Viele Länder fahren schrittweise die strengen Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 zurück. Bedeutet das ein Comeback für den Status Quo vor der Pandemie? Ist es wirklich sinnvoll, alle Veränderungen und Neuerungen wieder rückgängig zu machen? Für Lawrence Whittle, CEO von Parsable, steht fest: Es lohnt sich durchaus, einige Entwicklungen in die „neue Normalität“ der Arbeitswelt zu übernehmen. Ich fand seine Ausführungen so interessant, dass ich sie hier im Original veröffentlichen möchte:
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Auf Menschen, nicht Maschinen setzen – In der Krise waren es nicht die Roboter, die die Arbeit übernommen haben. Es waren Tausende engagierte Kräfte, die „den Laden“ am Laufen hielten. Auch in zukünftigen Ausnahmesituationen werden uns automatisierte Systeme nicht allein weiterhelfen. Woher sollten sie es auch können? Technologie ist nicht in der Lage, den Menschen vollständig zu ersetzen. Einige Unternehmen haben dies bereits erkannt: Laut einer gemeinsamen Studie des Weltwirtschaftsforums und des Beratungshauses McKinsey haben führende Hersteller schon vor der Pandemie verstärkt in Arbeitskräfte investiert – und verfolgen diese Strategie auch weiter.
- Agilität stärken – Während sich Covid-19 rasend schnell von Land zu Land verbreitete, galt: schnell entscheiden, Erfahrung sammeln, Maßnahmen anpassen. Auch in „normalen“ Zeiten legen agile Organisationen hohen Wert auf kurze Wege, rasche Entscheidungen und hohe Flexibilität. Unternehmen, die für die Zukunft vermehrt auf agile Methoden setzen, werden gestärkt aus der Krise hervorgehen.
- Digitales Management – Anweisungen und Hinweise, etwa zu neuen Maßnahmen im Arbeitsschutz, mussten in den letzten Wochen mehrfach erweitert oder angepasst werden. Um die Änderungen publik zu machen, genügte ein „Management by Schwarzem Brett“ jedoch nicht mehr. Und wie informiert man künftig, wenn sich Mitarbeiter zum Schichtwechsel nicht mehr persönlich begegnen und immer häufiger vom Homeoffice aus gearbeitet wird? – Eine große Chance liegt in digitalisierten, zentral gemanagten Anweisungen, den SOPs. Sie helfen, Regeln schnell und zuverlässig an die betroffenen Mitarbeiter zu kommunizieren und deren Einhaltung über mobile Rückmeldungen zu überprüfen.
- Verantwortung delegieren – Mit der Verschärfung der Pandemie war es Managern von heute auf morgen nicht mehr möglich, selbst durch die Hallen zu gehen und detaillierte Anweisung zu geben. Micromanagement ade! Mitarbeiter mussten lernen, allein „zu laufen“. Um selbständig Entscheidungen zu treffen, benötigen sie jedoch einen Überblick über die ganze anstehende Arbeit und nicht – wie bisher – nur einen kleinen Ausschnitt davon. Mitarbeiter hier mehr ins Boot zu holen, lohnt sich: Wer weiß, dass der Liefertermin auf der Kippe steht, setzt sich eher für den Teamerfolg ein – oder steuert Ideen bei, wie sich Arbeitsschritte vereinfachen oder beschleunigen lassen. So entstehen ganz „nebenbei“ Prozessinnovationen.
- Verteilte Zusammenarbeit – Auch wenn Zoom und Co. nicht für alles und jeden ideal sind: Viele haben jetzt angefangen, sich an ein „Miteinander auf Distanz“ zu gewöhnen. Fachleute schätzen, dass die Zahl der Arbeitenden aus dem Homeoffice im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten zunehmen wird – ohne, dass der Betrieb darunter leiden muss. Hier können mobile Geräte und Apps unterstützen. Ein Beispiel: Wenn ein Arbeiter bei der Wartung einer Anlage via SMS einen Kollegen im Büro oder Homeoffice kontaktiert, um mit ihm ein Problem vor Ort zu diskutieren, verkürzen sich Ausfallzeiten und Wartungsaufwände spürbar.
- Trainings flexibilisieren – Während der Pandemie haben einige Branchen ihre Kapazitäten stark erweitert oder am Bedarf ausgerichtet. Darunter die Hersteller von Lebensmitteln, Getränken und Hygieneartikeln. Oft im Hauruckverfahren übernahmen Mitarbeiter neue Aufgaben und standen plötzlich an für sie ungewohnten Arbeitsplätzen. Diese Flexibilität lässt sich für die Zukunft nutzen, beispielsweise für eine bessere Auslastung. Technologien wie Assistenzsysteme für Werker und digitale Schritt-für-Schritt-Anleitungen helfen dabei. Mit ihnen lässt sich die Aus- und Weiterbildung neuer Arbeitskräfte dynamischer gestalten. Kombiniert mit den schon angesprochenen mobilen Hilfe-Optionen per Video oder Chat wird die klassische Workforce damit in Zukunft deutlich anpassungsfähiger.
Ausnahmesituationen wie die Corona-Krise führen Defizite und Chancen besonders drastisch vor Augen. Sobald der Druck nachlässt, neigen jedoch viele dazu, in altes Fahrwasser zurückzukehren. Die Kunst ist es, sich den „Spirit“ der Dringlichkeit zu bewahren und die nächste Krise bereits im Blick zu haben. Dies gelingt Unternehmen, indem sie durch ein Plus an Agilität Innovationen und Selbstverantwortung stärken und gleichzeitig die Digitalisierung nutzen, um den laufenden Geschäftsbetrieb zu verbessern.
Klar, Parsable entwickelt und vertreibt Software, die genau zu den Empfehlungen passt, aber ich finde trotzdem die von Whittle genannten Punkte valide. Corona hat gezeigt, dass strenge Hierarchien, Mikromanagement und ständige Überwachung der Untergebenen nicht nur überflüssig, sondern oft sogar hinderlich sind. Die Lockdownzeit zeigte, dass flexible Arbeitsmodelle mit einem Wechsel von Präsenz- und Heimarbeit funktionieren. Das war ein wichtiger Baustein und für viele Unternehmen hoffentlich ein Anstoß, den Wechsel in die moderne Arbeitswelt, in der wechselnde Teams, flexible Arbeitsmodelle und Teams immer stärker Raum greifen, endlich in der Praxis umzusetzen.