Eigentlich will man ja weniger Kunststoff nutzen – aber mit dem 3D-Druck ist eine Fertigungstechnologie im Aufschwung, die sehr viel Plastikteile produziert. Mal abgesehen von Millionen Yodaköpfen und Groot-Figuren, die auf privaten 3D-Druckern entstehen, verbraucht auch die Industrie nicht unerhebliche Mengen an Kunststoffen für den 3D-Druck. Da ist eine Initiative wie die von Materialise ein Schritt in die richtige Richtung: Der Anbieter von 3D-Druck-Software und 3D-Druck-Dienstleistungen bietet in seinem Druckservice das Material Bluesint PA 12 an, bei dem es sich um das häufig genutzte Material PA12 handelt, das schon einmal beim Druckprozess verwendet worden war.
Beim selektiven Lasersintern, der am zweithäufigsten genutzten 3D-Drucktechnologie, wird in jeder Schicht der komplette Bauraum mit Pulver gefüllt, aber nur bestimmte Bereiche mit dem Laser zum späteren 3D-Druckteil verschmolzen. Der Rest des Materials dient während dem Druck als Füllmaterial und Stütze für überkragende Bereiche. Am Ende ist der Bauraum komplett mit Pulver gefüllt, aus dem man die 3D-Druckteile „ausgraben“ muss.
Das lose Pulver wurde zwar nicht verwendet, ist aber mit Klümpchen verunreinigt, die entstehen, wenn die Hitze des Lasers Pulver direkt neben dem eigentlichen Objekt so weit aufheizt, dass es verbackt. Zudem wird der Bauraum beim Druck bis kurz unter den Schmelzpunkt des Materials beheizt, damit der Laser nur noch wenig Energie einbringen muss, um das Material zu schmelzen. Der Kunststoff verändert sich durch diese lange Zeit bei hohen Temperaturen. Zwar wird das Material gesiebt, aufbereitet und zu einem gewissen Anteil für den nächsten Druck dem neuen Material beigemischt. Die Beimischungsquote ist allerdings umso geringer, je wichtiger die Materialeigenschaften des fertigen Teils sind.
Im Schnitt beträgt der Anteil des losen, nicht genutzten Pulvers in einer Baukammer 70 Prozent, die Beimischungsquoten liegen üblicherweise unter 30 Prozent. So bleibt jede Menge Material übrig, das nur noch für geringerwertige Zwecke wiederverwendet (Downcycling) oder als Abfall entsorgt wird. Mit Bluesint kann diesem nicht genutztem Pulver ein zweites Leben in Form neuer additiv gefertigter Teile geschenkt werden, was einen Beitrag zur Eliminierung von Abfall im 3D-Druck darstellt. Mit dem Bluesint PA 12-Angebot können Kunden des Unternehmens 3D-gedruckte Bauteile aus bis zu 100 Prozent wiederverwendetem Kunststoffpulver fertigen lassen. Das reduziert den Pulverabfall deutlich und stellt damit eine nachhaltigere Option bei der additiven Fertigung dar.
Bluesint PA 12 kann zudem CO2-Emissionen reduzieren. Die Herstellung eines Kilogramms Standard-PA 12-Pulver erzeugt mehr als sieben Kilogramm CO2. Indem Bluesint PA 12 den Bedarf an neuem Material reduziert, ermöglicht es eine Verringerung der CO2-Emissionen aus der Pulverproduktion um etwa 30 Prozent. Würde die Hälfte aller Teile, die weltweit im selektiven Lasersintern mit PA 12 gefertigt werden, mit Bluesint PA 12 gedruckt, ließen sich dadurch die CO2-Emissionen aus dem 3D-Druck um mehr als 2.800 Tonnen pro Jahr reduzieren – das entspricht dem Ausstoß eines durchschnittlichen Pkw mit über 11 Millionen Kilometern Fahrleistung.
Bluesint PA 12: Materialise nutzt 3D-Druckmaterial mehrfach
Die Einführung des Bluesint PA 12 Service von Materialise folgt auf ein umfangreiches Beta-Programm für ausgewählte Kunden. Maggie Program, eine in Belgien ansässige Non-Profit-Organisation, die multifunktionale Unterkünfte für lokale Gemeinschaften baut, nahm für die Produktion ihrer Unterkünfte an dem Testprogramm teil.
„Wir verlassen uns auf die Flexibilität des 3D-Drucks, um einige der Fertigungsherausforderungen zu lösen, mit denen wir bei der Produktion bestimmter Teile unserer Unterstände konfrontiert waren“, sagt Benjamin Denef, CEO und Gründer von Maggie Program vzw und DMOA architects. „Mit Bluesint PA 12 gibt uns Materialise nun die Möglichkeit, diese Teile auf eine nachhaltigere Weise mit ähnlichen mechanischen Eigenschaften herzustellen. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Wegen, um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, und Bluesint PA 12 ermöglicht es uns, eine Fertigungsentscheidung zu treffen, die nicht nur auf den technischen Spezifikationen, sondern auch auf den Umweltauswirkungen basiert.“
„Der 3D-Druck hat sich als leistungsstarke und nachhaltige Fertigungslösung für die Herstellung kleinerer, kundenspezifischer Teile etabliert, da er eine lokale Produktion ermöglicht. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass unsere Branche weiterhin in neue Wege investiert, um den 3D-Druckprozess selbst nachhaltiger zu gestalten“, sagt Jurgen Laudus, Vice President und General Manager von Materialise Manufacturing. „Durch Innovationen wie unseren Bluesint PA 12-Service befähigen wir unsere Kunden, eine Entscheidung für Nachhaltigkeit zu treffen.“
„Wir erwarten, dass viele unserer Kunden den Bluesint PA 12-Service für den Druck von Funktionsprototypen nutzen werden“, so Laudus weiter. „Typischerweise haben 3D-gedruckte Prototypen eine kurze Lebensdauer, da sie nur in der Validierungsphase verwendet werden. Das schafft Bedarf für eine nachhaltigere Lösung in diesem Teil des Produktentwicklungsprozesses. Bluesint PA 12 ermöglicht die nachhaltige Entwicklung von Prototypen mit funktionalen und mechanischen Eigenschaften, die mit denen des Endteils vergleichbar sind.“
Es gibt sicher eine Menge von Einsatzmöglichkeiten für 3D-Drucke aus einem etwas weniger hochwertigen Material, beispielsweise für Modelle, mit denen eine Funktion getestet wird. Zeigt sich, dass die Idee funktioniert, landet das 3D-Teil im Müll – da reicht wiederverwendetes Material völlig aus. Insofern eine klasse Idee von Materialise.