, Coffee, DPS usw. vertrieben.

3DExperience Works: Die Erweiterung von SolidWorks in die Cloud

Im Gespräch mit , Vice President Customer Role Experience Central Europe, wurde deutlich, dass diese etwa 50 Rollen im Prinzip alles abdecken, was ein SolidWorks-Kunden an Funktionalität benötigen könnte. Sollte darüber hinaus Bedarf an weiteren Funktionen bestehen, arbeiten die Customer Role-Partner mit einem Customer Process-Partner oder Dassault Systèmes selbst zusammen. Damit bleibt die Trennung zwischen den Vertriebsbereichen bestehen.

Frage 2 – die nach den Dateien – ist etwas komplexer. Man muss hier verschiedene Fälle unterscheiden. Grundsätzlich schafft ein Konnektor die Verbindung zwischen SolidWorks und der Plattform, nach dessen Installation zeigt beispielsweise der Dateibrowser im Öffnen-Dialog auch Inhalte aus der Cloud.

  • Datenverwaltung von SolidWorks-Dateien: Diese lassen sich direkt in der Plattform ablegen, verwalten und wieder laden. Die Plattform versteht die Daten ohne Konvertierung und kann mit den Inhalten der SolidWorks-Dateien umgehen.
  • Sobald jedoch diese Inhalte beispielsweise in xDesign geöffnet werden, verschwinden die in SolidWorks erzeugten Features. Die Geometrie kann zwar bearbeitet werden, aber die Intelligenz in der Datei, beispielsweise geometrische Abhängigkeiten, gehen verloren.
  • Integration von xShape-Geometrien in SolidWorks: Das wurde schon letztes Jahr gezeigt, wenn ich mich recht erinnere, an einer Fernbedienung. Deren organisch rundlich geformtes Gehäuse wurde in xShape modelliert, dann in SolidWorks importiert – richtiger wäre wohl „heruntergeladen“ und dort ein Innenleben hineinkonstruiert. Die xShape-Geometrie wurde hier nicht mehr groß verändert, aber es war möglich, beispielsweise Bohrungen anzubringen. Aber auch hier gehen die xShape-Features verloren.
3DExperience
Die 3DExperience-Welt umfasst alle Bereiche des Lebens.

, Senior Director of Product Management, drückte es so aus: „Wir unterstützen reale Workflows, nicht irgendwelche albernen (‚goofy‘) Szenarien.“ Ich denke, dass hier oft eine unterschiedliche Interpretation der Verhältnisse zu Missverständnisse sorgt:

  • Viele Anwender verstehen die xApps als Add-Ons zur SolidWorks, die eben in der Cloud laufen und zusätzliche Funktionalität bringen. Deshalb tauchen hier beim Verschieben von Geometrien immer wieder Probleme aus, bzw. es landet im Zielsystem weniger Information als erwartet, beispielsweise geht die Parametrik verloren.
  • Dassault betrachtet SolidWorks als eine der vielen Datenquellen für die Plattform. Das bedeutet, dass der „Hauptstrom“ der Daten von SolidWorks in die Plattform hinein und nicht mehr zurück verläuft.

Dassault Systèmes bietet seinen SolidWorks-Kunden mit der Öffnung der Plattform einen Upgradeweg, der zu nahezu unlimitierten Ressourcen führt – in Sachen Rechenleitung, Datenkapazität, aber auch in Sachen Funktionalität. Zudem sind die SolidWorks-Daten auf den DS-Servern sicher besser aufgehoben als auf einem schlecht administrierten eigenen Server. Nichtsdestotrotz muss jedes Unternehmen selbst anhand der heutigen und zukünftigen Anforderungen entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Dass die SolidWorks-Kunden nun die Möglichkeit haben, in die 3DExperience einzutauchen – oder eben auch nicht – ist sicher ein Vorteil.

 

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