Seit März sind alle Messen und Veranstaltungen aus der realen Welt verbannt, die meisten Events sind virtuell gegangen. Dabei erlebt man eine große Bandbreite von „User Experiences“, manche Firmen schaffen es, echte Atmosphäre aufkommen zu lassen, bei anderen reichte es nicht weit über eine Website mit Live-Filmchen hinaus. Vom 10.-12. November und noch aufrufbar bis Ende des Jahres ist die Formnext Connect als virtuelle Veranstaltung abgelaufen – nicht nur ich fand die Umsetzung recht verbesserungswürdig.
Nach einer recht aufwändigen Registrierung mit E-Mail-Verifizierung kam man auf eine Hauptseite, die lediglich einige Linkschaltflächen und am linken Rand eine Vielzahl von Icons bietet. Erst beim Klicken auf die Iconleiste verbreitert sich diese und die Erklärung der Icons wird sichtbar. Beim Klick auf „Formnext Mainstage“ gelangte man zu einem Livestream, der bei meinem Besuch wirklich interessante Panels und Vorträge bot, aber offensichtlich nicht aufgezeichnet wurde – alle Mainstage-Vorträge sind im Nachhinein nicht verfügbar.
Ein Klick auf „Eventprogramm“ blendet die Agenda ein, wo seit dem Ende der Veranstaltung auch Buttons mit der Aufschrift „Aufzeichnung ansehen“ locken. Ein Klick darauf führt zur Detailseite des Vortrags, wo wiederum ein Button „Aufzeichnung ansehen“ eingeblendet ist – aber ohne Funktion. Dass man im Videobild auf „Zu meinen Terminen hinzufügen“ klicken muss, um den Film abzuspielen, findet man nach einigem Herumprobieren heraus.
Auch die Buttons „Interessiert“ und „Überspringen“ hinter den Vortragenden geben mir Rätsel auf. Klickt man auf „Interessiert“, verschwindet „Überspringen“. Klickt man auf „Überspringen“, erscheint immerhin die Meldung „Sie haben [Name] abgesagt“, wobei [Name] jeweils dem Namen des Vortragenden entspricht. Doch was bedeutet das? Habe ich nun der Messechefin meine Freundschaft gekündigt, weil ich auf „Überspringen“ geklickt habe? Und was bedeutet es, wenn ich an jemand „interessiert“ bin? Ich weiß es bis heute nicht…
Die Zahlen zur Formnext Connect, die die Mesago gestern veröffentlichte, hören sich nicht schlecht an:
Auf der Plattform aktiv waren insgesamt 203 Aussteller mit 2.200 Vertretern und 8.541 Besucher aus 100 Ländern (1/3 national, 2/3 international). Es wurden mehr als 450.000 Empfehlungen für Produkte und Teilnehmermatches generiert und es entstanden 23.311 neue Kontakte und 4.733 Business-Meetings in Form von Videocalls. Das Bühnen- und Sessionprogramm haben knapp 45.000 Zuschauer verfolgt (Mehrfachteilnahme).
[Zum Einordnung: Besucherzahlen 2019: 34.532, 2018: 26.919]
Lutz Feldmann, Regional Channel Manager Euro-Central beim 3D-Druckerhersteller Markforged, erzählte mir, dass der Klick auf „Interessiert“ – der auch im Ausstellerverzeichnis auf die Firma möglich war – zwar eine Nachricht an die „Zielperson“ generiert. Allerdings bekamen die Aussteller von der Messegesellschaft angeblich aus Datenschutzgründen keinerlei Kontaktdaten der Interessenten – was wiederum bedeutete, dass der Klick auf „Interessiert“ für den Besucher keinen weiteren Wert hatte. Erst wenn sich beide Seiten – Besucher und Aussteller gegenseitig per Klick auf ein winziges Symbol „zugewunken hatten, konnte der Aussteller Kontakt aufnehmen.
Die zweite Möglichkeit, Kontakt mit einem Interessenten aufzunehmen, war das Vereinbaren eines Videomeetings. Hier ging dem Besucher allerdings eine Mail zu, die in keinster Weise erkennen ließ, dass die Videoanfrage als Reaktion auf das geäußerte Interesse erfolgt. Wenig überraschend waren von den 800 Besuchern, die bei Markforged den „Interessiert“-Button anklickten, nur 80 zu einem direkten Kontakt bereit – im letzten Jahr konnte Feldmann 1.800 Leads mit von der Messe nehmen. Immerhin erhielt Markforged im Nachhinein noch knapp 500 Kontakte zu Interessenten von der Mesago.
Dabei wäre es einfach gewesen: Bei der Registrierung eine Erlaubnis einzuholen, dass die Daten des Besuchers weitergegeben werden, wenn er den „Interessiert“-Button anklickt, und die Kommunikationsmöglichkeiten der Aussteller entsprechend erweitern. Da der Besucher erst auf „interessiert“ klicken müsste, damit seine Daten übertragen werden, hat er nach wie vor die Hoheit über die Daten – andererseits wäre ein direkter, niederschwelliger Kontakt möglich.
Mir ist klar, dass es schwierig ist, die Stimmung, Atmosphäre oder Arbeitsweise einer Messe in den virtuellen Raum zu übertragen, aber das geht sicher besser als bei der Formnext Connect. Ich habe virtuelle Veranstaltungen besucht, bei denen eine dreidimensionale Ansicht das Bewegen im Raum und das „Betreten“ von Ausstellung oder Vorträgen ermöglichte – so kommt schon einmal mehr Stimmung auf. Das definierte Übertragen von Besucherdaten ist technisch kein Problem – alle Beteiligten können also auf Besserung hoffen. Vor allem vor dem Hintergrund, das bis mindestens Mitte 2021 reale Messen kaum vorstellbar sind.