Die Hochschule Aalen bietet einen neuen Masterstudiengang „Datenmanagement in Produktentwicklung und Produktion“ an, der sich mit dem Datenmanagement im Kontext von Industrie 4.0 beschäftigt. Für die beiden studienbegleitenden Projektarbeiten nutzen die Studierenden die IoT-Plattform ThingWorx von PTC. Das Ellwangener Systemhaus Inneo unterstützt die Hochschule bei der Implementierung und Nutzung der Plattform. Studiendekan Prof. Dr. Dieter Joenssen spricht im Interview mit EngineeringSpot über die Vorteile und den Einsatz von ThingWorx.
Herr Prof. Dr. Joenssen, wir würden gerne etwas über Ihren Hintergrund wissen, seit wann sind Sie an der Hochschule Aalen und was haben Sie vorher gemacht?
Ich komme aus dem Bereich Data Science, nach meiner Promotion in Wirtschaftsinformatik habe ich als Data Scientist bei Audi und PwC gearbeitet und unter anderem Machine-Learning-Systeme entwickelt. Seit März 2019 bin ich als Professor an der Hochschule Aalen und wurde im November 2019 zum Studiendekan des Studiengangs Datenmanagement in Produktentwicklung und Produktion gewählt.
Können Sie den Studiengang beschreiben?
Es handelt sich um einen dreisemestrigen Masterstudiengang mit zwei Vorlesungssemestern und einem Semester zum Schreiben der Abschlussarbeit. Die Studieninhalte umfassen die Bereiche Produktentwicklung, Produktion, Datenhaltung, Analyse und Querschnittsthemen. In jedem der beiden Vorlesungssemester erarbeiten die Studierenden ein Projekt aus der IoT-Praxis, bei dem auch ThingWorx zum Einsatz kommt.
In den Vorlesungen werden Themen aus den Bereichen Industrie 4.0 und IoT wie Digital Twin, Datenmodelle und Vernetzung von Produktionssystemen ebenso behandelt wie Themen, die stärker in den Informatikbereich gehen. Beispiele für letzteres sind Datenbanken, Big Data und Cyber Security. Im Bereich Analyse behandeln wir Predictive Analytics und Machine Learning. So erhalten die Studierenden einen breiten Einblick in alle relevanten Themen.
Was sind die Voraussetzungen, um den Studiengang zu besuchen? Sie sind ja in der Fakultät Maschinenbau angesiedelt.
Das ist richtig, der Studiengang ist jedoch nichtkonsekutiv ausgelegt, das bedeutet, dass man nicht zwingend Maschinenbau studiert haben muss, um teilzunehmen. Voraussetzung ist lediglich ein Bachelorabschluss im technischen Bereich. Wir haben Studenten aus den Bereichen IT, Wirtschaftsinformatik und natürlich auch Maschinenbau, aber eben auch Elektrotechnik-Absolventen und andere.
Wo sehen Sie die Absolventen des Studiengangs nach ihrem Abschluss, wo arbeiten sie?
Der Studiengang ist 2018 entstanden, deshalb haben wir noch keine langen Laufbahnen, aber natürlich hatten wir bei der Entwicklung des Masterstudiengangs berufliche Einsatzfelder vor Augen. Unsere Absolventen sind zuhause im Bereich Data Science, können Daten analysieren und automatisierte Lösungen aufbauen. Ebenso sind sie im Projektmanagement von Digitalisierungsprojekten einsetzbar, weil sie die Technologie kennen und einordnen können, aber auch ihre Grenzen kennen.
Unsere Absolventen können Firmen in der Digitalisierung im industriellen Bereich und darüber hinaus beraten – sowohl im eigenen Unternehmen als auch als externer Berater. Und nicht zuletzt geht es um die Entwicklung intelligenter Produkte und die Nutzung künstlicher Intelligenz in allen ihren Facetten.
Können Sie uns mehr über die Studienprojekte verraten?
Das sind ganz praktische Arbeiten, die eine breite Palette von Aufgaben umfassen und in Gruppenarbeit abgearbeitet werden. So haben wir beispielsweise 2018 nicht nur einen Quadrocopter mit verschiedenen Varianten entwickelt, sondern die vollautomatisierte, intelligente Montagelinie gleich dazu. Hier wurde ein kompletter Digitaler Zwilling und eine cyber-physikalische Produktionsumgebung aufgebaut.
Im Sommersemester 2019 ging es um einen Vorhersageservice für Flugverspätungen, bei dem wir komplexe Analysesysteme aufbauten, die auf Basis öffentlich zugänglicher Daten ganz unterschiedlicher Qualität die Wahrscheinlichkeit von Flugverspätungen errechneten. Hier stand die Nutzung unterschiedlicher Datenquellen und moderner Open Source-Frameworks im Vordergrund.
Ein anderes Projekt war das Retrofitting einer Fräsmaschine zum IoT-Device. Die Maschine wurde mit Sensoren ausgestattet, die es ermöglichen, den Status der Maschine auszuwerten und über die Erfassung von Anomalien Predictive Maintenance zu implementieren – inklusive der Anbindung an die Cloud.
Das hört sich interessant an. Kommt dabei ThingWorx zum Einsatz?
In den meisten Projekten ist ThingWorx die Plattform, auf der gearbeitet wird. Das System lässt sich – beispielsweise in einer Masterarbeit in einem Unternehmen – schnell einsetzen. Die unterschiedlichsten Datenquellen können recht unkompliziert eingebunden werden und die entstehenden, großen Datenmengen lassen sich gut verwalten. Mit ThingWorx ist ein Dashboard für eine IoT-Anwendung sehr schnell aufgebaut, weil Analysefunktionen schon eingebaut und Module vorhanden sind, die man bei anderen Lösungen erst programmieren müsste.
Ein großer Vorteil ist, dass ThingWorx gut skaliert, das bedeutet, dass sich Apps sehr schnell erstellen lassen, indem auf Basis einer der vielen zur Verfügung stehenden Vorlagen gearbeitet wird. Diese Vorlagen ersparen viel Arbeit, die ansonsten immer wieder notwendig wäre.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Inneo zustande und wie hat sie sich entwickelt?
Die Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Aalen und Inneo hat eine lange Tradition, wir sind ja geographisch sehr nahe. Begonnen hat es in diesem speziellen Fall mit einem persönlichen Kontakt, der Sohn eines Inneo-Mitarbeiters studierte bei uns und wir kamen ins Gespräch, dass ThingWorx eine ideale Lösung für uns wäre. Daraus hat sich eine enge Zusammenarbeit entwickelt, Inneo stellte die Hard- und Software zur Verfügung und sorgt dafür, das alles läuft. Am Beginn des Studiengangs erhalten die Studierenden eine zweitägige Schulung, die sie in die Lage versetzt, ThingWorx zu nutzen – da ist sogar ein kleiner Use-Case dabei. Das hilft sehr, die Studierenden schneller auf die Spur zu bringen.
Die Zusammenarbeit ist sehr gut, wir haben sogar festgestellt, dass Inneo eine zusätzliche Schicht Realität in die Projekte bringt. Im realen Einsatz im Unternehmen hat man ja auch einen IT-Dienstleister, den man fragen kann, wenn man nicht weiterkommt und der beim Einsatz der Software unterstützt. Das übernimmt Inneo bei unseren Studierenden und diese lernen, wie im späteren Praxiseinsatz zu arbeiten.
Herr Prof. Dr. Joenssen, wir bedanken uns für das Gespräch.