Digitale Zwillinge sind dabei, produzierende Unternehmen aller Art zu erobern – die Vorteile sind einfach zu überzeugend, um sie nicht zu nutzen. Allerdings wird es, je kompletter die digitale Abbildung des realen Unternehmenswirkens wird, umso komplexer, weitere Abteilungen und deren Daten einzubinden. Die IDTA (International Digital Twin Association) hat sich zum Ziel gesetzt, diese Hürden zu überwinden. Mit dem auf der Achema in Frankfurt am Main am 24. August 2022 unterschriebenen Memorandum of Understanding hat sich die IDTA nun auch mit dem DDCC (Digital Data Chain Consortium) verbündet, um den digitalen Zwilling auch in der Prozessindustrie voranzubringen.
Die diskrete Industrie arbeitet schon länger an Implementierungen des digitalen Zwillings, und so sind Verbände wie der VDMA für den Maschinen- und Anlagenbau oder der ZVEI für die Elektroindustrie schon länger Partner der IDTA. Nun rückt also auch die Prozessindustrie in den Fokus – was ja viel Sinn macht, denn die Anlagen der Prozessinsustrie entstehen im Maschinen- und Anlagenbau und deren digitale Zwillinge sind eine der Grundlkagen für die digitalen Modelle der Prozessindustrie.
Das DDCC ist ein relativ neuer Verband, er wurde im Oktober 2021 von 43 Unternehmen, darunter den Mitglieder des DIN SPEC 91406 Konsortiums, des VDI Fachausschusses 2770 und des Arbeitskreises Digitale Plattformen für Assetmanagement und Maintenance in der Prozessindustrie gegründet. Ziel des Digital Data Chain Consortium ist die Etablierung der vollständigen digitalen Datenkette vom Hersteller zum Anlagenbetreiber. Dies umfasst zum einen die Weiterentwicklung der nationalen Standards DIN SPEC 91406 und der VDI-Richtlinie 2770 zu internationalen ISO/IEC Standards und zum anderen die Weiterentwicklung von cloudbasierten Informationsaustauschplattformen zur Bereitstellung von digitalen Herstellerinformationen.
Ziel der Zusammenarbeit mit dem IDTA ist es nun, gemeinsam ein globales Ökosystem für interoperable Digitale Zwillinge für die Industrie mithilfe der Verwaltungsschale – englisch Asset Administration Shell (AAS) – aufzubauen. Im Rahmen der Partnerschaft wird die Standardisierung und Verbreitung der AAS vorangetrieben, um zukünftig einfach und automatisiert Daten austauschen zu können. Ziele der Zusammenarbeitr sind:
- die Positionierung der AAS als Standarddatenträger für den digitalen Produkt-Pass gemäß der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) der EU-Kommission.
- IEC 61406 als verbindliche Mindestanforderung zur „Objekt-/Produktidentifikation“ für den digitalen Produkt-Pass gemäß ESPR der EU-Kommission zu positionieren.
- die Übernahme der VDI-Richtlinie 2770 „Digitale Herstellerinformationen“ und gemeinsame Weiterentwicklung des dazugehörigen AAS-Teilmodells („Handover Documentation“) zu einem internationalen Standard (ISO/IEC).
- die Vermarktung der Nutzung der IEC 61406 zur automatischen Identifikation von physischen Objekten als Ankerpunkt für die AAS.
- und die Verpflichtende Nutzung der AAS-API, die die Integrität und den sicheren Datenzugriff auf Objektebene gewährleistet.
Hierzu wird der regelmäßige Erfahrungsaustausch und die technische Koordination mit namhaften Unternehmen aus der Elektro- und Prozessindustrie weiter ausgebaut.
„In der Zusammenarbeit mit dem DDCC sehen wir eine ideale Möglichkeit, die Asset Administration Shell als Basis für Informationsaustauschplattformen zu etablieren. Wir können von der Kompetenz der DDCC-Gremien bei der industriellen Anwendung der Standards zur automatischen Identifikation und digitalen Herstellerinformationen im Zusammenwirken mit der AAS profitieren. Gemeinsam stellen wir sicher, dass Informationen zu Assets kompatibel sind und so der Informationszugriff über den Lebenszyklus von Komponenten und Anlagen nahtlos gewährleistet wird. Wir freuen uns auf den gemeinsamen Prozess der Umsetzung,“ sagt Meik Billmann, Geschäftsführer bei der IDTA.
Christoph Attila Kun, Manager des DDCC, bekräftigt: „Durch das Konzept der Teilmodelle bietet die AAS die Möglichkeit den Digitalen Zwilling eines Produktes sehr flexibel, aber dennoch standardisiert, an die jeweiligen Anforderungen anzupassen. Durch die Verbindung der Kompetenzen von IDTA und DDCC können neue Teilmodelle und Standards entwickelt und die AAS als industrieübergreifende technische Lösung für den Digitalen Zwilling verbreitet werden, mit dem gemeinsamen Ziel die AAS als technische Lösung für den digitalen Produkt-Pass der EU zu etablieren. Wir freuen uns darauf, zusammen mit der IDTA die Digitalisierung in der Industrie weiter voranzutreiben.“
Der interoperable Digitale Zwilling ermöglicht es, alle Eigenschaften eines Objektes von der einzelnen Komponente bis zur gesamten Maschine in einer standardisierten Form abzubilden und den Austausch von Informationen und Daten zu ermöglichen. Bei der Umsetzung des Digitalen Zwillings für die Industrie 4.0 wird die Asset Administration Shell eingesetzt. Mithilfe dieser Technologie kann der gesamten Lebenszyklus von Produkten, Geräten, Maschinen und Anlagen abgebildet werden.
Wie wichtig die Arbeit im Maschinenraum der Digitalisierung ist, wird mir jedes Jahr aufs Neue auf dem Prostep Symposium bewusst. Die nahtlose Zusammenarbeit der unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens oder zwischen Unternehmen ist ohne sauber definierte und umfassende Standards schlicht unmöglich – und damit steht und fällt die digitale Transformation. So dröge solche Verbandsmeldungen und Zusammenarbeiten wirken mögen – sie sind der unverzichtbare erste Schritt in die digitale Zukunft und Voraussetzung für all die eleganten und intelligenten Lösungen, die auf ihnen aufbauen.