Autodesk hat letzte Woche nach drei Jahren endlich wieder seine Autodesk University als Präsenzevent in New Orleans veranstaltet. Die AU ist traditionell eine riesige Veranstaltung mit über 10.000 Teilnehmern; nun kamen sogar noch über 30.000 Onlinebesucher hinzu. Leider ging mir die Kneipentour durch die Bourbon Street durch die Lappen, ich war einer der 30.000 Onlinebesucher. Nichtsdestotrotz habe ich in den Keynotes einige interessante Neuigkeiten aufgeschnappt.
Am ersten Tag der AU gehörte die Bühne Autodesk-CEO Andrew Anagnost, der neben einigen Anwenderstories auch interessante Fakten präsentierte: Das Unternehmen entwickelt unter dem Namen Autodesk Platform Services – bisher Forge – ein dreiteiliges Industry-Cloud-Angebot: Fusion für die Industrie, Flow für Medien und Forma für den Baubereich – analog zu den drei Bereichen, in denen Autodesk bisher schon tätig war. Parallel dazu und verbunden mit diesen existieren die lokal installierbaren Angebote.
Anagnost betonte die Lauffähigkeit des Cloudangebots auf allen Geräten und Mobildevices. Unter dem Namen Upchain bietet das Unternehmen eine Cloudlösung, die nicht nur Daten aus Fusion, sondern auch Inventor, AutoCAD und SolidWorks einlesen und in Fusion lesbar macht. Nach dem Einlesen der Dateien stehen diese „fileless“ in der Cloud zur Verfügung, Metadaten lassen sich über APIs an andere Systeme wie ERP weiterleiten, zudem sind Workflows für den Aufbau von Stücklisten und Änderungen eingebaut. 3D-Geometrien aus den genannten Quellen lassen sich in Fusion nahtlos weiterverwenden. Das hört sich tatsächlich nach einem Ansatz zur Plattformarchitektur an.
An Tag 2 der Autodesk University präsentierte Jeff Kinder, Executive Vice President Product Development and Manufacturing Solutions, weitere Neuerungen. Inventor soll in manchen Bereichen bis zu 80 Prozent Schneller geworden sein, unter anderem in der Zeichnungsableitung – soweit ich das verstanden habe. Über 200 neue Features werden in diesem Jahr an die Anwender ausgerollt, die meisten davon auf Basis von Anregungen der Nutzer.
Großen Raum in der Präsentation nahm die Integration der verschiedenen Autodesk-Produkte ein – in vielen Bereichen ein längst überfälliges Thema. Autodesk entwickelt ein Plugin für Inventor, mit dem Revit-Templates bearbeitet werden können, Revit- und Inventor-Modelle werden wechselweise integrierbar. So lassen sich beispielsweise in Inventor entwickelte Produkte – etwa eine Klimaanalage oder eine Maschine – in Revit-Bauwerke einbauen. Auch der andere Weg ist offen, ein Revit-Plugin erlaubt die Konfiguration von Inventor-Modellen im Architekturprogramm. Auch das PDM-System Vault ist als Cloudversion von überall her erreichbar und kann Daten aus den und in die unterschiedlichen Systeme liefern.
Fusion enthält seit einiger Zeit ein Modul, mit dem sich Leiterplatten designen lassen. Nun bekommt das System in einer Kooperation mit Ansys eine integrierte Simulation der Signalintegrität. Der Anwender kann so testen, ob die Leiterbahnen richtig verlegt sind oder ein Übersprechen zwischen nebeneinander liegenden Bahnen zu befürchten ist. In verschiedenen Bereichen wird die Automatisierung von Tätigkeiten vorangetrieben, so vergibt CloudNC Bearbeitungsstrategien automatisch – Das System erstellt selbständig CNC-Programme, die sofort genutzt oder manuell optimiert werden können.
Mit dem automatischen Erstellen und Anordnen von Maßen beschleunigt Fusion die Zeichnungserstellung sehr. Als „Automated Modeling“ bezeichnete Kinder das Generative Design, das in Fusion nach dem Definieren von Anschlußflächen und Kräften automatisch eine passende Bauteilgeometrie erzeugt. Fusion errechnet dabei mehrere Alternativen parallel, aus denen der Anwender dann wählen kann. Und nicht zuletzt wird das bisher hybride System – ein Teil des Systems wird lokal installiert, die Daten liegen in der Cloud, wohin auch viele rechenintensive Tasks ausgelagert sind – zu einem Cloud-Only-System umgebaut.
Host des zweiten Tags de Autodesk University Keynotes war COO Steve Blum, der zum Ende noch einige interessante Neuerungen, vor allem für Administratoren, im Bereich der Lizenzierung verkündete. Autodesk hat ja schon vor Jahren auf ein reines Mietmodell umgestellt. Im Standardlevel ist nun user level reporting integriert, der Admin sieht damit, welcher User welche Lizenzen wie lang nutzt. Was manchen Datenschützer auf die Palme bringen wird, ist dafür gedacht, die Nutzung der Lizenzen besser zu verstehen und die Anzahl von Lizenzen optimal an die Anforderungen des laufenden Betriebs anpassen zu können. Ebenso neu ist „Bulk User Removal“, also das Entfernen vieler Anwender auf einmal.
In der Premium-Subscription kommt zu den genannten Neuerungen der Standard-Edition ein sehr interessanter Service hinzu: „Expert Coaching“. Endanwender oder Anwender-Kleingruppen können zu einem bestimmten Thema einen Autodesk-Spezialisten anfragen, der dann die Funktionen in einer Onlinesession erörtert und erklärt. Das Thema wird in Zusammenarbeit mit dem Administrator geplant.
An alle Anwender von Autodesk-Lösungen wendet sich der „Solution Adoption Advisor“. Mithilfe eines Assistenten, der Unternehmensziele, Branche und benötigte Fähigkeiten abfragt, können Manager und Unternehmensführer ihre Autodesk-unterstützten Workflows analysieren und einen Soll-Zustand definieren. Auf dieser Basis wird dann analysiert, welche Fähigkeiten im Team, welche Werkzeuge und welche Prozesse – vom Change Management bis zur Implementierungs-Roadmap – benötigt werden, um das gewünschte Ziel zu erreichen.
In AutoCAD wurde ein KI-getriebener Autodesk Assistant integriert, der bei Fragen zu Bedienung schneller zu den passenden Hilfedokumenten führt und im schlimmsten Fall an einen menschlichen Supportmitarbeiter übergibt.
Auch wenn ich bei der Autodesk University nicht vor Ort war – bei Autodesk ist ein Aufbruch spürbar, ich hatte aus den verschiedenen Keynotes – die ja auch die anderen Bereiche der Autodesk-Palette präsentierten – den Eindruck, dass das Unternehmen endlich zusammenfindet und die verschiedenen Bereiche zusammenbringt beziehungsweise voneinander lernt. Ein Beispiel, sind die Cloudangebote – der Industriebereich ist in diesem Bereich mit Fusion schon sehr weit vorangekommen. Die anderen Bereiche ziehen nun nach, und das nicht mit völlig neuen Lösungen, sondern auf Basis dessen, was bei Fusion schon erreicht wurde. Weiter so, Autodesk!