Jedes Jahr wiederhole ich es: CAD ist ausentwickelt. Und jedes Jahr finden die Hersteller wieder Einiges, was es zu verbessern gibt. Doch die Schritte werden immer kleiner. So auch bei SolidWorks 2021 – wo allerdings die echten Neuerungen im „Drumherum“ zu finden sind: Die Einbindung von SolidWorks in die 3DExperience-Plattform ist mit der neuen Version umgesetzt. Nichtsdestotrotz lässt sich SolidWorks nach wie vor autonom betreiben und produktiv nutzen – Der Hersteller bietet hier den Anwendern Entscheidungsfreiheit, übrigens ebenso wie bei der Lizenzierung.
Alles ist 3D, und trotzdem sind Zeichnungen an vielen Stellen immer noch sehr wichtig. An erster Stelle der wichtigsten Neuerungen im SolidWorks 2021-What’s New-Dokument werden dementsprechend die Performancesteigerungen in der Zeichnungserstellung genannt. Zusätzlich gibt es Verbesserung beim Erstellen von Details wie Bohrungsbeschreibungen, beim Ändern von Bemaßungen und bei Detail- und Bruchkantenansichten.
Interessanter finde ich die neue Funktion zum automatischen Generieren einer Excel-Liste als Kollisionsbericht. Jede Kollision wird in einer Zeile mit Namen und Referenz beider „Unfallbeteiligter“ beschrieben, zudem zeigt eine Miniansicht die Kollision. Verknüpfungen sind intelligenter geworden und warnen, wenn die Verknüpfungsrichtung zu Fehlern führen würde.
Der Wiederherstellen-Befehl reicht nun in vielen Bereichen weiter zurück, Im Blechbereich lassen sich Bördelkanten an gebogenen Kanten anbringen und auch abwickeln – wie immer das gehen soll. In der Simulation werden Kontaktstellen automatisch feiner vernetzt, In der Strömungssimulation sind nun freie Oberflächen mit Rotation definierbar.
In der Pressekonferenz zur Markteinführung von SolidWorks 2021 unterstrich Craig Therrien, Senior Product Manager für SolidWorks, dass das Unternehmen sehr stark an der Reaktionszeit auf Bugmeldungen arbeitet und das Auftreten schwerwiegender Fehler durch bessere Qualitätskontrolle um 10 Prozent gesenkt habe. Die Qualität und das Bugfixing haben für Bestandskunden – bei jeder Software – höchste Priorität, denn diese müssen ja jeden Tag mit dem System und seinen Fehlern leben. Insofern ist diese Qualitätsoffensive sicher richtig.
Auch die Performance des Systems ist ein Dauerbrenner. Der neue Ansichtsmodus, der mit SolidWorks 2020 eingeführt wurde und die Grafikkarte besser nutzt, ist nun standardmäßig eingeschaltet. Dieser Modus beschleunigt die Darstellung gewaltig: In einem Test benötigte das System für 500 Rotationen eines komplexen Modells im schnellen Modus unter 4 Sekunden, vorher waren es 161 Sekunden.
Für die vielen weiteren, kleinen und großen Neuerungen verweise ich auf das oben verlinkte Dokument. Mehr Wert legten die Präsentatoren – neben Therrien waren das CEO Gian Paolo Bassi und Brian Zias, Director Technical Marketing – auf die Integration von SolidWorks mit der 3DExperience Plattform.
Hier scheint Dassault einen Weg gefunden zu haben, den bisher eher tiefen Graben zwischen seinen beiden Angeboten – Catia/3DExperience und SolidWorks – zu überwinden. Dabei geht es um mehr als um ein reines Übernehmen von 3DExperience-Komponenten in SolidWorks, die beiden Angebote unterscheiden sich in nahezu jedem Aspekt:
3DExperience | SolidWorks |
Plattform | CAD-System mit Zusatzprogrammen |
Cloudbasiert | Lokal installiert |
Daten in der Cloud | Dateibasiert |
Eher Abteilungsübergreifend | Eher Konstruktionsabteilung |
Direktvertrieb | Indirekter Vertrieb über Reseller |
SolidWorks kommt aus einer eher Einzelplatz-orientierten Welt, die aber immer seltener so zu finden ist. Auch in kleinen Unternehmen arbeitet der Mechanikkonstrukteur nicht mehr allein vor sich hin, sondern mit Elektronik- und Softwareentwicklern, Lieferanten, Kunden. Zudem werden die Abteilungsgrenzen immer durchlässiger und die Daten aus der Konstruktion werden in nach- und vorgelagerten Prozessen verwendet. Die Zusammenarbeit zwischen SolidWorks und Plattform und deren Grenzen habe ich hier analysiert.
Insofern bietet Dassault Systèmes mit 3DExperience Works eine interessante Lösung für alle, die ihre bewährte Konstruktionsumgebung behalten und die Vorteile der Plattformtechnologie nutzen möchten. Die Ausgestaltung wurde schon auf der 3DExperience World in Nashville im Februar dieses Jahres vorgestellt, ich habe darüber in diesem Blog berichtet. Gian Paolo Bassi konkretisierte jetzt, dass im 3DExperience Works-Portfolio 49 Rollen aus der Plattform zur Verfügung stehen (Mehr zum Rollenkonzept hier).
So ist es mit SolidWorks 2021 möglich, sich aus dem Angebot lokaler und Cloudangebote eine sehr mächtige und in der Funktionalität individuell anpassbare Lösung zusammenzusuchen. Sicher werden die neuen Cloudangebote für die Reseller und Kunden zunächst eine Herausforderung darstellen und vor allem bei ersteren Einiges an Schulung erfordern, damit die Reseller die für den jeweiligen Kunden passende Lösung anbieten können. Dafür steht dem Anwender eine ganze neue Welt offen.
„Unsere Community prägt und gestaltet das SolidWorks-Portfolio seit Jahren mit. Daher haben wir in der neuen Version SolidWorks 2021 neue Funktionalitäten integriert und Verbesserungen vorgenommen, die unsere Anwender angeregt haben“, so Jeroen Buring, Director EuroCentral – Customer Role Experience bei Dassault Systèmes. „Darüber hinaus machen wir unsere Ankündigungen von der 3DExperience World wahr und ebnen unseren Kunden mit 3DExperience Works den Weg in die Cloud. Unternehmen profitieren so von den Vorteilen der cloudbasierten 3DExperience-Plattform und gehen den nächsten Schritt in der digitalen Transformation. Aufgrund der momentanen Marktlage sehen wir ein verstärktes Interesse am Markt für unsere Cloud-Angebote. Sie werden gerade für kleine und mittelständische Unternehmen immer wichtiger.“
Eine Special Edition von SolidWorks in Verbindung mit der 3DExperience-Plattform ist ab sofort in drei unterschiedlichen Paketen erhältlich: 3DExperience SolidWorks Standard, Professional und Premium. Diese entsprechen jeweils den Desktop-Versionen und ermöglichen es SolidWorks -Anwendern, ihre vertrauten und seit Jahren bewährten Desktop-Anwendungen zu nutzen, zusätzlich jedoch die Cloud-Services der 3DExperience-Plattform zu verwenden – die Basis für ortsunabhängiges und kollaboratives Arbeiten. Diese „Connected“-Version von SolidWorks wird mit integrierter Datenverwaltung ausgeliefert. Sie verhindert, dass mit veralteten Dateien gearbeitet wird oder dass Daten verloren gehen und aktualisiert Software und Daten automatisch in der Cloud.
Und nicht zuletzt ändert sich in SolidWorks 2021 gar nicht so viel – wer will, kann das System lokal und ohne Cloudanschluss betreiben, seine Zusatzprogramme installieren und seine Daten lokal verwalten. Er profitiert von der Weiterentwicklung, die gerade für Bestandskunden einiges zu bieten hat und kann im Gegensatz zu den meisten anderen Anbietern nach wie vor seine Lizenzen kaufen – SolidWorks bietet Mietlizenzen optional zu den perpetual-Kauflizenzen an. Es gefällt mir sehr gut, dass Dassault Systèmes dem Kunden hier die Freiheit lässt, sich für die Option zu entscheiden, die er gerne möchte.