Der Umstieg auf ein Mietmodell bei der CAD-Lizenzierung hat Vor- und Nachteile, wie ich schon vor fünf Jahren am Beispiel Autodesk herausgearbeitet habe. Die wichtigsten Erkenntnisse waren schon damals: Für die Kunden wird es auf Dauer teurer als vorher, die Vorteile liegen ganz überwiegend beim Anbieter und der sollte deshalb möglichst Mehrwert für die Kunden schaffen, damit diese die ständig laufenden Kosten akzeptieren. Offensichtlich hat Autodesk den Artikel nicht gelesen, denn nun hat eine Gruppe von 24 hochrangigen Architekturbüros – 17 davon mit Namensnennung – einen offenen Brief an Autodesk-CEO Andrew Anagnost geschrieben. Sie sind unzufrieden mit um 70% steigenden Lizenzkosten in fünf Jahren und gleichzeitig stockender Weiterentwicklung beim BIM-Werkzeug Revit.
So was findet man nicht gerne ihn der Post: 17 namhafte Kunden, die berühmtesten davon wahrscheinlich Zaha Hadid Architects, unterzeichneten einen offenen Brief an Autodesk-CEO Andrew Anagnost. Dabei geht es um die Unzufriedenheit der Kunden mit der Autodesk-Software Revit und den dazugehörigen Building Information Management (BIM)-Angeboten – nicht direkt ein Thema für meine Leser aus dem Maschinenbau, aber ein interessanter Blick darauf, wie die Prioritäten in Unternehmen sich verschieben können.
Revit an sich ist kein einzelnes Produkt, sondern eine Ansammlung von Tools für BIM mit Revit Architecture für die Gebäudeplanung, Revit MEP für die Gebäudetechnik und – seit 2008 – Revit Structure für die Tragwerksplanung. Das Besondere an BIM-Produkten wie Revit ist die Objektorientierung. Im Bauwesen ist die Geometrie eines Objekts – eines Zimmers, eines Fensters, einer Wand – nur ein winziger Bestandteil aller Daten.
Im Objekt werden auch Eigenschaften und Abläufe (z.B. der Einbau und die Merkmale eines Fensters, Ausschreibungstexte, Mengen, Kosten, Workflows, Termine und vieles andere zentral gespeichert. So lassen sich in der Datenbank Abfragen wie „Zeig mir alle Steckdosen im Haus mit Ausführung und Position“ umsetzen, um beispielsweise den Elektriker beauftragen zu können. Diese BIM-Daten werden nach der Planung und dem Bau zur Verwaltung des Gebäudes weitergenutzt, bis hin zum Abriss. Der digitale Zwilling ist im Bauwesen also unter dem Namen BIM schon Realität.
Stellt man sich ein Hochhaus mit seinen Tausenden von Zimmern mit Fenster, Steckdosen, Lichtschaltern, Klimaanlage, Wasserleitungen usw. vor sowie die Hunderte beteiligter Firmen, die alle ihre spezifischen Informationen benötigen und deren Einsatz zeitlich aufeinander abgestimmt werden muss, wird schnell klar, wie extrem abhängig die Firmen im Bauwesen von einem funktionierenden BIM-Programm sind. Ebenso wichtig sind funktionierende Schnittstellen, über die beispielsweise der Elektriker oder der Klimaanlagenbauer seine Planung ins Gebäudemodell einspielen kann.
Der Brief ist bei meinen Freunden vom AEC Magazine komplett abrufbar, die wichtigsten Passagen sind:
- Die Firmen mussten in fünf Jahren fünf verschiedene Lizenzsysteme umsetzen, was in Installationen mit Hunderten von Arbeitsplätzen eine große Herausforderung bedeutet.
- Dabei stiegen die Lizenzkosten in den fünf Jahren bis Ende 2019 um 70 Prozent, weitere Steigerungen sind angekündigt.
- Die Weiterentwicklung, vor allem des Revit-Kerns, verläuft extrem schleppend, eine moderne Architektur wurde immer wieder angekündigt, ist aber allem Anschein nach noch lange nicht marktreif.
- Die in Collections oder Suites zusammengeführten Einzelprogramme sind weder aufeinander abgestimmt, noch ist die Zusammenstellung sinnvoll. Nichtsdestotrotz sind die Kunden gezwungen, diese Suites und Collections zu kaufen, um bestimmte Funktionen zu erhalten. Um arbeitsfähig zu sein, sind sie auf zusätzliche Software angewiesen – die auch nicht kostenlos ist.
- Weder die Funktionalität noch die Performance und auch nicht die Offenheit von Revit entsprechen dem, was diese Unternehmen von ihrer Software erwarten. Die mangelnde Kompatibilität – teils sogar innerhalb der Suites und Angebote – lässt große Probleme bei der Weitergabe der Daten erwarten, ganz abgesehen von einem Systemwechsel.
- Es gebe keine klare Roadmap für die Weiterentwicklung von Revit. Mehrmals wurden Nachfolger angekündigt und auch beispielsweise auf der Autodesk University gezeigt – erst 2016 unter den Namen Project Quantum, dann 2019 unter Project Plasma – aber nie auf den Markt gebracht. Eine Cloudversion wurde schon vor Jahren angekündigt, aber ist ebenfalls nie erschienen.
Das Problem: Revit basiert im Prinzip nach wie vor auf einem 20 Jahre alten, nicht mehrprozessorfähigen Kern. Da CPUs in den letzten Jahren ihre steigende Leistung nicht mehr aus höheren Taktraten, sondern aus der Vermehrung der Kerne beziehen, sind die Revit-Kunden quasi vom Fortschritt der Technik ausgeschlossen. Zwar hat Autodesk einige Zusatzanwendungen mehrprozessorfähig gemacht, aber eben nicht den Kern.
Noch bedenklicher finde ich, dass immerhin acht Firmen sich nicht trauten, ihren Namen unter das Dokument zu setzen aus Angst vor Repressalien durch Autodesk. Anscheinend gehen die Lizenz-Überprüfungsteams, die bei Bestandskunden analysieren, ob alle Software richtig lizenziert ist, sehr rabiat vor – und das vor dem Hintergrund, dass praktisch niemand mehr die Lizenzierung versteht. Praktisch jedes Unternehmen setzt deshalb Software nicht nach gültigen Lizenzregeln ein und wird dementsprechend von Autodesk bestraft – in Form von Lizenznachkäufen.
Wie soll denn eine Lieferanten-Kundenbeziehung funktionieren, wenn die Kunden in Angst vor dem Hersteller leben, keine Weiterentwicklung sehen, aber ständig steigende Preise zahlen müssen für ein Produkt, mit dem sie nicht zufrieden sind? Vor allem: Wie sollen diese Kunden irgendwann das Vertrauen aufbringen, ihre sämtlichen Daten in die Cloud dieses Anbieters zu laden – die Bedenken im Brief reichen von der Sicherheit der Daten bis zur Performance und Stabilität der Cloudlösung.
Ich bin sicher kein Revit-Experte – für mehr Infos von Spezialisten empfehle ich die hervorragenden Artikel von Martyn Day im AEC Magazine, Ralph Grabowski und Monica Schnitger, die ich auch für diesen Text genutzt habe. Aber diese Entwicklung und vor allem die Reaktion darauf ist sicher auch für die Autodesk-Kunden im Mechanik-CAD-Bereich interessant.
Doe Preiserhöhung ist in dieser Zeit der Krise nicht akzeptabel. Jetzt macht ein Wechsel sinn.